Neu-Ulmer Zeitung

Spiel mir das Lied vom ... Bach?

- VON VERONIKA LINTNER

Konzert Mundharmon­ika taugt nur für Western und Country? Denkste. Konstantin Reinfeld zeigt bei „Weißenhorn Klassik“die Vielfalt

Weißenhorn Wer hier erwartet, dass gleich Charles Bronson mit Western-Hut und Mundharmon­ika um die Ecke schleicht und das Lied vom Tod spielt – der irrt. Nicht einmal US-Country-Musik steht auf dem Programm des Abends. Denn Mundharmon­ika geht auch klassisch. Das hat der Musiker Konstantin Reinfeld nun beim Festival „Weißenhorn Klassik“bewiesen. Gemeinsam mit Benyamin Nuss, seinem Partner am Konzertflü­gel, hat er im Fuggerschl­oss die ganze Kraft und Vielfalt der Mundharmon­ika entfaltet – mit Werken von Bach und Bartók bis hin zu Stücken, die er eigens für sich und sein Instrument hat komponiere­n lassen.

Was hat Reinfeld zur Mundharmon­ika gebracht? Ein Fernseherl­ebnis. Als Michael Hirte 2008 bei der TV-Casting-Show „Das Supertalen­t“die Harmonika spielte, sprang die Faszinatio­n auf den Jungen aus Kempen über. Gut 13 Jahre später hebt Reinfeld das Instrument auf ein neues Niveau. Mit einer Palette von diatonisch­en Mundharmon­ikas, Marke Hohner, wagt er einen fliegenden Wechsel zwischen Modellen, Epochen, Tönen, Farben. Kein Wunder also, dass er mit seinem Instrument auch in den Barock und in den Klang eines klassische­n Orchesteri­nstruments hineinvers­etzt: Johann Sebastian Bachs Flötensona­te in g-Moll, BWV 1020, lässt er vom Allegro über das Adagio strahlen.

Tatsächlic­h, in den Höhen und Spitzen tönt die Harmonika wie eine Flöte. Aber noch viel mehr Sound lockt Reinfeld aus dem Instrument: Der Ton klingt einmal rein und klar, dann gedämpft, fast rauchig. Die Spannbreit­e reicht von leise, piano bis durchdring­end hell. Bei langen Noten bemüht sich Reinfeld um Spannung und Gestaltung, in späteren Stücken auch mit Vibrato. Das Instrument hält er dabei fest und dicht am Körper, und man kann nur rätseln, wie er den Klang dieses Stücks Metall so wendig moduliert. Im weiteren Verlauf nutzt er auch die Harmonien, die in der Harmonika stecken, selbst im hohen Tempo. Doch bei allen Trillern und Tonsprünge­n – eine Mundharmon­ika bleibt ein Wehmut- und Sehnsuchts­instrument, gefühlig mit Blues. Diese Facette kommt an diesem Abend nicht zu kurz.

„Für dieses Instrument gibt es kein großes Repertoire – bisher“, erklärt Reinfeld dem Publikum. Doch er arbeitet daran, die Palette zu erweitern. „Hox“ist ein impression­istisches Free-Jazz-Stück, das er bei Sebastian Sternal in Auftrag gegeben hat. Masashi Hamauzu hat ihm sein Opus 6 gewidmet. Für gewöhnlich schreibt der Komponist den Soundtrack für Videospiel­e – nun drei stimmige Miniaturen für Reinfeld und Nuss. Dass die Mundharmon­ika in der Volksmusik verwurzelt ist, blitzt auch im Konzert auf – in komplexer, feiner Form, mit Volkstanz-Variatione­n von Béla Bartók.

Wolf Kerschek hat schon Musik für Helene Fischer arrangiert – und komponiert für dieses Mundharmon­ika-Klavierduo. Er lässt Reinfeld alle Facetten der Harmonika ausreizen, schnauben, prusten, fast im Beat-Box-Modus. „Noites Cariocas“von Jacob do Bandolim führt dagegen am Ende in südamerika­nisches, wohliges Flair. Bandolim, der „brasiliani­sche Bach“, spielt hier mit den Wurzeln des Bossa Nova und der Motor, der hier den Groove ins Rollen bringt, ist Benyamin Nuss an den Tasten. Copacabana trifft Mundharmon­ika, bei „Weißenhorn Klassik“.

Die Festival-Leiterin Esther Kretzinger wendet sich an diesem Abend an das Publikum – an alle im Saal und an jene, die das Konzert im Livestream zu Hause verfolgen: „In

Wie das Festival unter Corona weitergehe­n soll

Zeiten, in denen unklar ist, wie es mit der Pandemie weitergeht, schätzen wir Ihr Interesse an unseren Konzerten sehr.“Doch wie fährt das Festival fort, nach den jüngsten Corona-Änderungen in Bayern?

Es gilt wie für alle Veranstalt­ungen die 2G-plus-Regel: Gäste, die im Saal die nächsten Konzerte erleben möchten, müssen entweder geimpft oder genesen sein und zusätzlich ein negatives Testergebn­is vorweisen. Gäste, die keine Chance haben, ein Testergebn­is mitzubring­en, können mit dem Festivalte­am Kontakt aufnehmen (E-Mail: info@weissenhor­nklassik.de). „Wir bemühen uns, nach Möglichkei­t Testmöglic­hkeiten vor Ort anzubieten, können das aber angesichts der Versorgung­sengpässe nicht garantiere­n“, erklärt Kretzinger.

Das Konzert am Samstag mit dem Azahar Ensemble findet im Fuggerschl­oss statt. Auch hier dürfen maximal 25 Prozent der Kapazität genutzt werden. Die Festival-Leitung erklärt: Konzertgäs­te, die schon Karten erworben haben, werden vom Vorverkauf-Anbieter Reservix kontaktier­t. Sie können auf das Livestream-Angebot ausweichen – mit Rückerstat­tung der Ticketprei­s-Differenz. „Es werden keine Tickets willkürlic­h storniert, der Einlass wird nach Erreichen der maximal zulässigen Kapazität aber geschlosse­n“, erklärt Kretzinger. Gästen, die nicht mehr in den Saal gelassen werden können, wird eine Entschädig­ung angeboten. Erhältlich sind ab sofort nur noch Livestream­Tickets im Online-Shop.

 ?? Foto: Klanghalte­stelle ?? Mit der Mundharmon­ika durch alle Epochen: Konstantin Reinfeld (rechts) und Benya‐ min Nuss bilden ein Duo, das keine Genre‐Grenzen kennt.
Foto: Klanghalte­stelle Mit der Mundharmon­ika durch alle Epochen: Konstantin Reinfeld (rechts) und Benya‐ min Nuss bilden ein Duo, das keine Genre‐Grenzen kennt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany