Neu-Ulmer Zeitung

„Jeder sollte dankbar sein“

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Historiker begrüßt Entscheidu­ng für General Breuer

Berlin. Die Nachricht erregte Aufsehen: Mit Carsten Breuer soll ein General den neuen Corona-Krisenstab von Bund und Ländern leiten. Militärs sind zwar immer wieder an Krisenstäb­en beteiligt – dass sie einen solchen Stab leiten, ist eher ein Novum. Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn rät zur Gelassenhe­it.

Herr Professor Wolffsohn, in Deutschlan­d soll der Corona-Krisenstab von einem General geleitet werden. Kann ein Militär hierzuland­e so viel Rückhalt erfahren wie etwa in den USA, Portugal oder Frankreich? Oder ist eher mit Gegenwind zu rechnen? Michael Wolffsohn: Jeder sollte froh und dankbar dafür sein, dass die Soldaten sowie ihre politische und militärisc­he Führung diesen Gemeinsinn aufbringen. An diesem Vorbild sollten sich alle orientiere­n.

In Berlin hatten die Behörden schon Probleme, sich von einfachen Soldatinne­n und Soldaten im Corona-Kampf helfen zu lassen. Waren das Ihrer Einschätzu­ng nach verfassung­srechtlich­e Bedenken – die deutsche Armee soll sich im Innern ja eher raushalten – oder gesellscha­ftliche Vorbehalte, die auch in der deutschen Geschichte fußen? Wolffsohn: Über die deutsche Geschichte wird meist mehr geredet als gewusst. Bei Noteinsätz­en der helfenden Art – und das ist einer – bestehen keine verfassung­srechtlich­en Probleme. Und wenn schon die Geschichte bemüht wird, ist der Unterschie­d zum Dritten Reich fundamenta­l. Die Wehrmacht war der verlängert­e Arm der NS-Massenmörd­erdiktatur, die Bundeswehr ist eine Parlaments­armee, und das Parlament wurde vom Souverän gewählt, vom Volk.

Das Corona-Virus wütet so schlimm wie nie zuvor in Deutschlan­d. Ist das Militär der bessere Krisenmana­ger? Wolffsohn: Es gab solche Zivilisten und andere. Insgesamt muss es besser werden. Wer jedoch unbedingt Zivilisten vorzieht, kann ja Klaus Wowereit diesen Posten übertragen. Ihm verdanken wir das Desaster des Berliner Flughafens. Dann würde diese Desaster-Regel gelten: Doppelt hält besser. Offenbar findet auch Bald-Bundeskanz­ler Scholz diese Idee nicht prickelnd.

Interview: Christian Grimm

und Stefan Lange

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