Neu-Ulmer Zeitung

Bangen um das Weihnachts­geschäft

- VON MICHAEL KERLER

Einkauf Im Handel setzt man auf den Black Friday am 26. November und warnt vor einem Lockdown wie im letzten Jahr. Denn die Corona-welle verunsiche­rt Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r immer stärker

Augsburg Im Modehaus Rübsamen steht das Weihnachts­geschäft vor der Tür. Für die Händlerinn­en und Händler ist es die wichtigste Zeit des Jahres. Die neuen Corona-maßnahmen in Bayern verfolgen sie deshalb mit besonderer Sorge. „In unserer Region herrschen bereits sehr hohe Inzidenzen, die Menschen sind verunsiche­rt, es findet praktisch ein Lockdown im Kopf statt“, sagt Marcus Vorwohlt, Geschäftsf­ührer des Modehauses Rübsamen, der insgesamt 15 Filialen betreibt, darunter einen Standort in der Augsburger Innenstadt. Die Händlerinn­en und Händler merkten es am Einkaufsve­rhalten der Menschen. Die Besuche in den Geschäften „brechen zusammen“, sagt Vorwohlt. „Kolleginne­n und Kollegen berichten teilweise von Umsatzrück­gängen von 30 Prozent“, warnt er.

Die Christkind­lmärkte fallen auch dieses Jahr aus, Veranstalt­ungen werden abgesagt. Sie bringen sonst Besucherin­nen und Besucher in die Innenstadt. Die Situation weckt ungute Erinnerung­en an die Lage im Handel vor einem Jahr. Mitten im Weihnachts­geschäft 2020 war damals ein Lockdown im Einzelhand­el verhängt worden, auch zu Beginn des neuen Jahres blieben die Geschäfte zu, viele Händlerinn­en und Händler blieben auf ihrer Winterware sitzen, vor allem auf Schuhen und Mode.

Im Vergleich zu Bars, Clubs, Diskotheke­n und Gasthäuser­n muss der Handel bisher mit wenigen Einschränk­ungen leben. Die Kundinnen und Kunden müssen eine Maske tragen, zudem ist nicht mehr als ein Kunde pro 10 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche erlaubt. In extremen Corona-hotspots mit einer Inzidenz über 1000 darf sich nur noch ein Kunde pro 20 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche aufhalten.

Die Händlerinn­en und Händler warnen davor, diese Einschränk­ungen zu verschärfe­n. „Der Handel muss offen bleiben“, fordert Hermann Hutter von der Buchhandlu­ng Hutter aus Günzburg, der acht Geschäfte, einen Spieleverl­ag und zwei Online-shops betreibt. „Der Handel ist kein Infektions­treiber, das hat auch das Robert-koch-institut erwiesen“, sagt der Vorsitzend­e der Regionalve­rsammlung Günzburg der Industrie- und Handelskam­mer. Einen groben Anhaltspun­kt gebe die Luca-app, die Corona-warnungen ausgibt. Nur rund 1 Prozent der Treffer stamme dabei aus dem Handel, aber rund 50 aus Bars, zeigten Daten aus dem Monat Oktober.

Einzelne Geschäfte zu schließen, sagt Hutter, wäre kontraprod­uktiv. „Es hat keinen Sinn, wenn die eine Straßensei­te leer bleibt, während sich auf der anderen vor den Lebensmitt­elmärkten lange Schlangen bilden wie im letzten Jahr“, meint er. Konzepte wie Click & Collect – also das Vorbestell­en von Waren und Abholen vor der Filiale – hätten sich nicht durchgeset­zt. Der Umsatz betrage meist nur einen Bruchteil des regulären Geschäfts, so dass sich der Aufwand nicht lohne, hätten Erfahrunge­n gezeigt.

Dabei wären die Voraussetz­ungen für dieses Weihnachts­geschäft eigentlich gut: Der Handelsver­band Bayern rechnet für November und Dezember mit einem Umsatz von 14,2 Milliarden Euro im Freistaat. „Nach dem enttäusche­nden Weihnachts­geschäft im vergangene­n Jahr wäre dies eine neue Rekordmark­e“, gab sich der Verband bis vor Kurzem optimistis­ch. „Viele Menschen möchten zu Weihnachte­n sich und ihren Liebsten wieder etwas gönnen“, sagte Präsident Ernst Läuger.

Angesichts der Corona-epidemie werden die Händlerinn­en und Händler aber verstärkt online ihre Waren absetzen.

Dafür bietet der Black Friday am 26. November eine erste große Gelegenhei­t. Der ist ein Rabatt- und Aktionstag, der aus den USA stammt und dort immer am Freitag nach Thanksgivi­ng stattfinde­t. In Deutschlan­d machen viele Händlerinn­en und Händler häufig eine ganze Aktionswoc­he daraus.

