Neu-Ulmer Zeitung

Lesehilfe auf vier Pfoten

- VON QUIRIN HÖNIG

Bildung Eine „hundegestü­tzte Leseförder­ung“gibt es nun in Neu-Ulm: Julia Schmid von der Stadtbüche­rei vermittelt Neu-Ulmer Grundschül­erinnen und -schülern die Freude am Lesen – gemeinsam mit der Hündin Anuk

Neu‐Ulm Für Schülerinn­en und Schüler, die gerade erst lernen, die Buchstaben zu entziffern, kann das Vorlesen vor der Klasse eine Tortur sein. Besonders, wenn sie sowieso schon nicht gerne vor anderen sprechen. Doch auf diese Kinder wartet nun in der Stadtbüche­rei Neu-Ulm eine Zuhörerin, die weder über sie noch über ihren Lesestil urteilt, die zweijährig­e Canilo-Hündin Anuk. Ihre Besitzerin, Kinderbibl­iothekarin Julia Schmid, will mit dem Leseförder­angebot „Leseschnüf­fler“den Neu-Ulmer Grundschül­erinnen und Grundschül­ern Freude am Lesen vermitteln – und die Angst vorm Vorlesen nehmen.

Mit dem Beginn des aktuellen Schuljahre­s hat Anuk ihren Dienst als Büchereihü­ndin in der Stadtbüche­rei Neu-Ulm angetreten. Schülerinn­en und Schüler, die Probleme mit dem Lesen haben, können über ihre Schulen bis zu fünf halbstündi­ge Sitzungen innerhalb von fünf Wochen buchen. In einem eigens dafür vorgesehen­en Raum unterstütz­en Anuk und Schmid die Kinder bei der Verbesseru­ng ihrer Lesefertig­keiten.

Dazu gibt es verschiede­ne Bücher, je nachdem wie weit die Lesefähigk­eit des Kindes fortgeschr­itten ist. Die Bücher sind dabei nicht sehr lang, „sodass es das Kind innerhalb dieser halben Stunde schaffen kann“, sagt Schmid. Im Anschluss an die Leseeinhei­t gibt es verschiede­ne Spiele oder Übungen gemeinsam mit Anuk, die etwa das Textverstä­ndnis abfragen oder zu einer besseren Artikulati­on und einem stärkeren Selbstbewu­sstsein führen sollen. „Es stärkt das Selbstvert­rauen, dass das Kind dem Hund etwas sagt und der Hund es dann macht“, erklärt Schmid.

Bei einer Übung liest das Kind beispielsw­eise zuerst ein Tagebuch, in dem steht, was Anuk in einer Woche erlebt hat, dann würfelt die Hündin mit einem großen Würfel, auf dem Fragen dazu stehen. Diese Fragen sollen die Kinder dann beantworte­n.

Die Sitzungen finden derzeit immer Dienstag- oder Donnerstag­nachmittag statt, außer in den

Schulferie­n. Wie viele an diesem Programm teilnehmen? „Es sind jetzt vier Kinder pro Woche“, erzählt Schmid. Man dürfe Anuk nicht überforder­n, außerdem habe sie noch andere Aufgaben in der Bücherei.

Nach einer Pilotphase, an der zunächst nur Mädchen und Jungen der Grundschul­e Burlafinge­n Vorlesestu­nden mit Anuk buchen konnten, ist das Angebot „Leseschnüf­fler“inzwischen auch für die Schülerinn­en und Schüler aller Grundschul­en in Neu-Ulm zugänglich. Dabei sollen Lehrerinne­n und Lehrer entscheide­n, welche ihrer Schützling­e am meisten von einer hundegestü­tzte Leseförder­ung profitiere­n können.

Um Anuk und sich selbst auf die

Aufgabe vorzuberei­ten, absolviert­e Schmid mit der Hündin die Ausbildung zum Schulhund-Team. „Es waren etwa 90 Unterricht­sstunden, die wir gemeinsam hatten“, erzählt die Kinderbibl­iothekarin. „Ich habe dabei zu verstehen gelernt, wie ein Hund lernt. Wenn ich eine Übung machen möchte – wie lernt mein Hund das überhaupt?“Auch das Ausdrucksv­erhalten eines Hundes sei ein wichtiger Punkt in der Ausbildung gewesen. „Gerade wenn man mit Kindern arbeitet, kommt es auch dazu, dass der Hund einmal etwas nicht mag.“

Viele Aspekte der Ausbildung bereiteten auch auf den Hundeeinsa­tz im Schulunter­richt vor. „Wenn ein Schulhund in der Schule eingesetzt wird, muss er problemlos auf seine

Decke geschickt werden können“, sagt Schmid, denn der Lehrer könne sich nicht pausenlos um das Tier kümmern. Es wurden dabei auch Übungen vermittelt, bei denen der Hund in den Unterricht mit eingebunde­n werden kann.

In den Lesestunde­n ist Anuk keine Ablenkung, sondern eine wichtige Motivation zum Lesen. „Die Kinder freuen sich in erster Linie auf Anuk“, sagt Schmid. Dadurch hätten sie einen Grund, sich auf das Treffen zu freuen, auch wenn sie nicht so gerne lesen. Eine Mutter habe Schmid bei einem Vorgespräc­h erzählt, dass ihr Sohn nur durch die Vorfreude auf das Treffen mit dem Lesen begonnen habe, damit er „Anuk auch gut vorlesen kann“.

Auch von einer Lehrerin hat

Schmid bereits eine positive Rückmeldun­g erhalten. Das Kind sei erst zweimal bei der hundegestü­tzten Leseförder­ung gewesen, mache aber schon mehr im Unterricht mit und lese öfters vor. „Wie die Kinder dann lesen und vorlesen, das entwickelt und zeigt sich auch nachher in der Schule“, sagt Schmid. „Wichtig ist erst einmal, dass sie überhaupt gerne lesen.“

Info: Lehrerinne­n und Lehrer, die sich für das Angebot interessie­ren, weitere Informatio­nen wünschen oder Schülerin‐ nen und Schüler für das Leseschnüf­fler‐ Angebot anmelden möchten, können sich an das Team der Stadtbüche­rei wen‐ den. Es ist erreichbar unter Telefon 0731/7050‐2350 oder per E‐Mail an stadtbuech­erei@neu‐ulm.de.

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Foto: Horst Hörger Die siebenjähr­ige Olive Sacco liest Bibliothek­shündin Anuk und Kinderbibl­iothekarin Julia Schmid vor.

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