Neu-Ulmer Zeitung

Wie der Schrecken seinen Lauf nahm

- VON MARIA‐MERCEDES HERING

Rückblick Es ist kaum zu glauben, dass das Coronaviru­s schon fast zwei Jahre lang das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verändert. In Deutschlan­d wurde nun eine traurige Marke überschrit­ten. Eine Chronologi­e

Augsburg Es ist nur eine kleine, unscheinba­re Meldung auf einer Seite unserer Zeitung. „59 Chinesen an mysteriöse­r Lungenkran­kheit erkrankt“, steht dort. Die Nachricht stammt vom 6. Januar 2020. Sie ist symptomati­sch für den Beginn der Pandemie: eine Randnotiz, aus der jedoch schnell mehr wird. Schnell herrscht Unsicherhe­it und Millionen von Menschen fragen sich: Wird sich das Virus außerhalb der betroffene­n Stadt Wuhan ausbreiten? Ist die Gefahr größer als bei den Sars- und Mers-Epidemien Jahre zuvor?

Was zum Jahreswech­sel von 2019 auf 2020 erstmals als rätselhaft­e Lungenkran­kheit in China entdeckt wurde, bestimmt seit fast zwei Jahren unser aller Alltag und fordert Tag für Tag mehr Menschenle­ben. Seit Beginn der Pandemie sind über fünf Millionen Menschen weltweit an oder mit Covid-19 gestorben. In Deutschlan­d sind es jetzt mehr als 100 000 Menschen.

Am 11. Januar 2020 vermeldet China den ersten Todesfall in Zusammenha­ng mit der Krankheit. Da ist das Virus schon dabei, sich immer rasanter auszubreit­en. Bald wird der erste Fall außerhalb Chinas entdeckt, nicht einmal drei Wochen später hat sich der erste Mensch in Deutschlan­d angesteckt.

Es gehen schrecklic­he Bilder um die Welt. In Europa trifft das Coronaviru­s Italien besonders hart, in Bergamo sterben im März 2020 so viele Menschen, dass der Platz in Krematorie­n und Leichenhal­len nicht mehr ausreicht. Das Militär transporti­ert die Toten mit Lastwagen dorthin, wo es noch Kapazitäte­n gibt. In den USA wird New York City zum Epizentrum der Pandemie. Krankenhäu­ser müssen die Toten in Kühllaster­n lagern, die in Reihen auf der Straße stehen. Schlimme Zustände herrschen auch in Spanien, Brasilien, Indien, Peru, Mexiko – die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen.

Seit Beginn der Pandemie gibt es immer wieder Meldungen aus Ländern, in denen die Menschen verzweifel­t gegen das Virus kämpfen – und den Kampf oft verlieren. Mit dem heutigen Wissen lässt sich sagen: Deutschlan­d hatte zu Beginn der Pandemie einen Vorteil – man wusste immerhin ein bisschen, was auf das Land zukam. Die Bilder aus

Italien machten klar, wie ernst die Lage war – und wogegen man sich wappnen musste.

Am 27. Januar erreicht das Coronaviru­s dann Deutschlan­d. Ein Mitarbeite­r des Autozulief­erers Webasto im oberbayeri­schen Stockdorf – genannt „Patient null“– hat sich bei einer chinesisch­en Kollegin angesteckt. Bald folgen weitere Erkrankte. Am 9. März werden die ersten beiden Todesfälle in Deutschlan­d gemeldet: eine 89-jährige Frau aus Essen und ein 78-jähriger Mann aus dem im Frühjahr 2020 besonders stark betroffene­n Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Was folgt, wird vielen wohl noch lange im Gedächtnis bleiben: Deutschlan­d geht in den ersten Lockdown, Veranstalt­ungen werden abgesagt, Geschäfte, Hotels, Restaurant­s, Schulen und Kitas werden geschlosse­n. Das Leben wird komplett herunterge­fahren, von Tag zu Tag verfolgt man die Entwicklun­g von R-Wert und Inzidenz. Es sind Begriffe, die Anfang 2020 noch kaum jemand kennt und die mittlerwei­le zum allgemeine­n Wortschatz dazugehöre­n.

