Harte Bilder einer Krise
Neu Faszinierendes Werk: In Tagebuch-Art legt Isabelle Konrad aus Weißenhorn ihre eigenen Pandemie-Gefühle offen, in Text und Fotografie
Weißenhorn Es sind befremdliche Bilder und Szenen: Eine junge Frau kauert am Boden, blickt apathisch ins Leere oder stülpt sich eine Plastiktüte über den Kopf. Mit beeindruckenden Fotos und Texten gewährt Isabelle Konrad in ihrem Buch „Heute hatte ich eine Krise“einen sehr intimen Einblick in ihre Zeit des Lockdowns. Kaffeeflecken ergießen sich auf dem Küchentisch, Spaghetti in der Badewanne und dichte Rauchschwaden wirken auf den Bildern wie absurde Zeugen der surrealen Zeit des Lockdowns.
Die 23-jährige Fotografin, Medienkünstlerin und Filmemacherin aus Weißenhorn studiert derzeit in Karlsruhe an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung im Studiengang Medienkunst. Wie so viele war auch sie vom Stillstand des öffentlichen Lebens unfreiwillig auf das soziale Abstellgleis gestellt worden. „Frühstück ist wohl der einzige Grund, warum ich noch aufstehe“, schreibt Konrad im Buch, wie eine verzweifelte Botschaft aus der verordneten Einsamkeit. Wie in einem Tagebuch schildert die Künstlerin die Katastrophe. Begrenzt auf den engen Raum ihrer Studentenwohnung und dem eigenen Körper entstanden Fotografien und Gedichte als Zeugnis einer ganz persönlichen Krise, in der sich wahrscheinlich jeder Betrachter auch selbst wiederfinden wird.
„Es ist 2020. Es ist Corona. Doch es ist auch Donald Trump, BlackLive-Matters, Klimawandel. Außerdem ist meine Müslischüssel heruntergefallen und ich habe mir den Kopf an der Tür angeschlagen“, so beschreibt sie den Alltag im Frühjahr des vergangenen Jahres. Auf intimen Fotos und in emotionalen Notizen lässt Konrad den Leser zwischen den Zeilen die kläglichen Reste einer heilen Welt erahnen, die einst voller Aufbruchstimmung war, geprägt von lebhaften Tagen und spontanen Kontakten. Wie im Affekt und zunächst ohne Konzept stellte Konrad das Zeitdokument aus ihren Empfindungen zusammen. „Ich war geprägt von der Angst davor in die Einsamkeit gezwungen zu werden“, sagt sie und stellt ihre damalige Situation gleich darauf in die Relation: „Viele meiner Freunde haben in dieser Zeit ihren Job verloren.“
Von Kritikern sei sie bisweilen angefeindet worden, weil Menschen etwa zu Kriegszeiten vor größere Herausforderungen gestellt worden seien, sagt Isabelle Konrad und stellt klar, dass ihr Projekt nicht die Definition einer Krise sein solle: „Es gibt immer einen Menschen, dem es schlechter geht und ich will globale oder persönliche Krisen nicht bewerten.“Prophetisch lesen sich dagegen die Worte der Künstlerin, wenn sie schreibt: „Was, wenn nach der Krise die nächste folgt? Wenn es eine Aneinanderreihung von Krisen ist und es den Nicht-Krisen-Status gar nicht gibt?“
Neben ihrem Buch, das im Amarto-Verlag von Martina Strilic und Tobias Schrade von der Galerie Tobias Schrade in Ulm erschienen ist, arbeitete Konrad in diesem Jahr an der Fertigstellung ihres aktuellen Films „Purpur“. Mit einem Studentenstreifen aus dem Low BudgetGenre hat das 104-minütige Werk jedoch nichts zu tun. Mit opulenten Bildern erzählt die Filmproduzentin die Geschichte von Isana, deren Lebensweg, wie der aller weiteren Figuren, in einem Drehbuch festgelegt wurde.
Doch statt mit einem romantischen Happy-End aufzuwarten, lässt Konrad in ihrem Film die kitschige Fassade bröckeln und zeigt den Zuschauern und Zuschauerinnen in surrealen Szenen die Folgen, wenn Darsteller nicht den ihnen zugedachten Klischees folgen und den kommerziellen Erfolg der Produktionen vermeintlich in Gefahr bringen. „Purpur“ist eine experimentelle Auseinandersetzung mit der Genderfrage im Filmgeschäft und die Auflehnung gegen ein veraltetes Frauenbild. Leider müssen sich die Zuschauer noch gedulden. Denn der Premiere ist derzeit ausschließlich noch für die Filmfestivals vorgesehen.