Gelb sticht besser
Analyse Die Ampel hat ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Alle Parteien konnten wichtige Punkte einbringen. Die FDP liegt in der Bilanz vorn
Berlin Als sich die Ampel-Parteien zur Vorstellung des Koalitionsvertrages versammelten, gab es im Pressesaal kurzzeitig Irritationen. Eine missverständliche Formulierung erweckte den Eindruck, die FDP werde in Zukunft den Vizekanzler stellen. Das wäre dann der Parteivorsitzende Christian Lindner gewesen. Die Angelegenheit klärte sich rasch, den Posten bekommen natürlich die Grünen als zweistärkste Kraft. Doch auch ohne dieses inoffizielle Amt sind Lindner und seine Liberalen die Überraschungssieger des Koalitionspokers. Hier einige der wichtigsten Punkte:
● Klima und Energie
Auf den ersten Blick geht dieser Punkt an die Grünen. Sie bekommen „idealerweise“einen schnelleren Kohleausstieg, es soll viel mehr Geld für erneuerbare Energien geben. Doch das sind nur Absichtsbekundungen. In den handfesten Dingen hat sich die FDP durchgesetzt. Denn sie verhinderte das Aus für den Verbrennermotor, erhält ihrer Wählerklientel das DienstwagenPrivileg und sorgt dafür, dass es auf den Autobahnen künftig kein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern geben wird. Viele der Klimamaßnahmen im Koalitionsvertrag leiten sich aus dem FDPCredo ab, dass nicht Verbote und Einschränkungen das Klima retten, sondern neue Technologien.
● Rente
Bei der Alterssicherung haben alle drei Parteien, allen voran die SPD, ihre Vorstellungen einbringen können. Eine Doppelbesteuerung von Renten soll vermieden werden, das ist Konsens. Eher umstritten scheint die geplante teilweise Kapitaldeckung der Rentenversicherung zu sein. Die soll es zwar geben, von einer konkreten Summe – zehn Milliarden waren im Sondierungspapier noch genannt – ist aber nicht mehr die Rede. Da musste offenbar die FDP mal zurückstecken.
● Landwirtschaft und Ernährung Nicht nur, dass die Grünen das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft bekommen haben – sie konnten in diesem Bereich viele Aspekte durchsetzen, die für sie wichtig sind. Der Vertrag trägt den Vorschlägen der Zukunftskommission Landwirtschaft Rechnung und fordert zum Beispiel mehr Platz in der Stallhaltung und eine Eindämmung, gar Unterbindung von Tiertransporten. Die Grünen wollen sich aber auch der Fischerei stärker annehmen und bestimmte Fangtechniken verbieten. Die Kapitel zu Landwirtschaft und Ernährung gehören mit den zu den größten Seitenfüllern im Koalitionsvertrag.
● Finanzen
Das Geld ist der einzige Punkt, bei dem alle drei Parteien im Koalitionsvertrag zur Enttäuschung vieler kaum bis gar nicht geliefert haben. Konkrete Aussagen zur Finanzierung der Zukunftsvorhaben fehlen völlig. Man will Milliarden Euro in den Klimaschutz und die Industrie pumpen und hofft, dass so „langfristig tragfähige Staatsfinanzen“entstehen. Macht Sinn – aber bis es so weit ist, muss das Geld ja mal irgendwo herkommen. Über Gebühr Schulden zu machen, ist kein Ausweg, denn im Jahr 2023 soll die Schuldenbremse wieder gelten. Logisch, dass zunächst der Rotstift angesetzt werden muss. Das Wort „Sparen“taucht im Koalitionsvertrag allerdings nicht ein einziges Mal auf. Abgebaut werden sollen „klimaschädliche Subventionen“, wie das Steuerprivileg für Dieselkraftstoff.
● Außen‐ und Europapolitik
Die Ampel-Parteien wollen Europa in das Zentrum ihrer Außenpolitik stellen. Deutschland als größtes Mitgliedsland soll eine dienende Rolle einnehmen. Das Fernziel: Die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa. Daneben soll parallel zur Nato an einer europäischen Armee mit gemeinsamem Kommando und einem Hauptquartier gearbeitet werden. Europa soll an Souveränität gewinnen, um den Großmächten trotzen zu können. Angesichts dieser unpräzisen Schwurbeleien ist schwer zu sagen, wer hier punkten konnte. Annalena Baerbock vielleicht, die Außenministerin werden soll? Wohl eher nicht, denn die Amtsführung wird alles andere als einfach werden.