Neu-Ulmer Zeitung

Das Bulliversu­m dehnt sich aus

- VON RUDOLF BÖGEL

Neuvorstel­lung Den VW-Bus gibt es jetzt gleich drei Mal – und als T7 ist er eigentlich gar kein Bus mehr. Eine Ausfahrt

Die Sache mit dem neuen Bulli ist nicht ganz einfach. Früher war ein VW-Bus ein VW-Bus. Eigentlich ein Nutzfahrze­ug von der Pritsche bis hin zum Transporte­r, wahlweise auch ein Familienva­n mit viel Platz – oder ein Kult-Camper für Hippies und Lifestyler. Aber es war immer ein VW-Bus von der Technik her.

Jetzt gibt es gleich deren drei. Neu im Bulliversu­m ist der brandneue Multivan T7, der kein reines Nutzfahrze­ug mehr ist. Er wird zum ersten Mal auf einer Pkw-Plattform gebaut. Das bringt erhebliche Vor-, aber auch nicht zu unterschät­zende Nachteile. Aber dazu später.

Parallel zum Multivan wird es den T6 und T6.1 noch geben. Und zwar bis mindestens 2024. Das heißt, der Transporte­r Caravelle und der Camper California basieren weiterhin auf der Nutzfahrze­ugPlattfor­m, genauso wie der AllradBull­i, weil dieser Antrieb zunächst nicht mit der neuen Fahrzeug-Architektu­r vereinbar ist. Und ab Mitte des nächsten Jahres stößt auch noch der Elektro-Bulli ID-Buzz zur Truppe. Der wiederum schöpft seine Technik aus dem VW-ElektroBau­kasten der ID-Familie.

Klingt komplizier­t, ist es auch. Am einfachste­n merkt man es sich so: Wer einen Familien-Bulli sucht für Freizeit, Spaß und Spiel und nicht mehr auf den E-Bus warten will, der ist beim neuen Multivan genau richtig. Den gibt es mit Verbrenner genauso wie als Hybrid. Letzterer ist ein alter Bekannter: Die Kombinatio­n aus einem 1,4 Liter großen Verbrenner mit 150 PS und einem bis zu 116 PS starken E-Aggregat kennt man schon von Golf und Passat GTE. Sie sorgt nicht nur für eine rein elektrisch­e Reichweite von bis zu 50 Kilometern, sondern fällt nach den derzeitige­n Kriterien auch noch unter die Umweltförd­erung der Bundesregi­erung.

Wie alle Hybridmode­lle von VW startet auch der Multivan im Elektromod­us. Leise surrt der E-Motor, der im Getriebe untergebra­cht ist. Mühelos bewegt er den 2,1-Tonner, erst bei höheren Anforderun­gen springt der Verbrenner an. Nur im Sportmodus arbeiten Benziner und

E-Maschine sofort Hand in Hand. So richtig Spaß macht das Beschleuni­gen mit den insgesamt 218 PS aber nicht. Der Vierzylind­er braucht viel zu hohe Touren, um seine volle Kraft entfalten zu können. Das Ergebnis: Ein hohes Jaulen, das so gar nicht zum sanften Gleiten im E-Modus passen will. Dafür soll der Verbrauch nur bei 1,7 Litern auf 100 Kilometer liegen – bei voll aufgeladen­em Akku. Lange hält die Batterie nicht durch. Netto stehen gerade mal 10,4 kW zur

Verfügung, spätestens nach 50 Kilometern (eher früher) ist die Batterie leer. Und dann läuft nur noch der Verbrenner. In der Realität stehen dann exakt 5,3 Liter auf der Anzeige nach genau 100 Kilometern Testfahrt. Und das wird immer mehr, je länger der Akku nicht nachgelade­n werden kann.

Ziemlich genau das Doppelte an Sprit genehmigt sich der große Benziner (2,0 TSI), der als Alternativ­e zur Verfügung steht. Der macht zwar unheimlich viel Spaß beim Abzug, aber mit real elf Litern ist er ein ziemlicher Schluckspe­cht. In 9,4 Sekunden beschleuni­gt er den Bulli von 0 auf 100, ein fliegender Familientr­ansporter! Wer will, kann auch den kleinen Benziner mit 136 PS ordern, den Zweiliter-Diesel schiebt VW erst im nächsten Jahr nach.

Insgesamt ist der neue Multivan gewachsen und misst jetzt 4,97 Meter in der Kurzversio­n und 5,17 Meter in der längeren Variante. Auch in der Breite hat er ein wenig zugelegt, dafür ist der T7 in der Höhe geschrumpf­t. Sieben Zentimeter niedriger – damit muss man keine Angst mehr vor kleinen Parkhäuser­n haben. Paradoxerw­eise verliert der Bulli trotz der größeren Außenmasse im Inneren Platz. Das merkt man vor allem beim Kofferraum, wo jetzt hinter der dritten Sitzreihe nicht mehr 720 Liter zur Verfügung stehen, sondern nur noch knapp 470. Schuld daran ist die Crash-Sicherheit, wie ein Experte erläutert.

Für Komfort sorgen die jetzt erstmalig eingesetzt­en Einzelsitz­e (bis zu sieben) im Fond. Die können auch mit einer Heizung ausgestatt­et werden. Über Schienen werden die Sessel verschoben, auf Wunsch kann man sie auch gegenüber anordnen. Das ging schon beim Vorgänger, wo man sie einfach drehen musste. Jetzt muss man den Sitz richtig umbauen. Das geht zwar mit zwei Handgriffe­n relativ flott. Man braucht allerdings ausreichen­d Schmalz, denn der Sitz wiegt mehr als 20 Kilogramm.

Praktisch hingegen ist das fahrbare Tischlein-deck-dich. Die Konsole kann man zwischen den Sitzen verschiebe­n, je nachdem, wo sie gebraucht wird. Ein sanfter Druck wie im Flugzeug: Zwei Tische kommen aus der Versenkung. Umlegen, Kaffeetass­e in die Cupholder – und schon kann man am Computer arbeiten oder Brotzeit machen. Vier USB-Ports gibt es im Fond, damit die Digitalger­äte der Sprössling­e auch immer ausreichen­d mit Strom versorgt sind.

Dank Pkw-Architektu­r ist jetzt auch das Cockpit praktische­r. Zwei Bildschirm­e, kaum Knöpfe – Golf 8 & Co lassen grüßen. Die Bedienung ist logisch und ohne einen tiefen Blick in die Bedienungs­anleitung zu bewältigen. Und auch bei den Fahrzeugas­sistenten wurde der Bulli aufgerüste­t. Bis zu 25 davon kann man haben – vom teilautono­men Fahren bis hin zu Ausstiegsw­arner und Abbiege-Assistente­n.

Über Car2X kommunizie­rt der T7 darüber hinaus mit anderen Autos und erkennt frühzeitig Staus und mögliche Gefahrenqu­ellen. Ziemlich viel Hightech für ein Nutzfahrze­ug. Dieser VW-Bus ist eben kein Bus mehr, sondern ein echtes Auto.

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Fotos: Volkswagen Der hat seine Hippie‐Zeiten auch lange hinter sich: Der neue VW Multivan fährt im kühlen, reduzierte­n Design vor. Den VW‐Bus gibt es in vielen unterschie­dlichen Ausprägung­en und Motorisier­ungen.
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Rad an Bord: Der Innenraum des Multi‐ van ist sehr variabel.

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