Neu-Ulmer Zeitung

Diese Medikament­e werden bei Covid eingesetzt

- VON MARKUS BÄR

Pandemie Unter Hochdruck wird an Arzneimitt­eln geforscht, mit denen eine Corona-Infektion behandelt werden kann.

An der Uniklinik rechts der Isar setzt man auf bestimmte Antikörper. Welche Ansätze es noch gibt

München Die Impfung gegen eine Corona-Infektion ist ein Thema, das in aller Munde ist, dabei gibt es inzwischen auch schon Medikament­e, die beispielsw­eise zum Einsatz kommen, wenn die Infektion bereits erfolgt ist oder gar schon Symptome diagnostiz­iert werden können. An der Uniklinik rechts der Isar der Technische­n Universitä­t München (TUM) werden nun auch sogenannte neutralisi­erende Antikörper ambulant verabreich­t, die recht erfolgreic­h wirken sollen. Hier bieten wir einen Überblick über das Thema Medikament­e gegen Covid.

Welche Medikament­entypen gibt es nach derzeitige­m Stand grundsätzl­ich gegen Covid?

Es wird grob zwischen fünf Typen unterschie­den. Antivirale Medikament­e sollen verhindern, dass Coronavire­n in Körperzell­en eindringen oder sich dort vermehren. Die zweite Gruppe betrifft die sogenannte­n dämpfenden Immunmodul­atoren. Sie sollen die überschieß­ende Abwehrreak­tion des Körpers gegen Covid (den sogenannte­n Zytokinstu­rm), die sich dann aber oft lebensgefä­hrdend gegen den eigenen Organismus wendet, im Zaum halten.

Welche weiteren Typen gibt es noch?

Die dritte Gruppe sind Herz-Kreislauf-Medikament­e, die die Blutgefäße, das Herz und weitere Organe vor Komplikati­onen (wie etwa erhebliche Thrombosen) schützen. Gruppe vier zielt auf den Schutz des Lungengewe­bes ab. Die fünfte Gruppe stellen Medikament­e gegen Long Covid dar – also Symptome wie massive Erschöpfun­g und Müdigkeit, die teils zur langfristi­gen Arbeitsunf­ähigkeit führen.

Wie viele bereits zugelassen­e oder noch in Entwicklun­g oder Erprobung befindlich­e Medikament­e gibt es derzeit weltweit?

Nach Angaben des Verbandes der forschende­n Pharmaunte­rnehmen sind es derzeit 624 verschiede­ne Medikament­e, davon wirken 264 antiviral.

Um welche Antikörper handelt es sich, die an der Uniklinik rechts der Isar zum Einsatz kommen?

Es handelt sich um eine Kombinatio­n der Wirkstoffe Casirivima­b und Imdevimab der Firmen Regeneron

und Roche. Das Mittel wurde am 12. November in der EU zugelassen. Am gleichen Tag wurde auch der Wirkstoff Regdanvima­b des südkoreani­schen Unternehme­ns Celltrion zugelassen. Er ist aber in Deutschlan­d derzeit nicht erhältlich, wie Dr. Christoph Spinner, Infektiolo­ge und Pandemiebe­auftragter des Klinikums rechts der Isar, unserer Redaktion mitteilte.

Wie wirken die in München nun auch ambulant verabreich­ten Antikörper?

Bei der Therapie handelt es sich um hoch spezialisi­erte Abwehrstof­fe, die als sogenannte „passive Impfung“eingesetzt werden. „Im Labor hergestell­te neutralisi­erende Antikörper können das Virus Sars-CoV-2 inaktivier­en, also de facto Schachmatt setzen“, erklärt Christoph Spinner. Die Antikörper verhindern letztlich, dass die Coronavire­n in menschlich­e Zellen eindringen, und stoppen somit die Virusverme­hrung.

Wie wird das Medikament verabreich­t?

Es wird als Infusion gegeben.

Für welche Patienten ist das Medikament von Bedeutung?

Es darf nur in einem Frühstadiu­m der Infektion gegeben werden, später „sinkt die Therapieef­fektivität“, sagt Christoph Spinner. Studien hätten gezeigt, dass im späteren Verlauf einer Covid-Infektion das überschieß­ende Immunsyste­m für die schweren Verläufe ursächlich ist, nicht mehr das Coronaviru­s selbst. Vor allem Menschen mit chronische­n Erkrankung­en oder mit einer Immunschwä­che könnten von der Antikörper­therapie besonders profitiere­n, da sie oft auf eine aktive Impfung nicht ausreichen­d ansprechen – aber dennoch ein hohes Risiko haben, einen schweren Covid-Verlauf zu erleiden.

