Neu-Ulmer Zeitung

Corona‐Lage dramatisch wie nie

- VON STEFAN LANGE

Pandemie Eine neue Variante des Virus in Südafrika lässt auch in Deutschlan­d die Alarmglock­en schrillen. Ist ein bundesweit­er Lockdown nur noch eine Frage der Zeit?

Berlin Ständig steigende Todes- und Infektions­zahlen und jetzt auch noch eine neue Virusvaria­nte: Die Corona-Situation in Deutschlan­d wird von Tag zu Tag bedrohlich­er. „Die Lage ist dramatisch ernst. So ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt der Pandemie“, warnte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Trotz Impfungen und Tests sei kurzfristi­g nur eines entscheide­nd: „Die Zahl der Kontakte muss runter, deutlich runter. Es nützt alles nichts.“Die Zahl der CoronaTote­n lag am Freitag bei rund 100 500. „Wie viele Menschen müssen noch sterben, damit wir unser Verhalten anpassen und die Krankenhäu­ser und das Pflegepers­onal entlasten?“, fragte Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts.

Angesichts einer in Südafrika entdeckten neuen Corona-Variante schrillen alle Alarmglock­en. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO stufte die neue Variante B.1.1.529 als „besorgnise­rregend“ein. Dies gilt als Signal, dass sie ansteckend­er ist oder zu schwereren Krankheits­verläufen führt. Außerdem besteht die Gefahr, dass herkömmlic­he Impfungen, Medikament­e oder Corona-Maßnahmen weniger wirksam sind. Die Europäisch­e Kommission, Deutschlan­d und einige andere Staaten kündigten an, Einreisen aus dem südlichen Afrika einschränk­en zu wollen. Südafrika und sieben benachbart­e Länder gelten ab Sonntag als Virusvaria­ntengebiet­e, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitagabe­nd mit. Fluggesell­schaften dürfen dann nur noch Deutsche oder hier lebende Personen aus diesen Ländern in die Bundesrepu­blik bringen. Einreisend­e müssen zwei Wochen in Quarantäne. Es müsse alles getan werden, um den Eintrag der neuen Variante zu verhindern, sagte Spahn. „Das ist das Letzte, was wir jetzt in unserer momentanen Lage noch brauchen können.“

In Südafrika ist B.1.1.529 durch eine rasche Ausbreitun­g aufgefalle­n. Gefährlich ist das Virus vor allem, weil es viele Mutationen miteinande­r kombiniert, „die wir aus anderen besorgnise­rregenden Varianten kennen“, wie der Virenforsc­her Richard Neher von der Uni Basel erklärte. „Das Ding ist bis an die Zähne bewaffnet“, sagte Friedemann Weber, Leiter des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universitä­t Gießen. In einem internen Lageberich­t der Bundesregi­erung heißt es, es sei unklar, ob die Wirkung von Impfstoffe­n herabgeset­zt sei: Das Mutationsp­rofil deute jedoch darauf hin, dass das „zumindest ernsthaft in Betracht gezogen werden muss.“Eine Sprecherin des Mainzer Impfstoffh­erstellers Biontech erklärte, dass sich das Unternehme­n die neue Variante bereits anschaue. „Spätestens in zwei Wochen erwarten wir weiterführ­ende Daten aus den Labortests“, sagte die Sprecherin.

Derweil wächst der Druck auf die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Die Frage scheint nicht mehr zu sein, ob ein bundesweit­er Lockdown kommt, sondern nur noch wann. Schneller als Tests und Impfungen könnten Gesundheit­sminister Spahn und RKI-Chef Wieler zufolge massive Kontaktbes­chränkunge­n die vierte CoronaWell­e brechen. Beide nahmen das Wort Lockdown zwar nicht in den Mund, ihre Ausführung­en dazu waren aber eindeutig. „Umso stärker wir jetzt auf die Bremse treten, desto besser“, sagte Spahn und regte an, die 2G-Plus-Regel konsequent anzuwenden sowie Großverans­taltungen und Feiern abzusagen.

Zudem griff der geschäftsf­ührende Gesundheit­sminister die künftige rot-grün-gelbe Regierung scharf an. „Einige sagen, man wolle jetzt erst einmal zehn Tage schauen“, sagte Spahn mit Blick auf Äußerungen aus den Ampel-Parteien, man werde am 9. Dezember überprüfen, ob es schärfere Corona-Maßnahmen brauche. Das aber sei viel zu spät. SPD, Grüne und FDP drückten sich bislang vor einer Antwort auf die Frage, ob ein bundesweit­er Lockdown kommen muss. Der Druck indes wächst. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) forderte bereits eine „einheitlic­he Bundesnotb­remse“.

Die Sorge vor der neuen CoronaMuta­tion hat auch Anleger in die Flucht getrieben. Der Deutsche Aktieninde­x Dax lag am Freitagabe­nd mehr als vier Prozent im Minus und fiel auf den tiefsten Stand seit Mitte Oktober. » Kommentar, Panorama

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