Auto‐Experte fährt auf Atomkraft ab
Hintergrund Ferdinand Dudenhöffer hat nachgerechnet und kommt zu dem Ergebnis, dass grüne Energien den Strombedarf für E-Autos nicht decken können. Seine Kernaussage ist in Deutschland unpopulär, nicht aber in der EU
Berlin Das Aus für den Verbrennungsmotor hat die FDP im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung abgewendet. Das heißt nicht, dass die Liberalen Benzin und Diesel das Wort reden. Sie setzen auf neue, beispielsweise synthetische Kraftstoffe, die weniger oder gar keine Schadstoffe produzieren. Die Zukunft soll darüber hinaus dem Elektroauto gelten. „Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen voll elektrische Pkw bis 2030“, heißt es bei SPD, Grünen und FDP. Der Strom dazu soll aus erneuerbaren Energiequellen kommen, doch es gibt Zweifel, ob das reicht. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom privaten Center Automotive Research (CAR) hat nachgerechnet und kommt zu dem Ergebnis: Ohne Atomkraft geht es nicht.
Der Experte prognostiziert dabei, dass immer mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein werden. „Da Deutschland und die Welt vermutlich zur Winterzeit lange mit dem Virus leben müssen, wird eine Trendumkehr hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln noch weniger wahrscheinlich. Es macht also viel Sinn, auch in Zukunft mit steigenden Pkw-Beständen und damit Pkw-Dichten zu rechnen“, erklärt Dudenhöffer in einem Strategiepapier, das unserer Redaktion vorliegt.
Der Experte setzt darin für 2050 einen Pkw-Bestand von 55,8 Millionen Fahrzeugen beziehungsweise eine Pkw-Dichte von 660 Pkw auf 1000 Einwohner an. Derzeit sind es rund 48,2 Millionen Fahrzeuge, die Pkw-Dichte liegt bei 580.
Pkw werden im Schnitt
in
Deutschland etwa 14 Jahre gefahren. Alle Verbrenner, die jetzt noch zugelassen werden, verschwinden also so schnell nicht von der Straße.
Dudenhöffer ist dennoch optimistisch, dass um das Jahr 2030 herum „mehr als 80 Prozent der PkwNeuzulassungen batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) sein“werden. „Damit verschwinden die Verbrenner Stück für Stück aus den Beständen, und zwischen 2045 und 2050 dürften auch in den Pkw-Beständen 95 plus x Prozent der Fahrzeuge BEV sein“, erklärt er.
Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes 2,92 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor sowie rund 194 000 E-Autos neu zugelassen.
Mit der Falschmeldung, ein aus erneuerbaren Energien gespeistes Stromnetz würde kollabieren, wenn alle E-Autos zeitgleich aufgeladen werden, ist mittlerweile aufgeräumt worden. Dudenhöffer geht gleichwohl davon aus, dass Wind, Wasser und Sonne nicht reichen, um den Strombedarf für E-Autos zu decken.
Eine Fraunhofer-Prognose, die einen Zusatzbedarf von 44 Terawattstunden (TWh) für den Pkw-Verkehr in Deutschland bis zum Jahre 2030 errechnet hat, hält der AutoExperte für zu niedrig. Er geht von einem mindestens dreimal so hohen Bedarf aus. Zum Vergleich: 2020 wurden in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 567,4 Terawattstunden Strom erzeugt, knapp 45 Prozent stammte von erneuerbaren Energieträgern.
Dudenhöffer hat weiter ausgerechnet, dass im Jahr 2020 die in
Deutschland an Land installierten 30 000 Windenergieanlagen 106 TWh Strom pro Jahr lieferten und folgert aus dieser Tatsache: „Um die Elektroautos des Jahres 2050 am Laufen zu halten, bräuchten wir 39 000 zusätzliche Windenergieanlagen im Vergleich zu heute.“Das sei jedoch nicht machbar, urteilt der Auto-Experte und fordert die Rückkehr zur Atomkraft. Die Energieform sei heute viel sicherer als früher. Und der Atommüll lasse sich inzwischen besser wiederaufarbeiten. „Forschung und Innovationen lassen Kernkraftwerke in neuem Licht erscheinen“, urteilt der AutoExperte. Seine Forderung mag bei der Ampel-Koalition auf taube Ohren stoßen. „Am deutschen Atomausstieg halten wir fest“, heißt es im Koalitionsvertrag unmissverständlich. Auf EU-Ebene wird allerdings darüber gestritten, ob Atomkraft künftig als nachhaltig eingestuft wird (Taxonomie-Verordnung).
Die Bundesregierung ist grundsätzlich dagegen, zeigt sich aber weitgehend machtlos. „Nein, Deutschland hat seinen Widerstand nicht aufgegeben, aber das Verfahren ist wie folgt: Die EU-Kommission legt einen delegierten Rechtsakt auf der Grundlage der TaxonomieVerordnung vor“, sagte Kanzlerin Angela Merkel kürzlich im Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Der Rechtsakt könne nur abgelehnt werden, „wenn 20 Mitgliedstaaten bereit sind, Nein zu sagen. Und das ist eine sehr hohe Hürde und ist voraussichtlich nicht der Fall“, erklärte die CDU-Politikerin.
Das Dudenhöffer-Papier könnte also, auch wenn es gerade eher unwahrscheinlich scheint, für die Zukunft einige Bedeutung haben.
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Quelle: /Anbieter
Stand: 26.11.2021