Lebensretter erzählen von Einsatz
Engagement Mehrere Zufälle führen drei Ulmer Soldaten zur richtigen Zeit an den richtigen Ort. Sie ziehen einen Mann bei Elchingen aus der Donau und werden nun dafür geehrt
Elchingen Wäre Elchingen nicht so schön, dann würde ein Mann heute nicht mehr leben. Und hätten eine Soldatin und zwei Soldaten am 24. September 2020 nur ein paar Hundert Meter weiter flussaufwärts geparkt, dann wäre der Mann in der Donau ertrunken. Bei einem Leistungsmarsch wurde das Trio auf Höhe des Schützensees auf den Verunglückten aufmerksam und rettete ihn vor dem Ertrinken. Einer der Soldaten sagt heute: „Dass das so zackzack ging, hat schon mit der Bundeswehr zu tun.“
Wer in den Streitkräften dient, muss regelmäßig bestimmte Leistungen nachweisen. Etwa einen Marsch – sechs Kilometer lang mit 15 Kilo Gepäck und in unter einer Stunde. Dazu waren sich Stabsunteroffizier Christina Pätzold, Stabsunteroffizier Jona Alexander und Oberstleutnant Christian Hollerieth aus dem in der Ulmer Wilhelmsburgkaserne stationierten Multinationalen Kommando Operative Führung an jenem Donnerstag im September ans Elchinger Donauufer gefahren. Hollerieth lebt in Oberelchingen. Er wollte den Marsch dort unter blauem Himmel in der schönen Landschaft ableisten, weil es ihm an der Donau und rund um die Seen in Elchingen so gut gefällt. „Wir wollten drei Kilometer in die eine Richtung marschieren und dann umkehren“, erzählt er heute. Kurz bevor die drei Kilometer erreicht waren, bemerkte das Bundeswehr-Trio Rufe und Pfiffe vom anderen Ufer. Er habe bunte Kleidung gesehen, berichtet Alexander. „Wir haben erst gedacht, da sind Kinder.“Dann aber vernahmen die drei Hilferufe – die sie wohl nicht mehr gehört hätten, wenn sie schon umgekehrt wären. Vom anderen Ufer machte ein Angler die Soldaten und die Soldatin darauf aufmerksam, dass da ein Mensch im Wasser sei.
Stabsunteroffizier Alexander dient kürzer bei der Bundeswehr als Pätzold und Hollerieth. Dass die Kameradin und der Kamerad sekundenschnell reagierten, führt er auf deren Arbeit und Erfahrungen beim Militär zurück. Hollerieth erzählt: „Ich habe meine Jacke ausgezogen, bin ins Wasser gegangen und habe noch gedacht, wie soll ich denn den finden?“Der Oberstleutnant nahm erst an, dass der Verunglückte untergegangen war. Doch dann bemerkte er den Mann, der sich an einem Ast am dicht bewachsenen Ufer festklammerte.
Dicht am Ufer ist die Donau noch flach, auch weniger große Menschen wie der hochgewachsene Offizier können dort stehen. Hollerieth hielt den Mann fest, damit der nicht weggetrieben wurde.
Christina Pätzold stieg ebenfalls ins Wasser und stützte den Kopf des Mannes. Jona Alexander blieb am Ufer und gab einen Notruf ab – mithilfe der nächstgelegenen Tafel, die die Flusskilometer angibt. Der ältere Mann im Wasser, so berichten es die Soldaten, habe kaum verständliche Sätze gesagt.
Die Rettungskräfte kamen – aber zunächst ans falsche Donauufer. Nur ein einzelner ortskundiger Feuerwehrmann, der zufällig sein Funkgerät im Auto dabei hatte, war nach etwa einer Viertelstunde am Unglücksort. Zu viert hievten die Retter den Verunglückten an Land. Aus zwei Decken improvisierten sie eine Trage, um ihn schonend ans Ufer befördern zu können und ihn nicht über die Böschung ziehen zu müssen. Wäre der Feuerwehrmann etwas später gekommen, dann hätten sie wohl zu diesem Schritt gegriffen, sagt Hollerieth heute: „Viel länger hätte er im kalten Wasser nicht ausgehalten, er wäre unterkühlt.“Mit einer Rettungsdecke wickelten die Helfer und die Helferin den völlig durchnässten Mann ein. Noch einmal rund 20 Minuten später traf ein Großaufgebot von Rettungskräften ein: Feuerwehr, Rettungsdienst, Wasserwacht, Polizei.
Ein Krankenwagen brachte den Verunglückten in eine Klinik, heute lebt der Mann in einer Pflegeeinrichtung. Ein Angehöriger meldete sich mit einem Dank bei den Lebensrettern und der Lebensretterin. Die wurden auf Betreiben des Landratsamts Neu-Ulm ins Antiquarium eingeladen, den ältesten erhaltenen Raum der Münchner Residenz. In dem Renaissancesaal zeichnete Ministerpräsident Markus Söder Pätzold, Alexander und Hollerieth mit der Christophorus-Medaille aus. Sie wird verliehen, wenn besonders schwierige Umstände bei der Rettungstat vorlagen. „Das war schon etwas Besonderes“, sagt Jona Alexander über die Veranstaltung. Den Leistungsmarsch holten Pätzold, Hollerieth und Alexander später nach – unabhängig voneinander. Aber zumindest Hollerieth war abermals am Elchinger Donauufer unterwegs.
Rettungskräfte zunächst am falschen Donauufer