Neu-Ulmer Zeitung

Berlusconi will es noch mal wissen

- VON JULIUS MÜLLER‐MEININGEN

Hintergrun­d Wie Italiens umstritten­er Ex-Regierungs­chef Staatspräs­ident werden will

Rom Silvio Berlusconi hat schon vieles in seinem Leben erlebt. Seine Karriere begann als Bauunterne­hmer, nahm ihren Lauf als Gründer eines Medienkonz­erns. Berlusconi war Präsident und Eigentümer des Fußballver­eins AC Mailand, nun besitzt er den Zweitligis­ten AC Monza. 1994 gründete er die Partei Forza Italia, die ihm viermal ins Amt des Ministerpr­äsidenten Italiens verhalf. Berlusconi hat unzählige Auseinande­rsetzungen mit der Justiz ausgefocht­en, der Mann ist rechtskräf­tig wegen Steuerbetr­ugs verurteilt. Doch das alles ist ihm nicht genug. Im Alter von 85 Jahren setzt der Europaparl­amentarier nun alles auf sein letztes, höchstes Karrierezi­el. Er will Staatspräs­ident in Italien werden.

Vor Wochen taten manche diese Pläne des lange Zeit umstritten­sten Politikers in Europa noch als absurde Fantasie eines Greisen ab. Doch der Ex-Regierungs­chef und seine Unterstütz­er arbeiten hinter den Kulissen mit aller Kraft an der Verwirklic­hung des Traumes. Berlusconi selbst ist sich für kein Manöver zu schade, dass ihm beim Einzug in den Quirinalsp­alast behilflich sein kann. Neulich fanden die Parlamenta­rier in ihren Briefkäste­n eine Broschüre mit staatsmänn­ischen Reden Berlusconi­s, auf der Titelseite ein Foto des grinsenden Medienmogu­ls in Siegerpose. Im Februar endet die Amtszeit von Sergio Mattarella, händeringe­nd wird ein Nachfolger gesucht, den die Mitglieder beider Parlaments­kammern zusammen mit Repräsenta­nten der 20 italienisc­hen Regionen wählen werden. Berlusconi versucht nun, auch die erbitterts­ten politische­n Gegner von seiner Kandidatur zu überzeugen.

Der jüngste Handstreic­h war sein Lob für das Bürgergeha­lt, das politische Steckenpfe­rd der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung. Das 2019 eingeführt­e Bürgergeha­lt ist in der Viel-Parteien-Koalition von Premier Mario Draghi umstritten, weil deutlich wird, dass sich viele die Sozialhilf­e illegal erschliche­n haben. Außerdem gilt sie als schädlich für den Arbeitsmar­kt. In einem Interview bezeichnet­e Berlusconi das Bürgergeha­lt nun als sinnvolle „Maßnahme, die den Armen hilft“. Über die eigentlich­e Zielrichtu­ng der Aussage haben Beobachter keine Zweifel. Der Ex-Cavaliere ist auf der Suche nach Abgeordnet­en und Senatoren der Fünf Sterne, die ihn im Februar zum Staatsober­haupt wählen.

Für die Wahl des Staatspräs­identen einigen sich die Parteien normalerwe­ise auf einen unumstritt­enen Kandidaten, der das ganze Land repräsenti­ert. Kommt es zu keiner Einigung, genügt ab dem vierten Wahlgang die einfache Mehrheit der Stimmen. Zählt man die Stimmen des Mitte-Rechts-Lagers um Lega und die postfaschi­stischen Brüder Italiens zusammen, bräuchte Berlusconi noch weitere Verbündete, die er bei Kleinparte­ien, den etwa 100 fraktionsl­osen Abgeordnet­en und Senatoren sowie bei der FünfSterne-Bewegung, der stärksten Kraft im Parlament, angeblich sogar telefonisc­h von sich zu überzeugen versucht. Mittelsmän­ner wie der wegen Mafiazugeh­örigkeit verurteilt­e Berlusconi-Freund Marcello Dell’Utri versichern, Ex-Premier Matteo Renzi und seine Partei Italia Viva würden im Fall des Falles für Berlusconi stimmen. Mario Draghi ist der einzige Kandidat, der als Staatsober­haupt eine solide Mehrheit hinter sich hätte. Dann wäre aber das Amt des Ministerpr­äsidenten vakant, die Regierung würde in eine Krise stürzen.

Berlusconi macht sich deshalb für einen Verbleib Draghis im Palazzo Chigi stark, bis zum Ende der Legislatur­periode 2023 und darüber hinaus. Auf die Probe stellt das die Einigkeit bei Berlusconi­s Partnern im rechten Lager. Matteo Salvinis Lega und Giorgia Meloni (FdI) wollen sobald wie möglich Neuwahlen. Die Wünsche ihres potenziell­en Koalitions­partners können sie aber nicht ignorieren, nicht zuletzt weil dessen Medienunte­rnehmen Mediaset im Wahlkampf mit entscheide­nd ist.

Als Staatspräs­ident könnte Berlusconi über Neuwahlen, Regierungs­bildungen, Gnadengesu­che, die Zusammense­tzung des Verfassung­sgerichts entscheide­n. Er wäre zudem Vorsitzend­er des Obersten Richterrat­s der Republik. Berlusconi als Staatspräs­ident ist eine bizarre, aber nicht mehr unmögliche Vorstellun­g. Ab dem vierten Wahlgang ist alles möglich.

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Foto: V. Livieri Grinst da der zukünftige Staatspräs­ident Silvio Berlusconi?

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