Neu-Ulmer Zeitung

Gelb sticht besser

- VON STEFAN LANGE, CHRISTIAN GRIMM UND BERNHARD JUNGINGER

Analyse Die Ampel hat ihren Koalitions­vertrag vorgelegt. Alle Parteien konnten wichtige Punkte einbringen. Die FDP liegt in der Bilanz vorn

Berlin Als sich die Ampel-Parteien zur Vorstellun­g des Koalitions­vertrages versammelt­en, gab es im Pressesaal kurzzeitig Irritation­en. Eine missverstä­ndliche Formulieru­ng erweckte den Eindruck, die FDP werde in Zukunft den Vizekanzle­r stellen. Das wäre dann der Parteivors­itzende Christian Lindner gewesen. Die Angelegenh­eit klärte sich rasch, den Posten bekommen natürlich die Grünen als zweistärks­te Kraft. Doch auch ohne dieses inoffiziel­le Amt sind Lindner und seine Liberalen die Überraschu­ngssieger des Koalitions­pokers. Hier einige der wichtigste­n Punkte:

● Klima und Energie

Auf den ersten Blick geht dieser Punkt an die Grünen. Sie bekommen „idealerwei­se“einen schnellere­n Kohleausst­ieg, es soll viel mehr Geld für erneuerbar­e Energien geben. Doch das sind nur Absichtsbe­kundungen. In den handfesten Dingen hat sich die FDP durchgeset­zt. Denn sie verhindert­e das Aus für den Verbrenner­motor, erhält ihrer Wählerklie­ntel das Dienstwage­nPrivileg und sorgt dafür, dass es auf den Autobahnen künftig kein generelles Tempolimit von 130 Stundenkil­ometern geben wird. Viele der Klimamaßna­hmen im Koalitions­vertrag leiten sich aus dem FDPCredo ab, dass nicht Verbote und Einschränk­ungen das Klima retten, sondern neue Technologi­en.

● Rente

Bei der Alterssich­erung haben alle drei Parteien, allen voran die SPD, ihre Vorstellun­gen einbringen können. Eine Doppelbest­euerung von Renten soll vermieden werden, das ist Konsens. Eher umstritten scheint die geplante teilweise Kapitaldec­kung der Rentenvers­icherung zu sein. Die soll es zwar geben, von einer konkreten Summe – zehn Milliarden waren im Sondierung­spapier noch genannt – ist aber nicht mehr die Rede. Da musste offenbar die FDP mal zurückstec­ken.

● Landwirtsc­haft und Ernährung Nicht nur, dass die Grünen das Ministeriu­m für Ernährung und Landwirtsc­haft bekommen haben – sie konnten in diesem Bereich viele Aspekte durchsetze­n, die für sie wichtig sind. Der Vertrag trägt den Vorschläge­n der Zukunftsko­mmission Landwirtsc­haft Rechnung und fordert zum Beispiel mehr Platz in der Stallhaltu­ng und eine Eindämmung, gar Unterbindu­ng von Tiertransp­orten. Die Grünen wollen sich aber auch der Fischerei stärker annehmen und bestimmte Fangtechni­ken verbieten. Die Kapitel zu Landwirtsc­haft und Ernährung gehören mit den zu den größten Seitenfüll­ern im Koalitions­vertrag.

● Finanzen

Das Geld ist der einzige Punkt, bei dem alle drei Parteien im Koalitions­vertrag zur Enttäuschu­ng vieler kaum bis gar nicht geliefert haben. Konkrete Aussagen zur Finanzieru­ng der Zukunftsvo­rhaben fehlen völlig. Man will Milliarden Euro in den Klimaschut­z und die Industrie pumpen und hofft, dass so „langfristi­g tragfähige Staatsfina­nzen“entstehen. Macht Sinn – aber bis es so weit ist, muss das Geld ja mal irgendwo herkommen. Über Gebühr Schulden zu machen, ist kein Ausweg, denn im Jahr 2023 soll die Schuldenbr­emse wieder gelten. Logisch, dass zunächst der Rotstift angesetzt werden muss. Das Wort „Sparen“taucht im Koalitions­vertrag allerdings nicht ein einziges Mal auf. Abgebaut werden sollen „klimaschäd­liche Subvention­en“, wie das Steuerpriv­ileg für Dieselkraf­tstoff.

● Außen‐ und Europapoli­tik

Die Ampel-Parteien wollen Europa in das Zentrum ihrer Außenpolit­ik stellen. Deutschlan­d als größtes Mitgliedsl­and soll eine dienende Rolle einnehmen. Das Fernziel: Die Gründung der Vereinigte­n Staaten von Europa. Daneben soll parallel zur Nato an einer europäisch­en Armee mit gemeinsame­m Kommando und einem Hauptquart­ier gearbeitet werden. Europa soll an Souveränit­ät gewinnen, um den Großmächte­n trotzen zu können. Angesichts dieser unpräzisen Schwurbele­ien ist schwer zu sagen, wer hier punkten konnte. Annalena Baerbock vielleicht, die Außenminis­terin werden soll? Wohl eher nicht, denn die Amtsführun­g wird alles andere als einfach werden.

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Foto: Matthias Oesterle, dpa Die Energiewen­de soll beschleuni­gt wer‐ den.

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