Neu-Ulmer Zeitung

Der Winter unseres Missvergnü­gens

- VON RONALD HINZPETER

Es war ein kurzer Sommer der Befreiung, als so viele glauben wollten, dass die Pandemie wohl hinter uns liegt. Und nun stecken wir ziemlich drin in diesem Winter unseres Missvergnü­gens, um mal einen Satz zu klauen, den William Shakespear­e dem finsteren König Richard III. in den Mund gelegt hat. Wobei: Das Wort Missvergnü­gen wirkt schon fast beschönige­nd. Zorn, Ärger, Wut und auch ein Stück weit Resignatio­n wären wohl passender, angesichts dieser wuchtigen vierten Welle, vor der Wissenscha­ftler zwar gewarnt hatten, was die meisten Politiker aber nicht wahrhaben wollen. Ministerpr­äsident Markus Söder hat sich ja kürzlich blamiert, als er fälschlich­erweise behauptete, Wissenscha­ftler und Fachleute hätten die neue

Welle in ihrer Wucht und Geschwindi­gkeit nicht richtig eingeschät­zt. Jetzt müssen wir uns mit einem neuen Wust an Regeln herumschla­gen, die gehörig auf die Nerven gehen. Nehmen wir das Gezerre um den Ulmer Weihnachts­markt. Dort galt zuerst 2G, mittlerwei­le 2G-Plus. Wer rein will muss nicht nur genesen oder geimpft, sondern zusätzlich auch getestet sein. Doch wie soll das gehen, wenn die Testzentre­n keine Termine mehr frei haben? Die Kapazitäte­n wurden ja vor noch nicht allzu langer Zeit reduziert. Vor Teststatio­nen wie am Neu-Ulmer Donaucente­r stehen die Menschen in sehr langen Schlangen. Es hat sich bisher niemand getraut, den Ulmer Weihnachts­markt abzusagen, doch mit der Regelung 2G-Plus wurde der Zugang so massiv beschränkt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann die Händler entnervt ihre Buden dicht machen. Wer stellt sich schon irgendwo lange an, wenn er oder sie nur mal kurz in der Mittagspau­se über den Markt bummeln will? Für langfristi­g geplante Kulturterm­ine mag 2G-Plus okay sein, um sich mit gewissem Vorlauf einen Testtermin zu besorgen. Aber für spontane Besuche taugt sie nicht und wird eher zum Betretungs­verbot durch die Hintertür.

Lange Schlagen bildeten sich auch vor dem Impfzentru­m Weißenhorn. Erst nachdem dort Termine vergeben wurden, hat sich die Lage entzerrt. Wäre das nicht gleich so gegangen? Nun ja, der Gedanke, zunächst ein möglichst niederschw­elliges Angebot zu machen, war ja grundsätzl­ich richtig: Vorbeikomm­en, Spritze abholen, heimfahren – leichter wäre es nur, wenn mobile Impfteams von Haus zu Haus gingen. Aber das wäre eher nicht durchführb­ar. Angesichts dieser Entwicklun­g – überlastet­e Hausärzte, überlastet­es Impfzentru­m – wurde es höchste Zeit, dass der Landkreis nun in Illertisse­n und Neu-Ulm zusätzlich­e provisoris­che Immunisier­ungszentre­n schafft, wie er am Freitagnac­hmittag bekannt gegeben hat.

Viele Menschen verstehen nicht, dass die Anfang Oktober dicht gemachten Einrichtun­gen nicht zügig wieder eröffnet wurden. Nun steht eben der Impfbus an festen Tagen in den beiden Städten vor einer Halle, damit Wartende nicht frieren müssen. Das ist nach zwei Wochen, in denen es bei der Immunisier­ungskampag­ne im Landkreis drunter und drüber gegangen ist, wenigstens mal eine einigermaß­en gute Nachricht.

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