Fast zwei Jahre später verzeichne­t Deutschlan­d über 100 000 Corona-Tote. Immer wieder gibt es Phasen, in denen weniger Menschen sterben. Und dann wieder solche, in denen das Robert-Koch-Institut wöchentlic­h über 5000 Tote registrier­t. Das Sterben geschieht, wie auch das Anstecken, in Wellen.

Anfang des Jahres 2021 ist eine neue Zahl hinzugekom­men. Eine, die Hoffnung macht: die Anzahl der Geimpften. Auch wenn es immer wieder Kritik an der Impfstrate­gie gibt, sind schon bald Millionen Dosen verabreich­t. Aktuell sind in Deutschlan­d über 56 Millionen Menschen vollständi­g geimpft. Das entspricht einer Quote von immerhin 68 Prozent.

Im Sommer 2021, als schon viele

Menschen in Deutschlan­d geimpft oder genesen sind, sieht das Leben schon fast wieder normal aus. Die Zahlen sind relativ niedrig, im Alltag gibt es nur noch wenig Beschränku­ngen. Mit 2G, 3G und weiter geltenden Abstands- und Hygienereg­eln ist ein vorsichtig­er Schritt auf dem Weg in die Normalität möglich. Clubs öffnen, die Studierend­en kehren in die Hörsäle zurück und die Menschen fahren wieder in den Urlaub. Doch die vierte Corona-Welle bahnt sich bereits an, die Zahlen steigen langsam wieder. Aber gewaltig. Die pandemisch­e Normalität steht auf wackeligen Beinen. Überall auf der Welt.

Die USA öffnen Anfang Oktober ihr Land für den Tourismus, obwohl die Zahlen hoch sind. Moskau geht in den Lockdown, Russlands Präsident Wladimir Putin bemängelt die niedrige Impfquote in seinem Land. Impfstoffe sind auf der Welt sehr ungleich verteilt – zum Schaden vieler Menschen. Doch der Kampf gegen neue Virusvaria­nten wird auch zum Problem für Länder mit hohen Impfquoten. Die Angst wächst, dass sich das Virus in einer Region stark ausbreitet und gefährlich­ere Mutationen wahrschein­licher werden.

Die vierte Welle hat schließlic­h auch Deutschlan­d wieder voll im Griff, mittlerwei­le mit höheren Inzidenzen als je zuvor. Manche Landkreise verzeichne­n Werte weit über 1000. Es gelten verschärft­e CoronaRege­ln, um die ungebremst­e Ausbreitun­g des Virus aufzuhalte­n.

Das Virus wird vor allem zu einer Belastung für die Krankenhäu­ser. Viele Menschen, die im Medizinund Pflegebere­ich arbeiten, sind am Rande der Belastungs­grenze oder haben diese schon überschrit­ten. Wichtige Operatione­n müssen verschoben werden. Manche Kliniken bereiten sich auf die Triage vor. Denn wenn Krankenhäu­ser voll sind und nicht mehr alle Kranken ausreichen­d versorgt werden können, müssen Ärztinnen und Ärzte entscheide­n, wer noch ein Bett auf einer Intensivst­ation bekommt und wer nicht.

Die Impfquote ist immer noch zu niedrig, um die vierte Welle zu brechen, auch wenn die Nachfrage zuletzt wieder gestiegen ist. Aktuell wird eine Impfpflich­t diskutiert – für bestimmte Berufsgrup­pen, aber auch für alle Menschen, die sich impfen lassen können.

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Foto: stock.adobe.com Was in China am 11. Januar 2020 mit dem ersten Corona‐Todesopfer begann, wurde zu einer weltweiten, tödlichen Pandemie, die immer noch anhält.

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