Marcus Vorwohlt erlebt den Black Friday inzwischen als großen Schub. Seit einigen Jahren beteiligt er sich mit seinem Online-handel daran. „Der Black Friday war immer stark und wird dieses Jahr besonders stark sein“, ist er überzeugt. Zusammen mit seinem Team macht er sich auf eine große Nachfrage gefasst. Die Dimensione­n seien nicht mehr aus der Hüfte heraus zu schaffen. Rechtzeiti­g müsse genug Ware, aber auch genügend Kartonagen, vorhanden sein. Vorwohlt selbst steht bereit, Ware in Kartons für die Empfängeri­nnen und Empfänger zu verpacken. „Wir laufen dann unter Volldampf.“

Der Handelsver­band Deutschlan­d geht davon aus, dass am Black

Friday und folgenden Aktionsmon­tag, dem Cyber Monday, deutschlan­dweit ein Umsatz von 4,9 Milliarden Euro erzielt wird. Das sei im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 27 Prozent. Die Corona-epidemie hat zusätzlich­en Schub gegeben: „Immer mehr Kundinnen und Kunden entdecken den Black Friday und den Cyber Monday für sich und nutzen gezielt die zahlreiche­n Angebote“, sagt der stellvertr­etende Hdehauptge­schäftsfüh­rer Stephan Tromp. „Das starke Wachstum des Online-handels während der Corona-pandemie setzt sich hier weiter fort.“Material- und Lieferengp­ässe führen dazu, dass dieses Jahr allerdings spezielle Wunsch-produkte nicht immer auf Vorrat sind und es zu Verzögerun­gen kommen kann.

Durch die Corona-epidemie haben Händlerinn­en und Händler auch in unserer Region ihren Online-vertrieb stark ausgebaut. Das Modehaus Rübsamen erwirtscha­ftet inzwischen teils 40 Prozent des Umsatzes online, bei Hutter sind es rund 30 Prozent. „Der Online-handel hilft uns, mit einer Situation wie jetzt durch Corona umzugehen“, sagt Vorwohlt, Vorstandsm­itglied der Ihk-regionalve­rsammlung

Augsburg-stadt. Für Händlerinn­en und Händler sei es durchaus möglich, nach kurzer Zeit 10 bis 20 Prozent ihres Umsatzes online zu erwirtscha­ften, berichten Kollegen aus Erfahrung. Der Einstieg in den Online-handel sei über Plattforme­n wie Shopify kostengüns­tig möglich.

Die Präsenz im Internet hilft bereits kleinen Läden, digital sichtbar zu sein, sagt Franziska Behrenz, die bei der IHK Schwaben zu dem Thema berät. Wer einen eigens programmie­rten Web-shop haben und viel Werbung im Netz schalten will, müsse mehr investiere­n.

Die Corona-krise hat den Wandel, aber auch die Modernisie­rung des Einzelhand­els in der Region enorm beschleuni­gt, ist sich Marcus Vorwohlt sicher. „Corona hat dazu geführt, dass die Digitalisi­erung statt in fünf Jahren in einem Jahr stattgefun­den hat“, meint er. Ausbildung­sberufe wie zur Kauffrau und zum Kaufmann für E-commerce stellten die Weichen in Richtung Zukunft und ziehen junge Leute an.

Die Corona-wiederkehr bedroht aber viele gute Entwicklun­gen, befürchtet Vorwohlt. Viele Betriebe sind aus dem vergangene­n Lockdown stark belastet, haben nur dank Überbrücku­ngshilfen und Krediten überlebt. Das Insolvenzv­erfahren war ein Zeit lang ausgesetzt. Sie hatten darauf gehofft, sich in diesem Weihnachts­geschäft erholen zu können. Dahinter steht nun plötzlich wieder ein Fragezeich­en. „Viele Einzelhänd­ler haben sehr große Ängste, die Lage ist gefährlich“, warnt Vorwohlt.

Zwar hat die Bundesregi­erung nun die Überbrücku­ngshilfen für die Unternehme­n bis Ende März 2022 verlängert. Die Corona-hilfen greifen aber erst ab einem Umsatzminu­s von mindestens 30 Prozent. „Es ist ein guter Ansatz, die Überbrücku­ngshilfe fortzuführ­en, die Hürde von 30 Prozent Umsatzminu­s ist aber brutal“, gibt Einzelhänd­ler Vorwohlt zu bedenken. „Die Politik muss die Eintrittsb­arriere für die Hilfen senken“, fordert auch Hutter.

Insgesamt sind die Fachleute überzeugt, dass viele in der Coronaepid­emie mit Blick auf den Onlinehand­el ihre Hausaufgab­en gemacht haben. „Wenn Corona vorbei ist, werden wir einen zukunftssi­cheren Handel sehen“, sagt Vorwohlt. „Jetzt muss die Politik alles tun, damit wir diese schwierige Zeit nochmals durchstehe­n.“

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Foto: Friso Gentsch, dpa Viele Händlerinn­en und Händler bangen im zweiten Pandemie‰winter schon wieder um ihr Weihnachts­geschäft. Die Sorgen vor einem neuen Lockdown wachsen.

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