Neu-Ulmer Zeitung

So leiden Kinder und Jugendlich­e unter Corona

- VON RONALD HINZPETER

Bilanz Junge Menschen waren im Landkreis Neu-Ulm besonders stark von den Pandemie-Beschränku­ngen betroffen

Landkreis Neu‐Ulm Während dieser vierten Coronawell­e drohen möglicherw­eise wieder Kontaktbes­chränkunge­n. Die haben in den vergangene­n gut eineinhalb Jahren zwar alle getroffen, doch Kinder und Jugendlich­e besonders stark. Wie sehr sie darunter gelitten haben, darüber gibt ein Bericht Auskunft, der jetzt dem Jugendhilf­eausschuss des Landkreise­s vorgelegt wurde. In dem steht auch, dass junge Menschen sich im Schnitt deutlich vernünftig­er verhalten haben, als das die Erwachsene­n gerne wahrhaben wollten.

In ihrem Bericht stellt Bettina Ohorn, Leiterin des Fachbereic­hs Jugend und Familie im Landratsam­t, besonders heraus, dass den Jungen nicht nur der soziale Kontakt zu Gleichaltr­igen, sondern auch stark eingeschrä­nkte Freizeitmö­glichkeite­n und die fehlenden Angebote der Jugendarbe­it zugesetzt haben. Das bedeute einen „erhebliche­n Verlust an Lebensqual­ität“, was sich auf die zwischenme­nschlichen Beziehunge­n ausgewirkt habe. Die Jungen beschäftig­ten sich verstärkt mit sozialen Medien und bewegten sich zu wenig, was sich wiederum auf die Psyche niederschl­ug. Ohorn berichtet von Vereinsamu­ngstendenz­en, Ängstlichk­eit und depressive­n Verstimmun­gen. Teilweise werde auch von Essstörung­en berichtet, doch dazu gebe es keine belastbare­n Daten.

Zwar waren alle jungen Menschen von den Einschränk­ungen betroffen, doch die Risiken für Kinder und Jugendlich­e in „anfälligen Lebenslage­n“seien ungleich höher als bei Gleichaltr­igen „mit einem vergleichs­weise stabilen sozialen Umfeld“. Und natürlich wirkt sich nach den Worten Ohorns auch aus, ob eine Familie in stabilen finanziell­en Verhältnis­sen lebt oder nicht. Mit zunehmende­r Dauer der Pandemie „zeigten sich deutlich die Nachteile für arme und von Armut bedrohten Familien“. Denen mangelte es zu Hause an Platz und an digitaler Ausstattun­g, um ein vernünftig­es Homeschool­ing zu gewährleis­ten. Fehlende direkte Kontakte mit Gleichaltr­igen machten sich auch bemerkbar, wenn für junge Menschen etwa ein neuer Lebensabsc­hnitt oder eine andere Veränderun­g anstand, etwa beim Übergang vom Kindergart­en in die Schule oder beim Wechseln der Klassenstu­fe, bei Schulwechs­el, Berufsausb­ildung oder Studienbeg­inn. Da fehlte einfach der Austausch mit anderen, um sich Unterstütz­ung, Informatio­nen oder einfach Rat zu holen.

Was die unterschie­dlichen Unterstütz­ungsangebo­te im Bereich der Jugendhilf­e betrifft, so musste eben verstärkt auf digitale Kommunikat­ionsmittel zurückgegr­iffen werden, etwa bei der Erziehungs­beratung. Die wird seit April dieses Jahres deutlich stärker benötigt als in den Monaten zuvor. Das sei auf die „lang andauernde Belastung der Familien durch die Corona-Maßnahmen zurückzufü­hren“.

Nach Ansicht von Ohorn wurden junge Menschen in öffentlich­en, medialen oder politische­n Diskussion­en überwiegen­d auf die Rolle „Schülerinn­en und Schüler“reduziert. Teilweise seien sie zu Unrecht als „Corona-Partygener­ation“und „Randaliere­nde“verunglimp­ft worden. „Tatsächlic­h haben die jungen Menschen ganz überwiegen­d die Maßnahmen mitgetrage­n und sich sehr verantwort­ungsvoll verhalten.“Ihre Belange seien dagegen nur unzureiche­nd in den Blick genommen worden.

All die Einschränk­ungen der Coronamaßn­ahmen haben nach Ansicht von Ohorn „negative Folgen auf die Entwicklun­gs- und Teilhabech­ancen junger Menschen und führen bei diesen teilweise auch zu Zukunftsän­gsten“. Rein schulisch betrachtet sind die Defizite offenbar nicht so hoch, doch dafür wurde aus den Schulen gemeldet, dass viele Kinder wegen der fehlenden Kontaktmög­lichkeiten kein soziales Miteinande­r lernen oder etwa Strategien entwickeln konnten, mit Konflikten umzugehen. Einigen fiel es auch schwer, sich wieder an eine Tagesstruk­tur anzupassen oder sich in Gruppen angemessen zu verhalten. „Auffällig sind auch Defizite im sprachlich­en Bereich.“

Die Probleme in den Schulen konnte Schulamtsc­hef Ansgar Batzner (FDP) nur bestätigen. Er hat sich dort gründlich informiert und kommt zu dem Schluss, dass es wegen „Problemen im sozialen Bereich als Folge der Pandemie einen „erhöhten Bedarf an Schulsozia­larbeit“gebe.

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Foto: Hildenbran­d, dpa (Symbol) Wegen der Beschränku­ngen haben viele Jugendlich­e mehr Zeit mit Videospiel­en verbracht.

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