Wie Migräne‐Patienten leiden und wie sie sich helfen wollen
Medizin Die Attacken sind für die Betroffenen kaum auszuhalten. Eine Gruppe in Ulm will nun Unterstützung bieten
Ulm Als würde ihr jemand einen Schraubenzieher ins Ohr rammen und drehen. So fühlen sich die Schmerzen an, unter denen Lucia Baumann bei ihren Migräne-Attacken leidet. Sie hat ihren Alltag umgestellt, um den Anfällen vorzubeugen. Doch die Krankheit geht nicht weg. Und bisweilen fehlt auch das Verständnis der Mitmenschen. Baumann will nun eine Selbsthilfegruppe gründen, die sich in Ulm trifft. Das Interesse und die Erwartungen sind groß.
Jeder fünfte Mensch in Deutschland leidet unter Migräne, wie aus einer Statistik des Robert-Koch-Instituts hervorgeht. Die tatsächliche Zahl dürfte noch höher sein, ist Lucia Baumann überzeugt. Die 52-Jährige aus Pfaffenhausen im Unterallgäu ist Regionalleiterin Süd beim Betroffenenverband Migräneliga. Baumann leitet bereits zwei Online-Selbsthilfegruppen, nun übernimmt sie auch eine Gruppe, die sich in Ulm in Präsenz treffen will. Die Unterallgäuerin plant, die Aufgaben in einem Leitungsteam aufzuteilen. Die Mitglieder der Migräneliga in und um Ulm seien schon angeschrieben worden, die Resonanz außerordentlich groß. Wenn die Corona-Lage es zulässt, will die neue Selbsthilfegruppe im Januar mit einem Vortrag einer Neurologin starten.
Baumann ist überzeugt, dass sich die Frauen und Männer in der Gruppe gegenseitig helfen können. Zum einen dadurch, dass sie Verständnis für die Beschwerden aufbringen können – was der Rest der Gesellschaft nicht immer tut. Zum anderen durch Tipps, Ratschläge und gemeinsam entwickelte Ideen.
Was Migräne auslöst, sei bei jedem Menschen anders, berichtet Lucia Baumann. Ein häufiger Faktor: Stress. Die 52-Jährige hat deswegen ihren Alltag verändert, sie achtet auf regelmäßige Strukturen und will die Belastung dadurch gering halten. Baumann achtet beispielsweise auf eine feste Uhrzeit, zu der sie schlafen geht, und auf feste Zeitfenster für den Sport. Auch Yoga oder andere Entspannungsübungen helfen. Jede und jeder könne eigene Wege suchen. Und die Erfahrungen könnten anderen in der Selbsthilfegruppe weiterhelfen, schildert sie.
Schon die Mutter der 52-Jährigen litt an Migräne, auch die beiden Kinder der Frau sind von der Krankheit betroffen. Lucia Baumann selbst bekommt die Attacken seit einem Vierteljahrhundert. Sie kennt die Schmerzen, die sie als „hammermäßig“beschreibt, und die Folgen. „Man hat Angst vor der nächsten Attacke“, schildert Baumann. Das führe dazu, dass manche Leute sich komplett isolierten oder an jedem neuen Ort zuerst nach einer Stelle Ausschau hielten, an der sie Zuflucht suchen können. „Man macht kein Date mehr aus, man will gar keinen Urlaub mehr buchen“, nennt Baumann als Beispiele. „Sie können die Migräne nicht wegzaubern“, betont die 52-Jährige. Sie selbst sei medikamentös inzwischen gut eingestellt, das mache die Krankheit leichter ertragbar. Die Medikamente habe es zur Zeit der schlimmen Attacken ihrer Mutter noch nicht gegeben, erinnert sich Baumann.
Die Selbsthilfegruppe soll den Betroffenen auch Mut machen: um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, um Wege zu finden, die Beschwerden zu lindern. Baumann hat noch ein weiteres Anliegen. Sie will, dass der Rest der Gesellschaft die Krankheit ernst nimmt. Dass Migräne nicht belächelt oder als Ausflucht gesehen wird. Sondern als das, was sie ist: als kaum auszuhaltender Schmerz, der ohne Vorwarnung kommt.
Kontakt: Informationen und Anmel‐ dung zur neuen Ulmer Migräne‐Selbst‐ hilfegruppe unter Telefon 0152/31858565 oder E‐Mail region‐ sued@migraeneliga.de
● Neue bestätigte Infektionen
● 7‐Tage‐Inzidenz (RKI‐Wert): 780,3 Neuinfektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner
● Sieben‐Tage‐Fallzahl: 1372 ● Todesfälle bisher: 150 (+1)
● Corona‐Patienten auf Intensiv‐ station: 4 (davon beatmet: 4)
● Intensivbetten frei: 4