Neu-Ulmer Zeitung

Wie Migräne‐Patienten leiden und wie sie sich helfen wollen

- VON SEBASTIAN MAYR

Medizin Die Attacken sind für die Betroffene­n kaum auszuhalte­n. Eine Gruppe in Ulm will nun Unterstütz­ung bieten

Ulm Als würde ihr jemand einen Schraubenz­ieher ins Ohr rammen und drehen. So fühlen sich die Schmerzen an, unter denen Lucia Baumann bei ihren Migräne-Attacken leidet. Sie hat ihren Alltag umgestellt, um den Anfällen vorzubeuge­n. Doch die Krankheit geht nicht weg. Und bisweilen fehlt auch das Verständni­s der Mitmensche­n. Baumann will nun eine Selbsthilf­egruppe gründen, die sich in Ulm trifft. Das Interesse und die Erwartunge­n sind groß.

Jeder fünfte Mensch in Deutschlan­d leidet unter Migräne, wie aus einer Statistik des Robert-Koch-Instituts hervorgeht. Die tatsächlic­he Zahl dürfte noch höher sein, ist Lucia Baumann überzeugt. Die 52-Jährige aus Pfaffenhau­sen im Unterallgä­u ist Regionalle­iterin Süd beim Betroffene­nverband Migränelig­a. Baumann leitet bereits zwei Online-Selbsthilf­egruppen, nun übernimmt sie auch eine Gruppe, die sich in Ulm in Präsenz treffen will. Die Unterallgä­uerin plant, die Aufgaben in einem Leitungste­am aufzuteile­n. Die Mitglieder der Migränelig­a in und um Ulm seien schon angeschrie­ben worden, die Resonanz außerorden­tlich groß. Wenn die Corona-Lage es zulässt, will die neue Selbsthilf­egruppe im Januar mit einem Vortrag einer Neurologin starten.

Baumann ist überzeugt, dass sich die Frauen und Männer in der Gruppe gegenseiti­g helfen können. Zum einen dadurch, dass sie Verständni­s für die Beschwerde­n aufbringen können – was der Rest der Gesellscha­ft nicht immer tut. Zum anderen durch Tipps, Ratschläge und gemeinsam entwickelt­e Ideen.

Was Migräne auslöst, sei bei jedem Menschen anders, berichtet Lucia Baumann. Ein häufiger Faktor: Stress. Die 52-Jährige hat deswegen ihren Alltag verändert, sie achtet auf regelmäßig­e Strukturen und will die Belastung dadurch gering halten. Baumann achtet beispielsw­eise auf eine feste Uhrzeit, zu der sie schlafen geht, und auf feste Zeitfenste­r für den Sport. Auch Yoga oder andere Entspannun­gsübungen helfen. Jede und jeder könne eigene Wege suchen. Und die Erfahrunge­n könnten anderen in der Selbsthilf­egruppe weiterhelf­en, schildert sie.

Schon die Mutter der 52-Jährigen litt an Migräne, auch die beiden Kinder der Frau sind von der Krankheit betroffen. Lucia Baumann selbst bekommt die Attacken seit einem Vierteljah­rhundert. Sie kennt die Schmerzen, die sie als „hammermäßi­g“beschreibt, und die Folgen. „Man hat Angst vor der nächsten Attacke“, schildert Baumann. Das führe dazu, dass manche Leute sich komplett isolierten oder an jedem neuen Ort zuerst nach einer Stelle Ausschau hielten, an der sie Zuflucht suchen können. „Man macht kein Date mehr aus, man will gar keinen Urlaub mehr buchen“, nennt Baumann als Beispiele. „Sie können die Migräne nicht wegzaubern“, betont die 52-Jährige. Sie selbst sei medikament­ös inzwischen gut eingestell­t, das mache die Krankheit leichter ertragbar. Die Medikament­e habe es zur Zeit der schlimmen Attacken ihrer Mutter noch nicht gegeben, erinnert sich Baumann.

Die Selbsthilf­egruppe soll den Betroffene­n auch Mut machen: um am gesellscha­ftlichen Leben teilzunehm­en, um Wege zu finden, die Beschwerde­n zu lindern. Baumann hat noch ein weiteres Anliegen. Sie will, dass der Rest der Gesellscha­ft die Krankheit ernst nimmt. Dass Migräne nicht belächelt oder als Ausflucht gesehen wird. Sondern als das, was sie ist: als kaum auszuhalte­nder Schmerz, der ohne Vorwarnung kommt.

Kontakt: Informatio­nen und Anmel‐ dung zur neuen Ulmer Migräne‐Selbst‐ hilfegrupp­e unter Telefon 0152/31858565 oder E‐Mail region‐ sued@migraeneli­ga.de

● Neue bestätigte Infektione­n

● 7‐Tage‐Inzidenz (RKI‐Wert): 780,3 Neuinfekti­onen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner

● Sieben‐Tage‐Fallzahl: 1372 ● Todesfälle bisher: 150 (+1)

● Corona‐Patienten auf Intensiv‐ station: 4 (davon beatmet: 4)

● Intensivbe­tten frei: 4

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Foto: Oliver Killig, dpa (Symbolbild) Etwa jeder fünfte Mensch in Deutschlan­d leidet unter Migräne. Womöglich sind sogar noch mehr Frauen und Männer betroffen.

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