Er nannte den Impfarzt Mörder: Mann muss ins Gefängnis
Justiz Der Angeklagte hatte bereits eine ganze Liste an Vorstrafen und kam deshalb nicht mit einer Bewährung davon
Günzburg Diese eine SMS war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Weil er den NeuUlmer Arzt Christian Kröner als Mörder beleidigte, ist ein 58-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis Günzburg vom Amtsgericht am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden – diesmal ohne Bewährung. Denn anders, so Richter Martin Kramer in seiner Urteilsbegründung, sei der Angeklagte angesichts seines Vorstrafenregisters und seiner noch laufenden, teils einschlägigen Bewährungsfristen offenbar nicht zu belehren.
Der Neu-Ulmer Arzt, der sich selbst als Impfluencer bezeichnet, wird in den sozialen Medien von Impfgegnern und Corona-Leugnern massiv angegangen. Im Frühsommer hatte er damit begonnen, auch Kinder und Jugendliche gegen Corona zu impfen. Über Kröner brach ein Shitstorm herein. Mehrere Hundert Beleidigungen und Drohungen habe der Mediziner mittlerweile angezeigt, erklärte ein Hauptkommissar der Kriminalpolizei Neu-Ulm, der als Zeuge gehört wurde.
Zu denen, die sich verbal über den Arzt hergemacht haben, gehört auch der Angeklagte. Am frühen Abend des 5. Juli schickte er eine SMS auf Kröners Praxishandy. Der Mediziner möge sein Hirn einschalten, er sei ein Mörder und die USArmy werde ihn noch „einkassieren“, heißt es in der SMS. Kröner zeigte den Vorfall bei der Polizei an.
Die Ermittlung des Absenders war einfach, denn auf der Kurzmitteilung war die Handy-Nummer des Angeklagten hinterlegt. Bei einem kurzen Telefonat, so sagte der Kriminalhauptkommissar aus, habe der 58-Jährige erklärt, die SMS sei eine Spontanreaktion gewesen, die ihm leidtue. Er werde sich bei Kröner entschuldigen. Was offenbar nicht geschehen war. Denn erst kurz vor Prozessbeginn erklärte Rechtsanwalt Alexander Grob in einer Mail an Kröner, sein Mandant wolle sich in aller Form entschuldigen und versichern, derartige Beleidigungen künftig zu unterlassen.
Der Arzt schrieb an das Amtsgericht Günzburg, er könne in jener Erklärung keinerlei Reue erkennen. Vielmehr werte er das Schreiben des Verteidigers als Versuch, strafmildernde Umstände für seinen Mandanten geltend machen zu können. Die SMS des Angeklagten sei und bleibe beleidigend und verleumderisch.
Das sah auch die Staatsanwältin so. Für den Angeklagten spreche, dass er die Tat eingeräumt habe. Mehr aber auch nicht. Da der 58-Jährige einschlägig vorbestraft sei, reiche nun eine Geldstrafe nicht mehr aus. Die Staatsanwältin forderte deshalb eine Haftstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung. Rechtsanwalt Grob aus Günzburg versuchte zu retten, was letztlich nicht mehr zu retten war. Natürlich sei der Begriff Mörder eine Beleidigung, die zu bestrafen sei. Doch in der aufgeheizten und emotionalen Debatte über Corona und die Impfungen sei es für Laien bisweilen schwierig, falsch von richtig zu unterscheiden. Möglicherweise habe das auch bei seinem Mandanten zu einer gewissen Eskalation geführt, plädierte der Verteidiger noch einmal für eine Geldstrafe.
Richter Kramer sah sich dazu nicht mehr in der Lage. Der Angeklagte sei mit fünf Einträgen im Bundeszentralregister vermerkt – wegen Beleidigung, Widerstands, tätlicher Angriffe und Körperverletzung gegen Vollstreckungsbeamte, wegen gefährlicher Trunkenheit im Straßenverkehr, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis oder Kennzeichen- und Urkundenfälschung. In zwei Gerichtsverfahren seien Freiheitsstrafen von neun beziehungsweise 22 Monaten auf Bewährung ausgesprochen worden, führte Richter Kramer aus.
Das alles habe den Angeklagten offenkundig nicht zur Einsicht gebracht. Deshalb sei nun eine Freiheitsstrafe von drei Monaten fällig – und zwar ohne Bewährung. Eine günstige Sozialprognose sei bei dem 58-Jährigen angesichts seines strafrechtlich relevanten Vorlebens nicht erkennbar. Der Richter wurde grundsätzlich. Ärzte seien der Heilung verpflichtet, sie hätten es weder nötig noch verdient, als Mörder tituliert zu werden. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut. Mediziner als Mörder zu diffamieren und herabzuwürdigen, sprenge die Grenzen der Meinungsfreiheit aber bei Weitem. Kramer nahm dem Angeklagten auch nicht ab, seine SMS sei eine Spontanreaktion gewesen. „Dazu ist sie zu gut formuliert.“
Der Richter verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung, außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Angeklagte hat eine Woche Zeit, eventuell Rechtsmittel einzulegen. Im Laufe des Prozesses hatte der 58-Jährige von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich nicht zum Sachverhalt zu äußern. In seinem Schlusswort allerdings sagte er: „Hinterher ist man immer schlauer.“