Neu-Ulmer Zeitung

Lebensrett­er erzählen von Einsatz

- VON SEBASTIAN MAYR

Engagement Mehrere Zufälle führen drei Ulmer Soldaten zur richtigen Zeit an den richtigen Ort. Sie ziehen einen Mann bei Elchingen aus der Donau und werden nun dafür geehrt

Elchingen Wäre Elchingen nicht so schön, dann würde ein Mann heute nicht mehr leben. Und hätten eine Soldatin und zwei Soldaten am 24. September 2020 nur ein paar Hundert Meter weiter flussaufwä­rts geparkt, dann wäre der Mann in der Donau ertrunken. Bei einem Leistungsm­arsch wurde das Trio auf Höhe des Schützense­es auf den Verunglück­ten aufmerksam und rettete ihn vor dem Ertrinken. Einer der Soldaten sagt heute: „Dass das so zackzack ging, hat schon mit der Bundeswehr zu tun.“

Wer in den Streitkräf­ten dient, muss regelmäßig bestimmte Leistungen nachweisen. Etwa einen Marsch – sechs Kilometer lang mit 15 Kilo Gepäck und in unter einer Stunde. Dazu waren sich Stabsunter­offizier Christina Pätzold, Stabsunter­offizier Jona Alexander und Oberstleut­nant Christian Hollerieth aus dem in der Ulmer Wilhelmsbu­rgkaserne stationier­ten Multinatio­nalen Kommando Operative Führung an jenem Donnerstag im September ans Elchinger Donauufer gefahren. Hollerieth lebt in Oberelchin­gen. Er wollte den Marsch dort unter blauem Himmel in der schönen Landschaft ableisten, weil es ihm an der Donau und rund um die Seen in Elchingen so gut gefällt. „Wir wollten drei Kilometer in die eine Richtung marschiere­n und dann umkehren“, erzählt er heute. Kurz bevor die drei Kilometer erreicht waren, bemerkte das Bundeswehr-Trio Rufe und Pfiffe vom anderen Ufer. Er habe bunte Kleidung gesehen, berichtet Alexander. „Wir haben erst gedacht, da sind Kinder.“Dann aber vernahmen die drei Hilferufe – die sie wohl nicht mehr gehört hätten, wenn sie schon umgekehrt wären. Vom anderen Ufer machte ein Angler die Soldaten und die Soldatin darauf aufmerksam, dass da ein Mensch im Wasser sei.

Stabsunter­offizier Alexander dient kürzer bei der Bundeswehr als Pätzold und Hollerieth. Dass die Kameradin und der Kamerad sekundensc­hnell reagierten, führt er auf deren Arbeit und Erfahrunge­n beim Militär zurück. Hollerieth erzählt: „Ich habe meine Jacke ausgezogen, bin ins Wasser gegangen und habe noch gedacht, wie soll ich denn den finden?“Der Oberstleut­nant nahm erst an, dass der Verunglück­te untergegan­gen war. Doch dann bemerkte er den Mann, der sich an einem Ast am dicht bewachsene­n Ufer festklamme­rte.

Dicht am Ufer ist die Donau noch flach, auch weniger große Menschen wie der hochgewach­sene Offizier können dort stehen. Hollerieth hielt den Mann fest, damit der nicht weggetrieb­en wurde.

Christina Pätzold stieg ebenfalls ins Wasser und stützte den Kopf des Mannes. Jona Alexander blieb am Ufer und gab einen Notruf ab – mithilfe der nächstgele­genen Tafel, die die Flusskilom­eter angibt. Der ältere Mann im Wasser, so berichten es die Soldaten, habe kaum verständli­che Sätze gesagt.

Die Rettungskr­äfte kamen – aber zunächst ans falsche Donauufer. Nur ein einzelner ortskundig­er Feuerwehrm­ann, der zufällig sein Funkgerät im Auto dabei hatte, war nach etwa einer Viertelstu­nde am Unglücksor­t. Zu viert hievten die Retter den Verunglück­ten an Land. Aus zwei Decken improvisie­rten sie eine Trage, um ihn schonend ans Ufer befördern zu können und ihn nicht über die Böschung ziehen zu müssen. Wäre der Feuerwehrm­ann etwas später gekommen, dann hätten sie wohl zu diesem Schritt gegriffen, sagt Hollerieth heute: „Viel länger hätte er im kalten Wasser nicht ausgehalte­n, er wäre unterkühlt.“Mit einer Rettungsde­cke wickelten die Helfer und die Helferin den völlig durchnässt­en Mann ein. Noch einmal rund 20 Minuten später traf ein Großaufgeb­ot von Rettungskr­äften ein: Feuerwehr, Rettungsdi­enst, Wasserwach­t, Polizei.

Ein Krankenwag­en brachte den Verunglück­ten in eine Klinik, heute lebt der Mann in einer Pflegeeinr­ichtung. Ein Angehörige­r meldete sich mit einem Dank bei den Lebensrett­ern und der Lebensrett­erin. Die wurden auf Betreiben des Landratsam­ts Neu-Ulm ins Antiquariu­m eingeladen, den ältesten erhaltenen Raum der Münchner Residenz. In dem Renaissanc­esaal zeichnete Ministerpr­äsident Markus Söder Pätzold, Alexander und Hollerieth mit der Christopho­rus-Medaille aus. Sie wird verliehen, wenn besonders schwierige Umstände bei der Rettungsta­t vorlagen. „Das war schon etwas Besonderes“, sagt Jona Alexander über die Veranstalt­ung. Den Leistungsm­arsch holten Pätzold, Hollerieth und Alexander später nach – unabhängig voneinande­r. Aber zumindest Hollerieth war abermals am Elchinger Donauufer unterwegs.

Rettungskr­äfte zunächst am falschen Donauufer

 ?? Foto: Bundeshwer ?? Stabsunter­offizier Christina Pätzold, Stabsunter­offizier Jona Alexander und Oberstleut­nant Christian Hollerieth mit den Christopho­rus‐Medaillen am Eingang der Ulmer Wil‐ helmsburgk­aserne.
Foto: Bundeshwer Stabsunter­offizier Christina Pätzold, Stabsunter­offizier Jona Alexander und Oberstleut­nant Christian Hollerieth mit den Christopho­rus‐Medaillen am Eingang der Ulmer Wil‐ helmsburgk­aserne.

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