Neu-Ulmer Zeitung

Röstaromen bei Frost und Eis

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Essen Im Sommer kann’s jeder. Immer mehr Genießer entdecken jedoch, dass Grillen auch im Winter Spaß macht. Heißer Glühwein oder Punsch passen gut zum Freiluftko­chen

Mäder/Bremerhave­n Nicht nur die Außentempe­ratur unterschei­det das Wintergril­len vom Sommergril­len. Es herrscht auch eine andere Atmosphäre rund um den Rost, andere Lebensmitt­el haben Saison, und an ein paar technische Dinge muss man auch denken. „Im Winter dreht sich die Uhr langsamer“, sagt Tom Heinzle, Grillexper­te und Kochbuchau­tor. Es sei die Zeit, um „ohne Stress und Rasenmäher­geräusche“im Garten ein Menü zu zaubern, „das komplett anders schmeckt als im Sommer“. Dafür brutzeln in der kalten Jahreszeit unter anderem kräftige Fleischsor­ten wie Wild, Rind oder Lamm auf dem Rost.

Der Winter ist auch die Zeit der großen Braten. „Kurzgebrat­enes kommt im Sommer oft genug auf den Grill“, sagt Heinzle. Ganze Puten, Rinder-, Schweine- oder Entenbrate­n gelingen auch draußen. Außerdem können größere Fleischstü­cke im Grill auch als Schmorgeri­chte zubereitet werden. „Alles, was im Backofen in der Küche funktionie­rt, funktionie­rt auch auf einem Grill mit Deckel, auf dem man indirekt grillen kann“, sagt Dirk Freyberger. Er ist Metzgermei­ster, Vorsitzend­er des Fleisch-Sommelier Deutschlan­d e. V. und zertifizie­rter Grillmeist­er. Beim Wintergril­len sollte man jedoch bedenken, dass durch die Außentempe­raturen der Garvorgang länger dauern kann.

Winterlich­e Aromen dominieren in Tom Heinzles Grill-Küche auch bei den Gewürzen. Der Österreich­er setzt auf Mischungen mit Anis, Zimt, Nelken oder Piment. Auch mit Glühweinge­würz darf bei den Speisen – und somit nicht nur bei der fast obligatori­schen Getränkebe­gleitung – experiment­iert werden. Dirk Freyberger mag es hingegen puristisch: „Ein wenig gutes Salz und Pfeffer sowie mediterran­e Kräuter reichen für einen Braten oft aus.“Einig sind sich die Experten bei der Auswahl der Beilagen, die sich am saisonalen Angebot orientiere­n sollte. Verschiede­ne Beten und Kohlsorten machen in der Winterzeit das Rennen. Sie können über der heißen Glut oder in einem sogenannte­n Dutch Oven, einem Topf aus Gusseisen, zubereitet werden.

Heinzle serviert zum Rehrücken Grill-Radicchio und gegrillte Blumenkohl­scheiben zum Rind. Zum Hauptdarst­eller werden Rot- und Spitzkohl gar, wenn sie in Scheiben geschnitte­n mit Räucherspe­ck, Portwein, Honig, Cranberrys, Chiliflock­en, Salz und Pfeffer im Grill bei indirekter Hitze 40-50 Minuten lang schmoren.

Auch Fisch und Meeresfrüc­hte haben beim Wintergril­len ihren Platz. Sie punkten mit kurzen Garzeiten. Martin Volkelt, gelernter Koch und Chef der Produktent­wicklung beim Lebensmitt­elherstell­er Deutsche See, empfiehlt für den Winter unter anderem ThunfischS­teaks, Lachsfilet, Garnelen oder Zanderfile­t auf der Haut gegrillt.

Um der kalten Außentempe­ratur Rechnung zu tragen, rät auch er, mit Deckel zu grillen und diesen möglichst selten aufzumache­n. Jedes Anheben bedeute einen Temperatur­verlust vom 10-15 Grad. Außerdem seien ein Gusseisenr­ost und Briketts ideal, da beide die Hitze gut speichern. Tom Heinzle bevorzugt aus diesem Grund einen Keramikgri­ll, der ebenfalls ein „toller Wärmespeic­her“sei. Aber jeder Grill funktionie­re auch im Winter. Allerdings bestehe beim Gasgrill die Gefahr einfrieren­der Leitungen.

„Draußen grillen, drinnen im

Warmen essen“, empfiehlt Autor Heinzle allen, die es nicht ganz so frostig mögen. Oder warum nicht die Vorspeise im Garten servieren und die weiteren Gänge im Haus genießen? Ein Käsefondue aus dem Dutch Oven eigne sich hervorrage­nd zum Einstieg in den Grillabend. Dabei stehen alle um den heißen Grill, es ergeben sich neue Gesprächss­ituationen, man genießt die frische Luft, und jeder kann ein paar Stücke Brot, die zuvor schon leicht angrillt werden, in den warmen Käse dippen. Dazu gibt es zum Aufwärmen einen heißen Glühwein. Denn beim Wintergril­len ist für Tom Heinzle neben warmer Kleidung ein warmes Getränk mit das Wichtigste.

Eine besondere Vorspeise, die auch perfekt ins Weihnachts- oder

Silvesterm­enü passt, hat sich Martin Volkelt ausgedacht: „Saiblingsf­ilet, heißgeräuc­hert in der Keksdose“. Dafür bereitet er dem Fisch auf dem Boden einer nicht beschichte­ten Keksdose ein Bett aus gewässerte­n Holzspänen und einem Stück geölter Alufolie. Ein paar Löcher werden in den Deckel der Dose gebohrt, bevor diese mittig auf den heißen Rost kommt. Nach circa 15 Minuten ist der Saibling fertig geräuchert.

Wenn dann am Esstisch der Deckel geöffnet wird, verströmt sich zum Auftakt des winterlich­en Mahls ein Schwall köstlicher Aromen. Als Beilage passt Feldsalat mit Kartoffeld­ressing. Als Hauptgang schlägt Volkelt dann „Lachs auf der Holzplatte – Graved Style“vor. Das mit Gin, frischem Dill, Salz und Zucker gebeizte Lachsfilet wird auf einem Zedernholz­brett direkt über der Glut bei geschlosse­nem Deckel 20 bis 25 Minuten lang gegart. Dazu schmecken Grillkarto­ffeln und eine Honig-Senf-Sauce.

Um im Kreis der Liebsten den Reiz des Wintergril­lens – also Nähe, Ruhe und Gemütlichk­eit – genießen zu können, reichen aber auch ganz einfache Gerichte. Gerade an Weihnachte­n biete sich der Klassiker Bratwurst mit Kartoffels­alat an, sagt Dirk Freyberger. Auf den Grill kommt eine kleine Wurstauswa­hl von der Nürnberger über die Thüringer bis zur Käsekraine­r. Serviert wird unter dem Weihnachts­baum oder direkt am warmen, prasselnde­n Feuer. Ulrike Geist, dpa

Zu Heiligaben­d eine Bratwurst unterm Baum

 ?? Foto: Markus Gmeiner/Heel Verlag, dpa ?? Ein Käsefondue aus dem Dutch Oven eignet sich zum Einstieg in den Grillabend, schlägt Kochbuchau­tor Tom Heinzle (links) vor.
Foto: Markus Gmeiner/Heel Verlag, dpa Ein Käsefondue aus dem Dutch Oven eignet sich zum Einstieg in den Grillabend, schlägt Kochbuchau­tor Tom Heinzle (links) vor.

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