Was Kukas Rückzug von der Börse bedeutet
Investor Der Zukunftsplan sichert den Standort – doch der chinesische Eigentümer Midea hat nun auch mehr Einfluss
Augsburg Die Mehrzahl der Aktiengesellschaften in Deutschland ist nicht börsennotiert. Der Börsenhandel gehört nicht zwangsläufig zu dieser Unternehmensrechtsform. Dennoch sorgt es natürlich für Aufsehen, wenn die Eigentümer eines Unternehmens von der Größe des Augsburger Roboterbauers Kuka sich entschließen, die Aktien ihres Unternehmens aus dem Handel zu nehmen. Midea, der chinesische Mehrheitseigner von Kuka, hat dies am Dienstag angekündigt.
Die Hauptversammlung im Mai kommenden Jahres soll beschließen, dass die Eigentümer der verbliebenen fünf Prozent der Aktien, die noch nicht Midea gehören, gegen eine Barabfindung aus dem Unternehmen gedrängt werden. „Squeeze Out“nennen das Finanzmarktspezialisten. Einspruch dagegen einlegen können die Minderheitsaktionäre nicht, das ist im Aktiengesetz so geregelt. Wenn die Mehrheitsverhältnisse so klar sind, kann der Mehrheitsaktionär das einfach beschließen. Im Fall von Kuka ist die Sache aber nicht ganz so einfach.
Im Rahmen der Übernahme von Kuka im Jahr 2016 hat Midea auch eine Investorenvereinbarung unterzeichnet, in der eigentlich klar geregelt war, dass Kuka auch nach der Übernahme an der Börse gelistet bleibt. Dieser Punkt wurde nun aber zwischen Kuka und Midea herausgehandelt. Das „Delisting“, also das Einstellen des Börsenhandels, kann kommen. Doch dafür macht Midea weitreichende Zusagen, was die Zukunft des Unternehmens vor allem in Augsburg betrifft.
Bis 2025 sollen etwa die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Augsburg um mindestens 15 Prozent steigen. Der Standort soll zudem bis mindestens 2025 Forschungs- und Entwicklungszentrum für Spitzentechnologien bleiben. Das derzeit wohl größte und wichtigste Forschungsprojekt des Unternehmens soll weiter von Augsburg aus geleitet werden: die Entwicklung des Roboter-Betriebssystems iiQKA, mit dem die Bedienung der Hightech-Maschinen so einfach werden soll, dass auch kleinere Betriebe sie sich leisten können. Auch für die Produktion gibt es eine Garantie bis mindestens 2025.
Doch was hat Midea vom Rückzug von der Börse? Zunächst einmal mehr Freiheit. Denn eine Börsennotierung geht mit vielen Pflichten einher. Kuka ist im Primestandard der Deutschen Börse in Frankfurt gelistet. Das ist quasi die Champions League der börsennotierten Unternehmen. Kuka muss deswegen nach Angaben der Frankfurter Wertpapierbörse europaweit die höchsten Transparenzvorschriften erfüllen. Das kostet zunächst einmal Geld.
Gebühren für die Börse, vor allem aber Geld, um die vorgeschriebenen Finanz- und Unternehmensberichte zu erstellen und zu veröffentlichen. In der Regel kümmert sich darum eine eigene Abteilung in börsennotierten Unternehmen.
Paul Petzelburger, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), schätzt den Aufwand dafür für ein Unternehmen in der Größe von Kuka auf 200 000 bis 400 000 Euro pro Jahr. Doch es gibt noch einen zweiten Aspekt, den der Aktionärsschützer kritisch sieht: Midea könnte nun beispielsweise Kapitalmaßnahmen und Anpassungen in der Konzernstruktur vornehmen, für die es sonst einer Beschlussfassung per Hauptversammlung bedürfte. Solche Entscheidungen könnten nun schnell und einfach umgesetzt werden, was neben Geld auch viel Flexibilität schaffe, sagt Petzelburger.
Dagegen spricht allerdings die Investorenvereinbarung von 2016, die in allen anderen Punkten ja weiterhin gilt, das betonen Kuka und Midea unisono. „Wir werden weiterhin die Punkte der 2016 geschlossenen Investoren- und Ringfencing-Vereinbarungen respektieren und wahren“, wird etwa Andy Gu, Kuka-Aufsichtsratsvorsitzender und Vizepräsident von Midea, in einer Mitteilung von Kuka zitiert. Das heißt: Die Versprechen, dass alle sensiblen Daten bei Kuka bleiben und dass das KukaManagement frei entscheiden kann, gelten weiterhin. Für Petzelburger ist das auch naheliegend: „Midea fasst Kuka mit Samthandschuhen an. Diese Zusicherung ist wichtig, da Kuka weiterhin stark von der deutschen Automobilindustrie abhängig ist und dort aufmerksam verfolgt wird, wie sicher die Kundendaten bei Kuka sind.“
Neben geringeren Kosten, mehr Kontrolle und weniger Offenlegungspflichten gibt es aber noch einen anderen Grund, warum die Börsennotierung für Kuka nicht mehr interessant ist: Das Unternehmen ist nicht darauf angewiesen, sich über die Börse zu finanzieren. Der klassische Weg dafür wäre, neue Aktien auszugeben. Midea verfügt aber offensichtlich über genügend eigene Mittel. In diesem Fall kann die Finanzierung über den Mutterkonzern einfacher und günstiger sein.
Nach Ankündigung des Rückzugs von der Börse ist der Kurs der Aktie zunächst deutlich nach oben gegangen. Mittlerweile hat das Papier die Gewinne zu einem Teil wieder eingebüßt. Hinter den Ausschlägen dürften professionelle Anleger stecken, die darauf setzen, dass der Preis, mit dem Midea die Minderheitsaktionäre auszahlen muss, über dem derzeitigen Börsenkurs liegt.