Wo fährt künftig der ICE im Landkreis Neu‐Ulm?
Bahnprojekt Für die geplante Neubaustrecke Ulm – Augsburg gibt es derzeit vier mögliche Varianten. Jede hätte erhebliche Eingriffe in der Region zur Folge. Wie es nun weitergeht
Neu‐Ulm Die Bahnlinie von Ulm nach Augsburg besteht seit mehr als 160 Jahren und gehört zu den meistbefahrenen Strecken in Süddeutschland. Auf dem 85 Kilometer langen zweigleisigen Abschnitt wird der Fern-, Nah- und Güterverkehr abgewickelt. Entsprechend eng geht es dort zu. Die Bahn will die ICE-Züge und die Güterzüge künftig auf einer eigenen Trasse fahren lassen. Doch wo soll diese verlaufen? Vier Möglichkeiten werden derzeit in Betracht gezogen. Jede von ihnen hätte erhebliche Auswirkungen auf den Landkreis Neu-Ulm.
Der viergleisige Ausbau der Bahnstrecke Ulm – Augsburg ist im Bundesverkehrswegeplan 2030 in den vordringlichen Bedarf eingestuft, das heißt, er hat oberste Priorität. Ziel ist es, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Der Nahverkehr soll gestärkt und ausgebaut werden, da die Regionalzüge dann allein auf der bestehenden Strecke fahren können. Die Fahrzeit im Fernverkehr soll verkürzt werden – mit Halt in Günzburg sollen die Schnellzüge künftig in 40 Minuten von Ulm nach Augsburg brausen, ohne dortigen Halt in 26 Minuten. Eine Geschwindigkeit von bis zu 300 Stundenkilometer soll auf der ICE-Neubaustrecke möglich sein. Gleichzeitig sollen dort auch Güterzüge fahren können, was die Suche nach einer geeigneten Trasse komplizierter macht.
Derzeit ist das Mammut-Projekt noch in der Vorplanung. Die Bahn hat vier mögliche Varianten ausgemacht. Eine Vorfestlegung gibt es dabei nicht. Erst bis Ende 2023 soll eine Vorzugstrasse festgelegt werden. Im Jahr darauf müsste diese dann vom Bundestag genehmigt werden.
Markus Baumann, der Leiter des Bahnprojektes Ulm – Augsburg, stellte die nach Farben benannten Varianten im Neu-Ulmer Stadtrat per Video vor. Die violette Trasse verläuft zunächst entlang der Bestandsstrecke, also durch Burlafingen und Nersingen hindurch. Erst nach Unterfahlheim biegt sie nach Süden ab und verläuft dann unterhalb von Leipheim und Günzburg Richtung Augsburg. Bei dieser Variante werde es „relativ große Probleme in Burlafingen“geben, räumte Baumann ein. Viele Bürgerinnen und Bürger wären davon betroffen. Sowohl beim Bau als auch durch Lärm entstünde eine erhebliche Beeinträchtigung, sagte Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger. Dafür gäbe es weniger Auswirkungen auf die Landwirtschaft.
Bei den drei anderen möglichen Strecken würden teilweise Landschaftsschutzgebiete durchschnitten. Die türkise Variante, die relativ gerade von West nach Ost verläuft, führt ebenso durchs Pfuhler Ried wie ihre Alternativen. Sie verläuft dicht an Steinheim vorbei und südlich von Straß. Die orangefarbene Variante ist bis Bibertal identisch, danach führt sie nördlich an Kötz vorbei, die türkisfarbene Trasse südlich. Die blaugrüne Variante wird ein gutes Stück entlang der B10 geführt, macht dann einen Bogen und verläuft nördlich von Remmeltshofen, Kadeltshofen und Raunertshofen.
„Wir stehen dem Projekt vom Ziel her positiv gegenüber“, sagte OB Katrin Albsteiger. Das unterstrichen auch Johannes Stingl (CSU) und Rudolf Erne (SPD). Klar sei
Oberbürgermeisterin will neue Haltepunkte
aber auch: „Hier findet ein sehr erheblicher Eingriff statt“, so die Oberbürgermeisterin. „Wir wünschen uns eine möglichst geringe Zerschneidung der Landschaft“, gab sie dem Vertreter der DB Netz mit auf den Weg. Und es müsse die Möglichkeit geben, neue Bahnhalte in Burlafingen und im Industriegebiet in Neu-Ulm zu realisieren.
„Das haben wir im Blick“, versicherte Markus Baumann. Er betonte aber auch, dass ein Bahnhalt in Burlafingen nur mit zwei zusätzlichen Gleisen möglich sei. Ansonsten reiche die Kapazität nicht aus. Während sich Katrin Albsteiger „sehr optimistisch“zeigte, dass die zwei gewünschten neuen Bahnhalte gebaut werden, ging Stadtbaudirektor
Markus Krämer noch einen Schritt weiter: „Die sind gesetzt, die müssen kommen.“
„Wir brauchen eine Bilanz zum Flächenverbrauch und zu den Auswirkungen der Trassen auf Mensch und Landschaft“, forderte Johannes Stingl. Er wollte außerdem wissen, was mit der Staatsstraße sowie der Aldi- und der Finkbeiner-Filiale passiert, wenn die zusätzliche Bahntrasse entlang der Adenauer Straße gebaut wird. Die Gebäude müssten dann versetzt werden, so Baumann. Wobei der Discounter ohnehin einen Neubau plant (wir berichteten). Und die Straße? Müsse entweder verlegt werden oder für die Bahn werde ein Tunnel gebaut, erläuterte Markus Krämer.
Zum Flächenverbrauch der verschiedenen Varianten konnte Projektleiter Baumann noch keine genauen Zahlen nennen. Wobei klar sei, dass ein kompletter Neubau in der freien Landschaft vom Umweltgesichtspunkt her schlechter sei als ein Bau auf einer bestehenden versiegelten Fläche. Was den Lärmschutz angehe, sei ein Gutachter beauftragt. Erste Erkenntnisse würden Mitte 2022 vorliegen.
Christina Richtmann ( FWG) wollte wissen, ob die Entscheidung, entweder durchs Pfuhler Ried oder durch Burlafingen zu bauen, vermeidbar sei oder nicht? Klare Antwort des Bahn-Vertreters: „Nein.“Es gibt also nur ein Entweder-oder.