Die Fachkräfte sind vor allem auf den Intensivstationen
Augsburg/Kempten Die Corona-Inzidenzen schießen in der Region immer weiter in die Höhe. Da ist es klar, dass dies erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb in den Kliniken hat. Die Intensivstationen werden immer voller, um schwere Verläufe bei Covid-Patienten zu versorgen. Viele Operationen, die eigentlich anstünden, werden im Gegenzug derzeit nicht mehr vorgenommen. Am größten Krankenhaus in Bayerisch-Schwaben, in der Universitätsklinik Augsburg, finden 40 Prozent der OPs momentan nicht statt. „Das ist erheblich, aber immerhin können wir noch eine SaalKapazität von 60 Prozent vorhalten“, sagt Professor Michael Beyer, Ärztlicher Direktor, gegenüber unserer Redaktion. Vieles bedinge sich dabei gegenseitig.
Um Covid-Patienten auf den Intensivstationen zu versorgen, derzeit sind es um die 30, braucht man viel Fachpersonal. Daran mangelt es aber ohnehin. Hinzu kommt, dass Fachkräfte, wie mehrfach berichtet, im Laufe der Corona-Krise nicht selten aufgrund des massiven Arbeitsanfalls den Dienst in der Intensivmedizin quittiert haben. „Um den Betrieb in den Intensivstationen also aufrechtzuerhalten, müssen sie das dortige Personal mit Hilfspersonal unterstützen“, sagt Beyer. Doch das könne nicht irgendwer sein. Oft mache es Sinn, dieses Hilfspersonal aus dem OP-Bereich zu rekrutieren. Anästhesiepflegepersonal beispielsweise, das sonst bei Narkosen im OP-Saal assistiert und sich sehr gut mit beatmeten Patientinnen und Patienten auskennt. „Solche Fachkräfte sind natürlich auf den Intensivstationen gut einsetzbar“, erklärt der Arzt. Die Folge ist aber: Es fehlt im OP-Betrieb. Also muss dieser heruntergefahren werden. Um bis zu 40 Prozent. „Derzeit können wir etwa 540 Operationen pro Woche schaffen.“Sonst ist die Zahl entsprechend höher – und liegt darum bei etwa 900 Eingriffen.
Aber welche Operationen werden denn nun geschoben? Natürlich alle, die nicht unbedingt nötig sind. Professor Beyer spricht hier von „elektiven“Eingriffen, also Wahleingriffen. Es werden also etwa keine künstlichen Hüften oder Knie eingesetzt. „Es sei denn, das Schmerzpotenzial ist erheblich.“Bei chirurgischen Knochen-Therapien werden derzeit bei Erwachsenen eingesetzte Metallschienen oder -nägel nicht herausoperiert, erklärt Beyer weiter. Selbst bestimmte Herz-OPs müssten warten, wenn das der Zustand des oder der Betreffenden zulässt. Das kann etwa bei einer undichten Herzklappe mit leichten Beschwerdestadien der Fall sein. Auf der anderen Seite sagt Beyer, dass alles, was nicht verschiebbar ist, auch gemacht wird: „60 Prozent sind ja angesichts der Lage eigentlich noch eine gute Kapazität.“Wichtige onkologische Eingriffe würden im Regelfall nicht verschoben.
Ähnlich sieht die Lage auch in etwas kleineren Krankenhäusern aus. Der Klinikverbund Allgäu besteht aus den Kliniken in Mindelheim, Ottobeuren, Kempten, Sonthofen,
Immenstadt und Oberstdorf. „Seit etwa 14 Tagen haben auch wir unsere OP-Kapazitäten um etwa 40 Prozent reduzieren müssen“, erläutert Dr. Florian Wagner, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin am Klinikum Kempten. Eingeklemmte Leistenbrüche beispielsweise würden, wenn möglich, ambulant behandelt. Gutartige Schilddrüsenvergrößerungen erscheinen nicht mehr auf dem OP-Plan. Die Klinik in Oberstdorf etwa sei auf orthopädische Eingriffe spezialisiert. „Dort geht derzeit auch nichts mehr“, sagt der Mediziner. Orthopädische Eingriffe sind natürlich leichter zu schieben als etwa Operationen bei Krebspatienten. Zumal gerade eine
Hüft-OP aufwendig sein kann und längere Nachbetreuung auf einer Intensivstation erfordert. Das ist derzeit wegen Covid schwierig.
Am vergangenen Freitag wurden im Klinikverbund Allgäu insgesamt 26 Covid-Patientinnen und -Patienten intensivmedizinisch versorgt. „Inzwischen haben wir viele junge Patienten“, sagt Wagner. Jung, das heißt hier zwischen 30 und 60. „Im Regelfall sind diese ungeimpft.“Geimpfte, die an Covid erkranken, könnten so gut wie immer mit leichten Verläufen auf Normalstationen behandelt werden. Und sie seien in der Regel auch älter als 60.
Im benachbarten Baden-Württemberg ist die Lage nicht anders.
„Wir wissen, dass Verschiebungen oder Absagen von Behandlungen für unsere Patientinnen und Patienten und deren Angehörige sehr belastend sind“, teilt Professor Udo Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor der Uniklinik Ulm, unserer Redaktion mit. „In der aktuellen Situation bietet sich uns jedoch keine andere Möglichkeit“, erklärt er weiter. Am Universitätsklinikum Ulm würden vornehmlich Covid-Patienten versorgt, die so schwer erkrankt sind, dass sie universitäre Intensivmedizin inklusive einem extrakorporalen Gasaustausch (ECMO) bei Lungenversagen benötigen. Auch das binde entsprechend viele Kapazitäten an der Universitätsklinik Ulm.