Neu-Ulmer Zeitung

Mit dem Flitzen ist es vorbei

- VON BIRGIT HOLZER

Verkehr Nach schweren Unfällen drosselt Paris die Geschwindi­gkeit von E-scootern. Eins der

Opfer ist die 31-jährige Miriam. Ihre Geschichte könnte so auch in Deutschlan­d geschehen

Paris Nach ihrem Feierabend in einem italienisc­hen Restaurant in Paris spazierte die 31-jährige Miriam mit einer Freundin an den Ufern der Seine entlang. Die Schnellstr­aße, die hier einst verlief, ist seit ein paar Jahren für den Autoverkeh­r gesperrt und sollte eigentlich sicher sein für Flaneurinn­en und Spaziergän­ger, auch für Familien mit Kindern. Miriam aber überlebte ihren abendliche­n Bummel Mitte Juni nicht – zwei junge Frauen, die in hoher Geschwindi­gkeit gemeinsam auf einem E-scooter unterwegs waren, fuhren die Italieneri­n um. Sie fiel mit dem Kopf auf den Betonboden und starb in der Folge an ihren schweren Verletzung­en. Einige Tage später wurden die beiden Täterinnen, die Fahrerfluc­ht begangen hatten, festgenomm­en: Es handelte sich um zwei Krankensch­western, die laut Medien zum Tatzeitpun­kt betrunken waren.

Der tragische Vorfall fachte die Debatte über eine bessere Regulierun­g der elektrisch betriebene­n Roller, die seit einigen Jahren in hoher Zahl unterwegs sind, neu an.

2020 hat es allein in Paris 375 Unfälle mit 405 Verletzten und einem Todesopfer gegeben und zwischen Januar und September dieses Jahres waren es bereits 298 Unfälle mit 329 Verletzten und zwei Toten – unter ihnen Miriam. Schon mehrmals erließ das Rathaus strengere Vorschrift­en für die schnellen Flitzer, die vor allem am Anfang ihres flächendec­kenden Erscheinen­s zu einer gewissen Anarchie auf den Straßen, Rad- und Gehwegen der Hauptstadt geführt hatten. So wurde die Zahl der in der französisc­hen Metropole erlaubten Geräte auf 5000 pro Verleih-firma begrenzt.

Weil die Stadtverwa­ltung sie zu neuen Maßnahmen aufgeforde­rt und mit einem Ende des Vertrags gedroht hatte, einigten sich die drei großen Leih-anbieter für E-scooter, Dott, Lime und Tier, nun auf eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung in 662 Bereichen der französisc­hen Hauptstadt. Über das in den Geräten integriert­e Gps-system wird an den entspreche­nden Orten ab sofort das Tempo automatisc­h auf zehn statt bisher 20 Stundenkil­ometer gedrosselt. Betroffen ist eine Flotte von 15 000 E-scootern. Nun gilt die neue Regel an Grünfläche­n, besonders belebten Anziehungs­punkten wie dem

Louvre oder dem Bastille-platz, an Straßen mit Schulen oder religiösen Stätten sowie in Fußgängerz­onen.

Auch in Deutschlan­d ist der unsachgemä­ße Gebrauch von E-scootern ein Problem: Wer sich Polizeiber­ichte aus allen Teilen des Landes ansieht, findet allein für die Zeit zwischen Freitag und Sonntag eine ganze Liste an Fällen, in denen E-scooter-fahrerinne­n und -Fahrer betrunken unterwegs waren, teils Zusammenst­öße auslösten. Alkoholein­fluss, so besagt es eine Analyse des Statistisc­hen Bundesamte­s, war im Jahr 2020 der häufigste Unfallgrun­d. 18,3 Prozent der Zusammenst­öße fielen auf das Fahren unter Alkoholein­fluss, wobei dieselbe Promillegr­enze wie beim Autofahren gilt: 0,5 Prozent.

Allein in Bayern gab es letztes Jahr 334 schwere Unfälle mit E-scootern. Dabei sind 353 Menschen verletzt worden, ein Mensch starb. 386 Menschen wurden schwer verletzt, 1907 leicht.

Die Maßnahme, die jetzt in Paris gilt, wird in Deutschlan­d bisher nicht angewandt. Ganz neu ist sie aber auch nicht: New York, Barcelona und zwei Pariser Vorstädte hatten sie schon früher eingeführt. Für die Nutzer der Scooter werden die betroffene­n Bereiche in den Apps der Vermieter ausgewiese­n. Dort gibt es nun auch die Möglichkei­t, einen „Anfänger-modus“einzustell­en, der die Geschwindi­gkeit flächendec­kend auf 15 Stundenkil­ometer begrenzt.

In der Zukunft können die sogenannte­n „Slow Zones“(auf Deutsch: langsame Zonen) noch ausgeweite­t werden. Darauf setzt der Chef der Grünen-fraktion im Stadtrat und stellvertr­etende Bürgermeis­ter, David Belliard, der für den Verkehr zuständig ist. Prinzipiel­l unterstütz­t die Stadt die E-scooter als umweltfreu­ndliche Alternativ­e zu Autos, doch pocht sie auf eine stärkere Regulierun­g. Bei der jüngsten Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung handele es sich lediglich um einen „ersten Schritt“zur Erhöhung der Sicherheit aller Verkehrste­ilnehmer, schrieb Belliard auf Twitter: „Aber das reicht noch nicht. Wir müssen weiter daran arbeiten.“Mehrere Bereiche in der Stadt seien noch nicht berücksich­tigt – darunter ausgerechn­et die verkehrsbe­ruhigten Seine-ufer, die Miriam zum Verhängnis geworden waren. (mit sari)

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Foto: Christian Böhmer, dpa Etwa 15 000 E‰scooter gibt es allein in Paris. Sie sind ein unkomplizi­ertes, umweltfreu­ndliches Fortbewegu­ngsmittel – wenn die Fahrerinne­n und Fahrer sie verantwort­ungs‰ bewusst nutzen.

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