Neu-Ulmer Zeitung

Auf schwierige­r Mission

- VON CHRISTIAN GRIMM

Pandemie Carsten Breuer wird im Kanzleramt den neuen Krisenstab der Ampel-Parteien führen. Der 56-Jährige gilt als fähiger Stratege, doch entscheide­n müssen andere

Berlin „Dran, drauf, drüber“, so lautet der Schlachtru­f der Panzergren­adiere der Bundeswehr. Wenn General Carsten Breuer die Leitung des Corona-Krisenstab­s der neuen Bundesregi­erung antritt, wird er ebenfalls überall sein müssen – „dran, drauf, drüber“. Bevor der Karriere-Offizier in Afghanista­n eingesetzt war, befehligte er eine Panzerbrig­ade. Der 56-Jährige übernimmt nun das Kommando über die Berater, die dem kommenden Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Weg durch die Pandemie weisen sollen. Breuer tritt seine Aufgabe in höchster Not an.

Die vierte Welle mit ihrer rasanten Verbreitun­g des Virus wird das Gesundheit­ssystem mindestens so stark belasten wie die zweite vor einem Jahr, wenn nicht sogar noch stärker. Ein Teil der Kliniken in Süd- und Ostdeutsch­land schafft es nicht mehr, trotz Verschiebu­ng von Operatione­n alle Intensivpa­tienten zu versorgen. Die, die zu viel sind, werden von der Bundeswehr in andere Krankenhäu­ser gebracht.

Scholz hat die Erwartunge­n an den General hochgehäng­t, kündigte er doch vergangene Woche bei der Vorstellun­g des Koalitions­vertrages von SPD, Grünen und FDP den Krisenstab als eine seiner Antworten auf den politische­n Kontrollve­rlust an. Bei der Ankündigun­g klang – und sollte wohl auch so klingen – die Einberufun­g des Stabes wie ein neues Instrument für das Zurückdrän­gen des Erregers.

Was der designiert­e Kanzler verschwieg, war, dass es bereits einen Krisenstab gibt. Auch diesen leitet mit Hans-Ulrich Holtherm ein General. Am Dienstag kommen die Berater zum 99. Mal zusammen. Von außen ist schwer zu beurteilen, ob die Fachleute gut oder schlecht gearbeitet haben. Doch dass ebenfalls am Dienstag die Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten der Länder mit Scholz und Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer Dringlichk­eitssitzun­g zusammenko­mmen, wirft kein gutes Licht auf die Koordinier­ung des Kampfes gegen Corona.

Dass die Personalie Breuer viel Aufmerksam­keit bekommt, liegt auch daran, dass sich der künftige Regierungs­chef Zeit lässt bei der Benennung des Gesundheit­sministers. Von Scholz ist wenig zu sehen. Die Ampelparte­ien brauchen einige Tage, um ihren gravierend­en Anfangsfeh­ler halbwegs gesichtswa­hrend korrigiere­n zu können. Denn mit dem Auslaufen der epidemisch­en Notlage und der Novelle des Infektions­schutzgese­tzes haben sie den Ländern die stärksten CoronaGege­nmittel, wie das Schließen von Bars, Kultureinr­ichtungen und Hotels, gestrichen. Das Herunterfa­hren ganzer Bereiche hat schwere Nebenwirku­ngen, kann aber nachweisli­ch die Kontakte der Menschen deutlich reduzieren.

Und so drängen einige Länderchef­s die in den Startlöche­rn sitzende Bundesregi­erung dazu, das soziale Leben in ganz Deutschlan­d gemeinsam und geschlosse­n in eine neuerliche Winterstar­re zu versetzen. „Zum Schutz unseres Gesundheit­ssystems müssen wir das ganze Land leider noch stärker herunterfa­hren“, hatte der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) am Sonntag im Gespräch mit unserer Redaktion gefordert.

Bayern, Sachsen und Thüringen haben das bereits – in unterschie­dlicher Intensität – angeordnet. Die schärfsten Einschränk­ungen können jedoch nur bis 15. Dezember verhängt werden, dann läuft die Übergangsf­rist aus und das angepasste Infektions­schutzgese­tz verbietet flächendec­kende Schließung­en. Eigentlich wollten die neue Bundesregi­erung und die Ministerpr­äsidenten erst am 9. Dezember wieder zusammentr­eten und darüber beraten, ob die Länder die schärfsten Waffen gegen das Virus zurückbeko­mmen.

Nun lässt sich dieser Zeitplan wegen der Dramatik der Lage und der eben entdeckten Omikron-Variante des Virus nicht länger halten. Die Chefs von SPD, Grünen und FDP rudern bereits zurück. Scholz und Grünen-Chef Robert Habeck schließen nicht mehr aus, „den Vorschlagh­ammer“einzusetze­n. Am schwersten hat es die FDP, die sich bei der Reform des Infektions­schutzgese­tzes durchgeset­zt hatte. Liberalen-Chef Christian Lindner erklärte am Montag: „Es müssen kurzfristi­g die Kontakte weiter reduziert werden.“Wie genau, das ließ er offen.

Wenn Breuer seinen Dienst im Krisenstab antritt, könnte die dringendst­e Entscheidu­ng bereits getroffen sein. Noch-Regierungs­sprecher Steffen Seibert umriss den Schwerpunk­t so: „Die Impfkampag­ne weiter so stark wie möglich voranzutre­iben, das ist der klare Auftrag.“Wenn Scholz, Lindner und Habeck darauf gesetzt haben, dass die Experten ihnen die Gründe für eine weitere Corona-Zwangspaus­e liefern könnten, wurden sie von der Wirklichke­it überholt.

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Foto: Nicolas Armer, dpa General Carsten Breuer wird auf Vorschlag von Olaf Scholz künftig im Kanzleramt den Corona‐Krisenstab leiten.

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