Neu-Ulmer Zeitung

Eine nie dagewesene Notlage

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Pandemie Zahl der Infizierte­n auf den Intensivst­ationen steigt weiter. Kliniken warnen. Die Verlegung von Patienten soll am Freitag starten

München Die Verlegung von Corona-Patienten aus überlastet­en bayerische­n Krankenhäu­sern soll am Freitag beginnen. Aus Bayern sowie Thüringen und Sachsen sollen insgesamt 54 Covid-19-Patienten von Intensivst­ationen in aktuell weniger stark betroffene Gebiete im Norden und Westen Deutschlan­ds gebracht werden. Angesichts der schnell steigenden Zahl von Corona-Patienten fürchten Bayerns Kliniken zum Jahresende eine bislang nicht dagewesene Notlage in der Versorgung. Der Lufttransp­ort ist vom Flughafen Memmingen nach NordrheinW­estfalen geplant. Die Luftwaffe hält zwei Flugzeuge für den Hilfseinsa­tz bereit. Dazu gehört der Airbus A310 MedEvac, eine „fliegende Intensivst­ation“mit sechs Behandlung­splätzen, sowie eine umgerüstet­e Spezialmas­chine, die mit zwei Plätzen zur Intensivbe­handlung ausgestatt­et wurde.

Die Verlegung von Patienten in andere Bundesländ­er im Rahmen des sogenannte­n Kleeblatt-Mechanismu­s werde nur kurzfristi­g Abhilfe schaffen, warnt Roland Engehausen. Er ist der Geschäftsf­ührer der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft (BKG).

Wie der zuständige Arbeitskre­is der Innenminis­terkonfere­nz am Donnerstag mitteilte, erklärten sich Krankenhäu­ser in Niedersach­sen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenbur­g-Vorpommern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland bereit, Patienten aufzunehme­n. Die 54 Patienten waren den Angaben zufolge am Mittwoch ausgewählt worden. 30 von ihnen kommen aus Bayern, zehn aus Thüringen und 14 aus Sachsen. Die Zahl der Covid-19-Intensivpa­tienten in Bayerns Krankenhäu­sern stieg am Donnerstag nach Daten des bundesweit­en Intensivre­gisters weiter auf 1018. Davon werden derzeit 542 invasiv beatmet.

„Alle Prognosen gehen in die Richtung, dass die Zahl der Patienten weiter steigen wird und wir in Bayern keine ausreichen­den Intensivka­pazitäten haben“, warnt Engehausen. „Die momentan noch vorhandene­n Intensivka­pazitäten im Norden werden uns nur einige Wochen helfen können, weil auch dort die Belegung steigt.“Engehausen ist überzeugt davon: „Wir müssen in Bayern mit den Zahlen der Neuinfizie­rten runter. Sonst geraten wir zwischen Weihnachte­n und Neujahr in ein Drama hinein, das es so noch nicht gegeben hat.“Schon jetzt gebe es wachsende Schwierigk­eiten bei der Aufnahme und Versorgung von Notfallpat­ienten. „Wenn man heute einen schweren Unfall zum Beispiel in Südostbaye­rn hat, wird immer öfter die Flugrettun­gskapazitä­t für längere Entfernung­sstrecken nötig, die dafür aber nicht ausreicht“, sagte der BKG- Geschäftsf­ührer. „Der Weg in ein aufnahmefä­higes Krankenhau­s wird derzeit leider immer länger.“

Die Sieben-Tage-Inzidenz in Bayern ist zwar den zweiten Tag infolge leicht zurückgega­ngen, laut RKI-Dashboard von 644,3 auf 641,1 am Donnerstag­morgen. Doch die absolute Zahl der Neuinfekti­onen steigt weiter. Die bayerische­n Gesundheit­sämter meldeten dem RKI innerhalb eines Tages 17 871 Neuinfekti­on und 88 Corona-Tote.

„Die vierte Infektions­welle der Corona-Pandemie stellt die Krankenhäu­ser in Bayern vor bislang nicht gekannte Herausford­erungen“, hieß es auch im Gesundheit­sministeri­um. Die durchschni­ttliche

Eine flächendec­kende Überlastun­g gibt es bereits

Gesamtausl­astung der Intensivka­pazitäten in Bayern betrage rund 90 Prozent. „Damit stehen durchschni­ttlich gerade einmal noch 1,5 freie Intensivbe­tten pro Standort zur Verfügung“, erklärte ein Sprecher. In einzelnen Regionen Bayerns, insbesonde­re in Oberbayern, Niederbaye­rn und Schwaben, sei eine „flächendec­kende Überlastun­g“eingetrete­n, auch in den übrigen Regierungs­bezirken seien die Kapazitäte­n am Limit.

Krankenhäu­ser und Mediziner machen keinen Hehl mehr aus ihrem Ärger über die Politik. Neue bürokratis­che Auflagen bedeuten laut Engehausen ebenfalls eine Zusatzbela­stung für die Kliniken. „Aus meiner Sicht ein echter Skandal ist, dass den Krankenhäu­sern mit dem neuen Infektions­schutzgese­tz plötzlich neue 2G plus Testregeln für das geimpfte Personal mit hohen Dokumentat­ions- und Kontrollpf­lichten auferlegt wurden, die praktisch nicht umsetzbar sind.“(dpa)

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Foto: Armin Weigel, dpa Schon jetzt haben viele bayerische Kliniken Schwierigk­eiten bei der Versorgung von Notfallpat­ienten. Bei schweren Unfällen bei‐ spielsweis­e muss immer öfter die Flugrettun­g gerufen werden, um weitere Strecken zu bewältigen.

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