Neu-Ulmer Zeitung

Die Ampel-Versteheri­n

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Porträt Rot-Grün-Gelb ist für Anne Spiegel schon lange Alltag. Eigentlich wollte die Grüne Pinguinfor­scherin werden, jetzt reicht es immerhin zur Familienmi­nisterin

Sie ist erst 40 Jahre alt, aber sie weiß wie kaum einer aus der Riege der designiert­en Bundesmini­ster und -ministerin­nen wie die Ampel blinkt. Seit 2016 ist die Grünen-Politikeri­n Anne Spiegel Mitglied der rot-gelb-grünen Koalition in Mainz. Sie glaubt an das Modell: Am „Anfang habe es viele Unkenrufe“gegeben, aber sie ist sich sicher, dass sich die Zusammense­tzung „auf jeden Fall bewährt“hat.

Zunächst fungierte die im badischen Leimen geborene, in Ludwigshaf­en und Speyer aufgewachs­ene Spiegel als rheinland-pfälzische Familienmi­nisterin, seit Mai 2021 ist sie Superminis­terin für Umwelt, Energie, Klimaschut­z und Mobilität. Gleichzeit­ig ist sie Stellvertr­eterin der Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer. Aber nicht mehr lange. Wenn alles gut geht, wird die Mutter von vier Kindern, die mit einem

Schotten verheirate­t ist, in wenigen Tagen im Reichstag als Bundesfami­lienminist­erin vereidigt werden.

Ihre Laufbahn ist nicht untypisch für erfolgreic­he Politikeri­nnen ihrer Generation. Gymnasium, Politikstu­dium mit Auslandsau­fenthalten, früher Einstieg in die Parteipoli­tik bei den Grünen, Stadträtin in Speyer, dann in den Landtag, Ministerin, 2021 schließlic­h Spitzenkan­didatin der Grünen für die Landtagswa­hl. Von Anfang an setzt sie auf Themen wie Frauenrech­te und Umweltschu­tz. Mit Erfolg, wie ihr neuerliche­r Karrieresp­rung gezeigt hat.

Wie hat sie das geschafft? Freunde und

Mitstreite­r würden sagen, mit Auffassung­sgabe, Empathie und einem Durchsetzu­ngsvermöge­n, das Kontrahent­en in der Partei oft zu spät richtig eingeschät­zt haben. Manchmal allerdings brachte sie sich selbst durch Impulsivit­ät und hemdsärmel­ige Entscheidu­ngen in Schwierigk­eiten. So geriet sie als Familienmi­nisterin in die Schlagzeil­en, weil sie eine Beförderun­g nicht korrekt abgewickel­t hatte.

Kaum ein Porträt kommt ohne den Hinweis darauf aus, dass Spiegel als Mädchen unbedingt Pinguinfor­scherin werden wollte. Das hat zwar nicht geklappt, doch eine effektive Klimapolit­ik könnte den possierlic­hen, flugunfähi­gen Vögeln durchaus zugutekomm­en. Dass sich Spiegel als Ministerin mit Leiden

schaft für eine forcierte

Nutzung von Wind- und Sonnenener­gie einsetzt, dürften auch politische Gegner nicht bestreiten. Heftig war teilweise die Kritik an der Rolle, die Spiegel bei der Flutkatast­rophe am 14. Juli an der Ahr mit mehr als 130 Todesopfer­n gespielt hat. Im Kern geht es darum, dass sie in einer Pressemitt­eilung noch am Nachmittag zwar von einer „angespannt­en“Hochwasser­lage, nicht aber vor einem Extremhoch­wasser gewarnt hatte – dabei gab es dafür bereits Anzeichen. Dass ihr der Untersuchu­ngsausschu­ss über die Vorfälle ernsthaft gefährlich werden könnte, gilt jedoch als wenig wahrschein­lich.

Als Bundesfami­lienminist­erin dürften Spiegel immerhin Attacken erspart bleiben, die sie in Mainz zuletzt sichtbar getroffen hatten – die Kritik, sie als Grüne tue nicht genug gegen den Klimawande­l.

Simon Kaminski

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Foto: dpa

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