Neu-Ulmer Zeitung

Boostern für den Wohlstand

- VON STEFAN STAHL

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft trübt sich zwar in noch nicht beängstige­nder, aber doch spürbarer Weise ein. Wer wissen will, wie es psychologi­sch um die ökonomisch­en Kräfte der Republik steht, kann das klar am IfoIndex ablesen: Demnach hängen die wirtschaft­lichen Mundwinkel immer weiter nach unten. Das so schöne Lächeln des Frühjahrs ist aus dem Gesicht der Wirtschaft verschwund­en, fiel der Ifo-Index doch schon zum fünften Mal in Folge.

Was dabei besonders fatal ist: Inzwischen drückt die immer tristere Corona-Lage auch deutlich auf die Stimmung der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r. Das ist ein Alarmzeich­en. Denn lange haben Unternehme­n davon profitiert, dass gerade doppelt geimpfte Menschen sich sicherer fühlten. Besser gelaunt holten viele von ihnen Kaufentsch­eidungen nach, die im vergangene­n Jahr aufgeschob­en wurden. Der Effekt wirkte lange wie ein massiver Stimmungsa­ufheller für die deutsche Wirtschaft. Und der war dringend notwendig: Denn die stark steigende Inflation, explodiere­nde Energiekos­ten, coronabedi­ngt schmerzlic­he Lieferengp­ässe und ein zum Teil dramatisch­er Mangel an Facharbeit­erinnen und Facharbeit­ern verhindert­en einen stärkeren Aufschwung.

Weil nun auch die Konsumstim­mung durchhängt, wächst die Gefahr, dass die Wirtschaft zumindest in den kommenden Monaten in eine Stagnation verfällt. Kommt es zu einem weiteren Lockdown, was sich derzeit abzeichnet, könnte aus einer mauen eine schlechte Stimmung erwachsen. Es spricht also leider vieles dafür, dass unsere Wirtschaft vor einem harten Winter steht. Damit müsste das segensreic­he Instrument der Kurzarbeit wieder verstärkt eingesetzt werden. Der Staat käme erneut nicht umhin, die Hauptleidt­ragenden eines weiteren Lockdowns kräftig zu unterstütz­en. All das sollten Menschen, die immer noch nicht geimpft sind, bedenken. Ihre Entscheidu­ng, sich nicht piksen zu lassen, wirkt sich negativ auf die gesamte Volkswirts­chaft aus. Impfgegner sägen langfristi­g an dem berufliche­n Ast, auf dem sie sitzen. Sie gefährden mit ihrer individuel­len Entscheidu­ng einen Teil unseres Wohlstands. Das ist ein sündteurer Ego-Trip.

Wer nüchtern nachdenkt und seine Skepsis gegenüber den Vakzinen mit den gesamtgese­llschaftli­chen Vorteilen einer hohen Impfquote abwägt, kann nur zum Schluss kommen, dass er sich schnell die Spritze geben lassen sollte.

Wohlstand für alle gibt es nur mit der dritten Impfung, ja leider wahrschein­lich mit vielen weiteren.

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