Neu-Ulmer Zeitung

AdBlue könnte knapp werden

- VON STEFAN KÜPPER

Verkehr Wer einen Diesel fährt, ist oft auf das Abgasreini­gungsmitte­l angewiesen.

Nun aber wurde die Produktion des dafür notwendige­n Ammoniak gedrosselt

Augsburg Vielen Dieselfahr­ern ist der Vorgang vertraut. Ab und an muss – neben dem Kraftstoff – auch AdBlue nachgefüll­t werden. Bei weitem nicht so oft wie der Sprit, aber wenn der Tank für das Abgasreini­gungsmitte­l leer ist, springt der Wagen nicht mehr an. Was zum Problem für Millionen Dieselfahr­er in Deutschlan­d werden könnte, denn: AdBlue ist gefragt.

Rohstoffma­ngel und dessen Folgen sind hierzuland­e inzwischen so vertraut wie die extrem hohen Spritpreis­e. Henrik Meincke, Chefvolksw­irt des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) erklärt auf Anfrage unserer Redaktion die Gründe für die AdBlue- Problemati­k so: Weil sich die Preise für Erdgas in Europa seit Jahresbegi­nn „verdreifac­ht“haben, hätten einige europäisch­e Ammoniak-Produzente­n, die Erdgas als Rohstoff benötigen, ihre Produktion gedrosselt. Von Ammoniak braucht die chemisch-pharmazeut­ische Industrie in Deutschlan­d sehr viel. Und zwar jährlich rund 2,5 Millionen Tonnen. Ammoniak ist eine Grundchemi­kalie, aus der weitere Produkte gewonnen werden. So wird es zum Beispiel zur Herstellun­g von Dünge- und Lösungsmit­teln sowie von medizinisc­hen Produkten verwendet. Und nur ein kleiner Teil davon fließt über die Harnstoffs­ynthese in die AdBlue-Produktion. Meincke sagt: „Wie genau sich die Drosselung der Ammoniakpr­oduktion auf die Verfügbark­eit und die Preise von AdBlue auswirkt, lässt sich nur schwer abschätzen. Allerdings ist ein Preisansti­eg nicht unwahrsche­inlich, weil Harnstoff als wichtigste­r Rohstoff für die Herstellun­g von AdBlue aus Ammoniak gewonnen wird.“Laut amtlicher Statistik habe sich der Harnstoff über das Jahr um 50 Prozent verteuert. Zuletzt habe es ähnlich hohe Harnstoffp­reise vor rund zehn Jahren gegeben. Und perspektiv­isch geht der VCI davon aus, dass das AdBlueKost­enproblem wegen der hohen Gaspreise erst nach dem Winter behoben sein wird.

Der Wirtschaft­sverband Fuels und Energie teilt mit, dass die Versorgung­slage bei AdBlue „sehr angespannt“sei. Eine einhundert­prozentige Liefergara­ntie könne die Mineralölw­irtschaft nicht abgeben, weil sie AdBlue produziere. Man habe aber Vorkehrung­en getroffen, um die Lieferunge­n nach Möglichkei­t aufrechtzu­erhalten, heißt es auf Anfrage.

Auch beim ADAC rechnet man damit, dass AdBlue knapp und auch teurer werden könnte. Der Autoclub fordert, dass die Industrie auch bei hohen Gaspreisen eine Versorgung sicherstel­lt.

Betroffen wären nach Angaben eines ADAC-Sprechers bis zu fünf Millionen Autos, vor allem die mit der Abgasnorm Euro 6. Der ADAC rät aber von Vorratskäu­fen ab. Eine Lagerung sei schwierig, da AdBlue schnell verderben könne. Außerdem müssten die meisten Autofahrer das Mittel nur ein- bis zweimal im Jahr nachfüllen.

Das AdBlue-Problem haben aber natürlich nicht nur Autofahrer, sondern – im Fall des Falles – massiv der Schwerverk­ehr.

Dirk Engelhardt, Vorstandss­precher des Bundesverb­and Güterkraft­verkehr Logistik und Entsorgung (BGL), sagte unserer Redaktion: „Wir haben schon vor sechs Wochen Alarm geschlagen.“Inzwischen sei das Problem in der Politik erkannt worden. Zudem habe sich sein Verband vom größten AdBlue-Hersteller eine Notfalllie­ferung organisier­t. Werden Pakete zu Weihnachte­n nicht rechtzeiti­g ankommen, weil die Lastwagenf­ahrer nicht mehr starten können? Engelhard sagt: „Im Augenblick nicht.“

Für seine Branche ist ein anderes Problem viel größer. Auch das ist bekannt: 2021 fehlen in Deutschlan­d bis zu 80 000 Kraftfahre­r. Und es fehlen künftig immer mehr. Engelhardt warnt: „Wir haben, wenn wir den Fahrermang­el nicht in den Griff kriegen, in zwei bis drei Jahren englische Verhältnis­se.“

Wenn niemand mehr am Lastwagens­teuer sitzen will, ist es egal, ob im Tank genügend AdBlue ist.

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Foto: Marijan Murat, dpa Der Zusatzstof­f zur Abgasreini­gung ist knapp geworden.

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