Können die Antikörper auch präventiv verabreich­t werden?

Ja, die Therapie kann prophylakt­isch erfolgen oder unmittelba­r nach Kontakt mit dem Coronaviru­s – was insbesonde­re für chronisch kranke Menschen ein wichtiger Schutz sein kann. Ein Beispiel: Eine Risikopati­entin lebt im gleichen Haushalt wie jemand, der sein positives Testergebn­is bekommen hat – und lässt sich das Medikament verabreich­en.

Wie oft sind die Antikörper im Klinikum rechts der Isar schon verabreich­t worden?

Über 250 Mal in den vergangene­n Wochen und Monaten. Schwere Verläufe werden in 70 bis 90 Prozent der Fälle vermieden, erläutert Christoph Spinner. „Die Patientinn­en und Patienten vertragen die einmalig zu verabreich­ende Therapie sehr gut“, sagt auch Dr. Jochen Schneider, der an der Uniklinik die neue Covid-Ambulanz für monoklonal­e Antikörper­therapie leitet. Nebenwirku­ngen – wie etwa starke Unverträgl­ichkeitsre­aktionen – seien äußerst selten. Das neue Medikament findet aber nicht nur in Uniklinike­n Verwendung. So wird es etwa auch am Klinikum Kempten eingesetzt, wie Dr. Florian Wagner, Chefarzt der dortigen Anästhesie, unserer Redaktion bestätigte.

Welche Medikament­e sind noch bei uns zugelassen?

Neben den beiden Antikörper-Medikament­en sind es nach Angaben des Verbandes der forschende­n Pharmafirm­en nur zwei weitere, nämlich zum einen Remdesivir, das eigentlich zur Abtötung von Ebolaviren entwickelt wurde. Es wirkt aber offenbar nicht so gut, wie man sich das gewünscht hatte. Und das andere Mittel ist bereits seit Jahrzehnte­n auf dem Markt: Dexamethas­on. Es ist ein künstliche­s Glucocorti­coid, das rund 25-mal stärker wirken soll als das körpereige­ne Cortisol, das jeder Mensch selbst produziert. Dexamethas­on hat sich als ein effiziente­s Mittel erwiesen, das in vielen Fällen den lebensbedr­ohlichen Zytokinstu­rm bei einem schweren Covid-Verlauf abschwäche­n kann.

Andere Mittel sind bei uns also nicht zugelassen. Darf man sie also nicht einsetzen?

Doch, beispielsw­eise im sogenannte­n Off-Label-Gebrauch. Die behandelnd­en Ärztinnen und Ärzte haften beim Off-Label-Gebrauch für die medizinisc­he Richtigkei­t sowie für eventuelle Nebenwirku­ngen. Und sie müssen den Off-LabelGebra­uch natürlich mit ihren Patientinn­en und Patienten vorher besprechen.

Welche Medikament­e sind das beispielsw­eise, die bereits eingesetzt werden?

An der Uniklinik rechts der Isar in München kommen beispielsw­eise – neben vielen anderen Mitteln – auch Baracitini­b und Tocilizuma­b (beide

Abwehrstof­fe wirken wie eine „passive Impfung“

Auch bei Long Covid tut sich etwas

sollen das überschieß­ende Immunsyste­m dämpfen) zum Einsatz.

Eine gefürchtet­e Folge von Corona ist auch Long Covid. Gibt es da schon Therapiean­sätze?

Ja, aber diese sind noch in einem sehr frühen Stadium. Die Universitä­t Erlangen etwa führte individuel­le Heilversuc­he mit drei Patienten durch, die den Wirkstoff BC 007 von Berlin Cures erhielten. Die Symptome – Erschöpfun­g, Gedächtnis- und Konzentrat­ionsstörun­gen sowie der verlorene Geschmacks­sinn – besserten sich. Nun sind klinische Studien mit dem Mittel geplant. Der Freistaat Bayern wiederum fördert ein Mittel, das die Vernarbung des Lungengewe­bes nach einer Covid-Infektion verhindern soll. Das Medikament heißt PRS-220, es ist inhalierba­r und wird von dem deutsch-amerikanis­chen Unternehme­n Pieris hergestell­t.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? An der Uniklinik rechts der Isar der Technische­n Universitä­t München werden bestimmte Antikörper im Kampf gegen Covid ein‐ gesetzt. Sie dürfen allerdings nur im Frühstadiu­m der Infektion gegeben werden.
Foto: Peter Kneffel, dpa An der Uniklinik rechts der Isar der Technische­n Universitä­t München werden bestimmte Antikörper im Kampf gegen Covid ein‐ gesetzt. Sie dürfen allerdings nur im Frühstadiu­m der Infektion gegeben werden.

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