Diese Medikamente werden bei Covid eingesetzt
Pandemie Unter Hochdruck wird an Arzneimitteln geforscht, mit denen eine Corona-Infektion behandelt werden kann.
An der Uniklinik rechts der Isar setzt man auf bestimmte Antikörper. Welche Ansätze es noch gibt
München Die Impfung gegen eine Corona-Infektion ist ein Thema, das in aller Munde ist, dabei gibt es inzwischen auch schon Medikamente, die beispielsweise zum Einsatz kommen, wenn die Infektion bereits erfolgt ist oder gar schon Symptome diagnostiziert werden können. An der Uniklinik rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) werden nun auch sogenannte neutralisierende Antikörper ambulant verabreicht, die recht erfolgreich wirken sollen. Hier bieten wir einen Überblick über das Thema Medikamente gegen Covid.
Welche Medikamententypen gibt es nach derzeitigem Stand grundsätzlich gegen Covid?
Es wird grob zwischen fünf Typen unterschieden. Antivirale Medikamente sollen verhindern, dass Coronaviren in Körperzellen eindringen oder sich dort vermehren. Die zweite Gruppe betrifft die sogenannten dämpfenden Immunmodulatoren. Sie sollen die überschießende Abwehrreaktion des Körpers gegen Covid (den sogenannten Zytokinsturm), die sich dann aber oft lebensgefährdend gegen den eigenen Organismus wendet, im Zaum halten.
Welche weiteren Typen gibt es noch?
Die dritte Gruppe sind Herz-Kreislauf-Medikamente, die die Blutgefäße, das Herz und weitere Organe vor Komplikationen (wie etwa erhebliche Thrombosen) schützen. Gruppe vier zielt auf den Schutz des Lungengewebes ab. Die fünfte Gruppe stellen Medikamente gegen Long Covid dar – also Symptome wie massive Erschöpfung und Müdigkeit, die teils zur langfristigen Arbeitsunfähigkeit führen.
Wie viele bereits zugelassene oder noch in Entwicklung oder Erprobung befindliche Medikamente gibt es derzeit weltweit?
Nach Angaben des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen sind es derzeit 624 verschiedene Medikamente, davon wirken 264 antiviral.
Um welche Antikörper handelt es sich, die an der Uniklinik rechts der Isar zum Einsatz kommen?
Es handelt sich um eine Kombination der Wirkstoffe Casirivimab und Imdevimab der Firmen Regeneron
und Roche. Das Mittel wurde am 12. November in der EU zugelassen. Am gleichen Tag wurde auch der Wirkstoff Regdanvimab des südkoreanischen Unternehmens Celltrion zugelassen. Er ist aber in Deutschland derzeit nicht erhältlich, wie Dr. Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemiebeauftragter des Klinikums rechts der Isar, unserer Redaktion mitteilte.
Wie wirken die in München nun auch ambulant verabreichten Antikörper?
Bei der Therapie handelt es sich um hoch spezialisierte Abwehrstoffe, die als sogenannte „passive Impfung“eingesetzt werden. „Im Labor hergestellte neutralisierende Antikörper können das Virus Sars-CoV-2 inaktivieren, also de facto Schachmatt setzen“, erklärt Christoph Spinner. Die Antikörper verhindern letztlich, dass die Coronaviren in menschliche Zellen eindringen, und stoppen somit die Virusvermehrung.
Wie wird das Medikament verabreicht?
Es wird als Infusion gegeben.
Für welche Patienten ist das Medikament von Bedeutung?
Es darf nur in einem Frühstadium der Infektion gegeben werden, später „sinkt die Therapieeffektivität“, sagt Christoph Spinner. Studien hätten gezeigt, dass im späteren Verlauf einer Covid-Infektion das überschießende Immunsystem für die schweren Verläufe ursächlich ist, nicht mehr das Coronavirus selbst. Vor allem Menschen mit chronischen Erkrankungen oder mit einer Immunschwäche könnten von der Antikörpertherapie besonders profitieren, da sie oft auf eine aktive Impfung nicht ausreichend ansprechen – aber dennoch ein hohes Risiko haben, einen schweren Covid-Verlauf zu erleiden.
