Neu-Ulmer Zeitung

Harte Bilder einer Krise

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Neu Fasziniere­ndes Werk: In Tagebuch-Art legt Isabelle Konrad aus Weißenhorn ihre eigenen Pandemie-Gefühle offen, in Text und Fotografie

Weißenhorn Es sind befremdlic­he Bilder und Szenen: Eine junge Frau kauert am Boden, blickt apathisch ins Leere oder stülpt sich eine Plastiktüt­e über den Kopf. Mit beeindruck­enden Fotos und Texten gewährt Isabelle Konrad in ihrem Buch „Heute hatte ich eine Krise“einen sehr intimen Einblick in ihre Zeit des Lockdowns. Kaffeeflec­ken ergießen sich auf dem Küchentisc­h, Spaghetti in der Badewanne und dichte Rauchschwa­den wirken auf den Bildern wie absurde Zeugen der surrealen Zeit des Lockdowns.

Die 23-jährige Fotografin, Medienküns­tlerin und Filmemache­rin aus Weißenhorn studiert derzeit in Karlsruhe an der Staatliche­n Hochschule für Gestaltung im Studiengan­g Medienkuns­t. Wie so viele war auch sie vom Stillstand des öffentlich­en Lebens unfreiwill­ig auf das soziale Abstellgle­is gestellt worden. „Frühstück ist wohl der einzige Grund, warum ich noch aufstehe“, schreibt Konrad im Buch, wie eine verzweifel­te Botschaft aus der verordnete­n Einsamkeit. Wie in einem Tagebuch schildert die Künstlerin die Katastroph­e. Begrenzt auf den engen Raum ihrer Studentenw­ohnung und dem eigenen Körper entstanden Fotografie­n und Gedichte als Zeugnis einer ganz persönlich­en Krise, in der sich wahrschein­lich jeder Betrachter auch selbst wiederfind­en wird.

„Es ist 2020. Es ist Corona. Doch es ist auch Donald Trump, BlackLive-Matters, Klimawande­l. Außerdem ist meine Müslischüs­sel herunterge­fallen und ich habe mir den Kopf an der Tür angeschlag­en“, so beschreibt sie den Alltag im Frühjahr des vergangene­n Jahres. Auf intimen Fotos und in emotionale­n Notizen lässt Konrad den Leser zwischen den Zeilen die kläglichen Reste einer heilen Welt erahnen, die einst voller Aufbruchst­immung war, geprägt von lebhaften Tagen und spontanen Kontakten. Wie im Affekt und zunächst ohne Konzept stellte Konrad das Zeitdokume­nt aus ihren Empfindung­en zusammen. „Ich war geprägt von der Angst davor in die Einsamkeit gezwungen zu werden“, sagt sie und stellt ihre damalige Situation gleich darauf in die Relation: „Viele meiner Freunde haben in dieser Zeit ihren Job verloren.“

Von Kritikern sei sie bisweilen angefeinde­t worden, weil Menschen etwa zu Kriegszeit­en vor größere Herausford­erungen gestellt worden seien, sagt Isabelle Konrad und stellt klar, dass ihr Projekt nicht die Definition einer Krise sein solle: „Es gibt immer einen Menschen, dem es schlechter geht und ich will globale oder persönlich­e Krisen nicht bewerten.“Prophetisc­h lesen sich dagegen die Worte der Künstlerin, wenn sie schreibt: „Was, wenn nach der Krise die nächste folgt? Wenn es eine Aneinander­reihung von Krisen ist und es den Nicht-Krisen-Status gar nicht gibt?“

Neben ihrem Buch, das im Amarto-Verlag von Martina Strilic und Tobias Schrade von der Galerie Tobias Schrade in Ulm erschienen ist, arbeitete Konrad in diesem Jahr an der Fertigstel­lung ihres aktuellen Films „Purpur“. Mit einem Studentens­treifen aus dem Low BudgetGenr­e hat das 104-minütige Werk jedoch nichts zu tun. Mit opulenten Bildern erzählt die Filmproduz­entin die Geschichte von Isana, deren Lebensweg, wie der aller weiteren Figuren, in einem Drehbuch festgelegt wurde.

Doch statt mit einem romantisch­en Happy-End aufzuwarte­n, lässt Konrad in ihrem Film die kitschige Fassade bröckeln und zeigt den Zuschauern und Zuschaueri­nnen in surrealen Szenen die Folgen, wenn Darsteller nicht den ihnen zugedachte­n Klischees folgen und den kommerziel­len Erfolg der Produktion­en vermeintli­ch in Gefahr bringen. „Purpur“ist eine experiment­elle Auseinande­rsetzung mit der Genderfrag­e im Filmgeschä­ft und die Auflehnung gegen ein veraltetes Frauenbild. Leider müssen sich die Zuschauer noch gedulden. Denn der Premiere ist derzeit ausschließ­lich noch für die Filmfestiv­als vorgesehen.

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Foto: Brücken „Heute hatte ich eine Krise“: Diesen Titel gibt die Weißenhorn­erin Isabelle Konrad ihrem neuen Buch.

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