FCA gegen sämtliche Widerstände
Fußball In der Begegnung mit Hertha BSC zeigt der FC Augsburg seine Entwicklungsfähigkeit. Den Lohn ihrer Mühen erhält die Mannschaft von Trainer Weinzierl mit dem 1:1 erst spät
Berlin Betreuer, Trainer und Ersatzspieler des FC Augsburg waren aufgesprungen, reckten die Fäuste in den Berliner Himmel, umarmten sich, während die Spieler nach dem späten 1:1 (0:1) gegen Hertha BSC auf dem Rasen eine Jubeltraube vor dem spärlich besetzten Fanblock der Augsburger Anhängerschaft bildeten. Später sollte FCA-Sportgeschäftsführer Stefan Reuter erzählen, dass ihm als Spieler vorgebetet worden war, niemals aufzugeben. Dass selbst in wenigen Sekunden verbliebener Spielzeit Unerwartetes möglich sei. „Du glaubst immer daran“, so Reuter in den unterirdischen Gängen des Olympiastadions.
Die Begegnung zwischen Hertha BSC und dem FC Augsburg steuerte auf eine Niederlage der Gäste zu, nur noch ein paar Sequenzen waren zu spielen, dann würden die Berliner mit ihren Fans jubeln ob der großen Erleichterung.
Doch Michael Gregoritsch hielt sich nicht ans Drehbuch, schrieb es kurzerhand um. Trainer Markus Weinzierl hatte alle verfügbaren Offensivspieler auf das frisch verlegte Grün geschickt, darunter der Österreicher und der Finne Fredrik Jensen. Letzterer hob den Ball in Berlins Strafraum, Gregoritsch nickte ein. Alles in der siebten Minute der Nachspielzeit. Der späte 1:1-Ausgleich war nichts weniger als gerecht.
Zur Wahrheit gehört, dass die Berliner in der zweiten Spielhälfte wegen ihrer Fahrlässigkeit kein zweites Tor erzielten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Augsburger in keiner Phase des Spiels nachließen und sich diesen Punkt, der sich wie ein Sieg anfühlte, redlich verdient hatten. Weinzierl gestand, dass das Ergebnis aufgrund der fortgeschrittenen Spielzeit glücklich zustande gekommen sei. Schob aber sogleich hinterher: „Aber wir haben Nehmerqualitäten gezeigt und immer daran geglaubt.“
Den Augsburgern waren etliche Schläge verpasst worden, doch zu Boden gingen sie nicht. Schon vor dem Spiel hatte Weinzierl mit personellen Problemen zu kämpfen. Dass Reece Oxford wegen einer Muskelverletzung ausfallen würde, hatte er am Donnerstag erklärt. Am Freitagabend brach der zweite Innenverteidiger weg. Jeffrey Gouweleeuw hat einen positiven CoronaFall im direkten familiären Umfeld. Weil ein Schnelltest nicht negativ war und das Ergebnis des PCRTests erst am Wochenende erfolgen würde, reiste der Kapitän ab und begab sich in Isolation. Am Sonntagabend schließlich lag das Ergebnis vor: positiv. Gouweleeuw fällt somit zumindest für die kommende Partie gegen Bochum aus.
Weinzierl stand in Berlin mit Frederik Winther, der ein ordentliches Bundesliga-Debüt gab, noch ein nomineller Innenverteidiger zur Verfügung. Neben ihm agierte der gelernte Außenverteidiger Robert Gumny. Diesem unterlief der folgenschwere Fehler zum 0:1 (40.). Nach einem Rückpass handelte er zögerlich, statt zu klären, legte er Marco Richter den Ball zum Treffer auf. Der ehemalige Augsburger verkniff sich jeglichen Jubel, schickte lediglich ein symbolisiertes Herzchen gen Tribüne.
Die Augsburger reagierten geradezu trotzig auf Rückstand und Widrigkeiten. „Nach dem unglücklichen Gegentor haben wir gesagt, dass wir dies gemeinsam wieder ausbügeln. Das spricht für unsere Mannschaft und die Moral“, sagte etwa Angreifer André Hahn.
Weinzierl griff unterstützend ein, indem er offensiv wechselte. Am Ende sollten die Statistiker 20 Torschüsse notieren, selbst der FCACoach staunte ob dieser Zahl. Der Wille, die Leidenschaft und der Einsatz, den seine Mannschaft gezeigt hatte, beeindruckten ihn. „Ich weiß, dass meine Jungs einen guten Charakter haben. Manchmal bringt man nicht die beste Leistung auf den Platz, aber sie haben sich bis zur letzten Sekunde gewehrt.“
Wie bedeutsam der späte Ausgleich war, offenbart der Blick aufs Klassement. Weil Stuttgart und Bochum siegten, büßte der FCA trotz des Unentschiedens einen Tabellenplatz ein. Vor dem Heimspiel gegen den VfL Bochum (Sa., 15.30 Uhr/ Sky) rangiert er mit 13 Punkten auf dem Relegationsplatz. Wie herausfordernd dieses Heimspiel werden wird – weiterhin dürften etliche Innenverteidiger fehlen –, war Sportchef Reuter bewusst: „Wir haben genug Probleme, brauchen aber in diesem Spiel eine top Leistung.“Hertha Schwolow – Pekarik, N. Stark, To‐ runarigha, Plattenhardt – Ascacibar, Serdar – Marco Richter (79. Zeefuik), Ekkelen‐ kamp (67. Jovetic), Mittelstädt (73. Jastrzembski) – Belfodil (73. Selke)
FCA Gikiewicz – Caligiuri (84. Framber‐ ger), Gumny, Winther, Iago – A. Maier (77. Niederlechner), Dorsch – Vargas (67. Cor‐ dova), A. Hahn, Pedersen (67. F. Jensen) – Zeqiri (77. Gregoritsch) Tore 1:0 Marco Richter (40.), 1:1 Gregoritsch (90.+7) Schiedsrichter Frank Willenborg (Osna‐ brück) Zuschauer 14 523 wahrscheinlich sein, müssen die Fans ja auch irgendwie ins Stadion kommen. Soweit bekannt, hat Omikron keine Abneigung gegen den öffentlichen Nahverkehr.
Der 1. FC Köln argumentiert, dass er keine Vorgaben gebrochen hat. Die Fans können für sich in Anspruch nehmen, dass ihnen mit Impfung und Test doch bitte das öffentliche Leben nicht verboten werden kann. Das aber ist eine der Lehren, die während der Pandemie nochmals überdeutlich wurden: Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch sinnvoll.
Die wenigsten vernunftbegabten Menschen dürften es derzeit für vernünftig halten, Fußballarenen komplett zu füllen. Fußball aber ist auch deswegen ein so faszinierender Sport, weil niemals die Vernunft so schön in den Hintergrund rückt. Weil Hingabe und Wut, Euphorie und Trauer den Platz der Ratio einnehmen. Das ist fantastisch – leider auch für ein Virus.