Können die Antikörper auch präventiv verabreicht werden?
Ja, die Therapie kann prophylaktisch erfolgen oder unmittelbar nach Kontakt mit dem Coronavirus – was insbesondere für chronisch kranke Menschen ein wichtiger Schutz sein kann. Ein Beispiel: Eine Risikopatientin lebt im gleichen Haushalt wie jemand, der sein positives Testergebnis bekommen hat – und lässt sich das Medikament verabreichen.
Wie oft sind die Antikörper im Klinikum rechts der Isar schon verabreicht worden?
Über 250 Mal in den vergangenen Wochen und Monaten. Schwere Verläufe werden in 70 bis 90 Prozent der Fälle vermieden, erläutert Christoph Spinner. „Die Patientinnen und Patienten vertragen die einmalig zu verabreichende Therapie sehr gut“, sagt auch Dr. Jochen Schneider, der an der Uniklinik die neue Covid-Ambulanz für monoklonale Antikörpertherapie leitet. Nebenwirkungen – wie etwa starke Unverträglichkeitsreaktionen – seien äußerst selten. Das neue Medikament findet aber nicht nur in Unikliniken Verwendung. So wird es etwa auch am Klinikum Kempten eingesetzt, wie Dr. Florian Wagner, Chefarzt der dortigen Anästhesie, unserer Redaktion bestätigte.
Welche Medikamente sind noch bei uns zugelassen?
Neben den beiden Antikörper-Medikamenten sind es nach Angaben des Verbandes der forschenden Pharmafirmen nur zwei weitere, nämlich zum einen Remdesivir, das eigentlich zur Abtötung von Ebolaviren entwickelt wurde. Es wirkt aber offenbar nicht so gut, wie man sich das gewünscht hatte. Und das andere Mittel ist bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt: Dexamethason. Es ist ein künstliches Glucocorticoid, das rund 25-mal stärker wirken soll als das körpereigene Cortisol, das jeder Mensch selbst produziert. Dexamethason hat sich als ein effizientes Mittel erwiesen, das in vielen Fällen den lebensbedrohlichen Zytokinsturm bei einem schweren Covid-Verlauf abschwächen kann.
Andere Mittel sind bei uns also nicht zugelassen. Darf man sie also nicht einsetzen?
Doch, beispielsweise im sogenannten Off-Label-Gebrauch. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte haften beim Off-Label-Gebrauch für die medizinische Richtigkeit sowie für eventuelle Nebenwirkungen. Und sie müssen den Off-LabelGebrauch natürlich mit ihren Patientinnen und Patienten vorher besprechen.
Welche Medikamente sind das beispielsweise, die bereits eingesetzt werden?
An der Uniklinik rechts der Isar in München kommen beispielsweise – neben vielen anderen Mitteln – auch Baracitinib und Tocilizumab (beide
Abwehrstoffe wirken wie eine „passive Impfung“
Auch bei Long Covid tut sich etwas
sollen das überschießende Immunsystem dämpfen) zum Einsatz.
Eine gefürchtete Folge von Corona ist auch Long Covid. Gibt es da schon Therapieansätze?
Ja, aber diese sind noch in einem sehr frühen Stadium. Die Universität Erlangen etwa führte individuelle Heilversuche mit drei Patienten durch, die den Wirkstoff BC 007 von Berlin Cures erhielten. Die Symptome – Erschöpfung, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie der verlorene Geschmackssinn – besserten sich. Nun sind klinische Studien mit dem Mittel geplant. Der Freistaat Bayern wiederum fördert ein Mittel, das die Vernarbung des Lungengewebes nach einer Covid-Infektion verhindern soll. Das Medikament heißt PRS-220, es ist inhalierbar und wird von dem deutsch-amerikanischen Unternehmen Pieris hergestellt.