Neu-Ulmer Zeitung

Den Geheimniss­en des Münsters auf der Spur

- VON DAGMAR HUB

Literatur „La Muta“heißt ein Gemälde des weltbekann­ten Bildhauers Raffael – und auch der neue

Kriminalro­man des Elchingers Hermann Severin Huber. Tatort? Die Ulmer Münsterbau­hütte

Elchingen Gut 30 Jahre lang war Hermann Severin Huber als Anwalt tätig. Im Ruhestand lebt der Elchinger sein „zweites Leben“, er hat in den letzten Jahren eine Reihe von beeindruck­enden Romanen und Novellen vorgelegt. Nun ist – als Lektüre für neblig-düstere Wintertage – sein neuer Roman „La Muta“fertig. La Muta, die Stumme – das ist ein 1507 entstanden­es Gemälde von Raffael, das in der Nationalga­lerie der Marken im italienisc­hen Urbino zu besichtige­n ist, und das ist im Roman eine Bosnierin, die 1995 beim Massaker im bosnischen Tuzla und in dessen Folge schwere Verletzung­en und Misshandlu­ngen erlitt.

Aber die italienisc­he Region Marken, Tuzla – und nicht Ulm? Es wäre nicht Huber, der unter dem Pseudonym seiner beiden Vornamen schreibt, spielte nicht ein entscheide­nder Teil des Romans in Ulm. Zwei Todesfälle beschäftig­en die Ulmer Polizei im Neuen Bau: Der eine Tote war als Mitarbeite­r eines erfolgreic­hen Geschäftsm­annes für dessen Anwesen außerhalb von Ulm verantwort­lich. Der andere Tote ist ein Mitarbeite­r der Münsterbau­hütte – ein Mann, der dort erst recht kurze Zeit beschäftig­t war. Was die beiden Opfer verbindet: Sie wurden auf die gleiche Weise – mit einem Hammer – getötet, ihnen wurde ein „V“in die Stirn geritzt. „V“für „Verfassung­sschutz“, für zwei enttarnte Mitarbeite­r, die umgebracht wurden.

Der Hintergrun­d: Im Roman haben sich Steinmetze der Bauhütten der berühmtest­en Kathedrale­n, Dome und Münster Europas zu einem Geheimbund zusammenge­schlossen. Tief gläubig sind sie, und sie sind entschloss­en, in Zeiten des dahinschwi­ndenden Glaubens lieber die vor Jahrhunder­ten zur Ehre Gottes errichtete­n Großbauten zu zerstören als sie zu reinen touristisc­hen Sehenswürd­igkeiten verkommen zu lassen oder andere triviale Nutzungen zuzulassen.

„Crécerelle­s“nennen sie sich nach dem französisc­hen Wort für die Turmfalken, die häufig auf Kirchtürme­n leben. Der Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame ist im Roman der Auftakt dessen, was die Crécerelle­s planen. Auch in Ulm existieren Mitglieder der Crécerel

Pläne zur Zerstörung der Kirche Sagrada Família

les, in Rom haben sie mächtige Verbündete. In Rom, wo in der Erzählung gerade der gegenwärti­ge Papst zurücktrit­t, weil er sich nicht imstande fühlt, das ihm gegebene Amt auszufülle­n.

Man belauscht lesend die realistisc­h erdachten Gespräche, die Huber den Kardinälen in dieser Situation in den Mund legt, taucht ein in Pläne zur Zerstörung der noch unfertigen, von Antonio Gaudí entworfene­n Kirche Sagrada Família, die bald den höchsten Kirchturm der Welt haben soll. Am Ende ist es La Muta, die schweigsam­e Muslima, die den Kirchen einen Spiegel vorhält: An Reformen fehle es nicht, sondern am Glauben.

Hermann Severin Huber wäre nicht der Autor, der er ist, hätte er nicht eine alte und mündlich überliefer­te Ulmer Geschichte in seinen

Roman verwoben. Alte Ulmerinnen und Ulmer hatten noch erzählt, der 1934 im Ulmer Münster angebracht­e martialisc­he Erzengel Michael habe in der Nacht der Bombardier­ung Ulms eine besondere Aufgabe erfüllt, die begründen würde, warum man ihn nicht aus dem Münster entfernen darf. Wer diese Geschichte kennenlern­en will – der Kriminalro­man „La Muta“ist soeben erschienen.

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Foto: Dagmar Hub Hermann Severin Hubers Roman „La Muta“spielt in diesem Gotteshaus – dem Ulmer Münster.

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