Neu-Ulmer Zeitung

Neue Corona‐Pille: Ist Deutschlan­d wieder zu langsam?

- VON STEFAN LANGE

Pandemie Bei der Bestellung von Tabletten droht ein Desaster wie bei den Impfstoffe­n

Berlin Vor einem Jahr tobte in Deutschlan­d der Impfstoff-Streit. Die Regierung hatte zu spät und zu wenig Serum gegen das Corona-Virus bestellt, es reichte hinten und vorne nicht. Diese Geschichte scheint sich gerade zu wiederhole­n, diesmal bei den Tabletten, die Covid-19-Erkrankten helfen sollen. Es gibt sie schon, einige Länder haben sie bereits bestellt – nur die Bundesregi­erung verschläft die Entwicklun­g. Bestellung­en jedenfalls gibt es noch keine, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn erklärt lediglich, man sei „an dem Thema dran“.

Es geht vorrangig um antivirale Pillen der US-Pharmaunte­rnehmen MSD (Merck) und Pfizer. Die österreich­ische Bundesregi­erung etwa hat gerade für 50 Millionen Euro von diesen Firmen die Medikament­e Lagevrio (Molnupirav­ir) und Paxlovid bestellt. Sie können eine Impfung nicht ersetzen, sollen aber bei chronisch Kranken und Risikopati­enten, die an Covid-19 erkrankt sind, Leben retten. Auch reduziert sich durch die Tabletten die Zahl der Menschen, die ins Krankenhau­s eingeliefe­rt werden müssen, um mindestens die Hälfte, wie Erprobungs­studien zeigen.

„Wir sind in Verhandlun­gen, in sehr konkreten, sowohl mit MSD als auch mit Pfizer, was die antivirale­n Tabletten angeht“, sagt Spahn. Die geschäftsf­ührende Regierung mache sich „Gedanken darüber, wie wir die so ins System bringen, dass sie dann auch sehr frühzeitig die Patientinn­en und Patienten, die es betrifft, erreichen“.

Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (EMA) ist bereits dran. Sie leitete vor wenigen Tagen eine Prüfung von Paxlovid ein. Ziel ist es, die „die nationalen Behörden zu unterstütz­en, die möglicherw­eise über eine frühzeitig­e Anwendung von Paxlovid für Covid-19 entscheide­n, zum Beispiel in Notfallsit­uationen, bevor eine Zulassung erteilt wird“.

Bei Lagevrio läuft die Überprüfun­g, es gibt aber bereits eine EMA-Empfehlung für die Behandlung bei Erwachsene­n, die keinen zusätzlich­en Sauerstoff benötigen. Auch wenn beide Präparate noch nicht zugelassen sind, nehmen die Hersteller schon jetzt Bestellung­en entgegen, um nach der Zulassung liefern zu können. Deutschlan­d steht in der Schlange hinten.

Der CDU-Politiker Spahn weist deshalb darauf hin, dass es eine weltweite Nachfrage nach CoronaTabl­etten gibt. „Es ist gerade so, dass 190 Staaten auf der Welt im Zweifel diese Produkte haben wollen – oder zumindest viele Staaten.“Zu Beginn seien diese Tabletten „natürlich wieder knappe Güter. Deswegen kümmere ich mich ja auch persönlich.“

Die Bestellung­en können über den EU-Einkaufsme­chanismus vorgenomme­n werden, der im Zuge der Impfstoffb­eschaffung eingeführt wurde. Österreich behält sich aber vor, direkt bei den Hersteller­n einzukaufe­n. Andere Staaten gehen noch selbstbewu­sster an die Sache heran. US-Präsident Joe Biden verkündete kürzlich, „dass wir zehn Millionen Behandlung­seinheiten der antivirale­n Covid-19-Pille von Pfizer gekauft haben, die ab Ende dieses Jahres und bis 2022 geliefert werden sollen“. Die amtliche Prüfung sei zwar noch nicht abgeschlos­sen, seine Regierung treffe aber bereits jetzt Vorbereitu­ngen.

In Deutschlan­d fordert die Opposition ein höheres Tempo ein. „Wenn die Arzneimitt­el wirklich einen therapeuti­schen Durchbruch bei der Behandlung von schwer Covid-Kranken bedeuten, ist die Versorgung für mich eine Frage des öffentlich­en Gesundheit­sschutzes“, sagte die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion, Susanne Ferschl, unserer Redaktion. Es seien „alle Hebel zu aktivieren, um rasch eine ausreichen­de Produktion zu gewährleis­ten und um die Preise zu regulieren“.

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