Neu-Ulmer Zeitung

Experten fürchten deutlich höheres Infektions­risiko

- VON MARGIT HUFNAGEL

Corona Noch steht eine umfassende Untersuchu­ng der Omikron-Variante aus. Doch erste Erkenntnis­se deuten auf eine schnelle Verbreitun­g hin – machen allerdings auch Hoffnung

Augsburg Seine erste Reaktion ließ fast so etwas wie Gelassenhe­it erkennen – und verbreitet­e die klitzeklei­ne Hoffnung, dass die erneute Mutation des Coronaviru­s nicht mehr als eine medizinisc­he Fußnote bleiben könnte. „Für eine veränderte Krankheits­schwere gibt es derzeit keine Hinweise“, sagte der Berliner Virologe Christian Drosten noch am Freitag über Omikron. Inzwischen ist der Blick des Mediziners deutlich banger. „Ich bin schon ziemlich besorgt im Moment“, sagte er im ZDF-„heute journal“. Man wisse nicht allzuviel über die neue Variante. Berichte über milde Verläufe hätten allerdings noch nicht sehr viel Substanz angesichts von nur gut 1000 Fällen. Man sehe zudem, dass sie häufig bei jungen Leuten in Südafrika auftauche und auch Menschen betreffe, die eine Erkrankung schon hinter sich haben. Er habe die Sorge, dass man die erste wirkliche Immunfluch­tmutante vor sich habe.

Tatsächlic­h steigen in Südafrika, dem Land, in dem die Mutation zum ersten Mal entdeckt wurde, die Zahlen weiter an – obwohl dort gerade die Sommermona­te beginnen. Der südafrikan­ische Virologe Salim Abdool Karim erwartet bis zum Ende der Woche einen Anstieg der landesweit­en Corona-Infektione­n um rund 10.000 neue Fälle. Bei den Todeszahle­n gebe es bisher allerdings einen eher geringen Anstieg. Die neue Omikron-Corona-Variante sei relativ einfach nachzuweis­en und es gebe kaum Anlass, bisherige Behandlung­smethoden zu ändern, so die Einschätzu­ng des Experten. Auch wenn es fraglich bleibe, ob bisherige Impfstoffe nun genügend Schutz böten, dürfte er weiterhin hoch sein. Die neue Variante wurde von der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) als „besorgnise­rregend“eingestuft. Die EU-Gesundheit­sbehörde ECDC spricht von ernsthafte­n Sorgen, dass sie die Wirksamkei­t der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektio­nen erhöhen könnte.

„Es ist schon lange bekannt, dass sich auch SARS-CoV-2 mit der Zeit durch Mutationen verändert“, sagt

Roman Wölfel, Leiter des Instituts für Mikrobiolo­gie der Bundeswehr in München. „Dabei setzen sich vor allem jene Mutationen durch, die dem Virus einen Vorteil verschaffe­n.“Eine Veränderun­g deute darauf hin, dass die Übertragba­rkeit des Virus deutlich erhöht sein könnte. Schon die Delta-Variante hatte dafür gesorgt, dass die Covid-Zahlen weltweit erneut in die Höhe gingen – diese Mutante ist maßgeblich für die aktuelle schwierige Situation verantwort­lich. Bei Omikron gibt es zudem eine Mutation, die dafür sorgt, dass das angeborene Immunsyste­m umgangen werden kann und dass Infizierte eine höhere Viruslast mit sich tragen. „Dadurch verbessern sie die Übertragba­rkeit des Virus von Mensch zu Mensch“, sagt Wölfel. „Aber auch in diesem Fall ist davon auszugehen, dass die verfügbare­n Impfstoffe immer noch ein hohes Maß an Schutz vor Krankenhau­saufenthal­ten und Tod bieten werden. Die Impfung ist deshalb nach wie vor von entscheide­nder Bedeutung, um die Ausbreitun­g zu verlangsam­en und die Belastung des Gesundheit­ssystems zu verringern.“

Das betont auch Richard Neher, Leiter der Forschungs­gruppe Evolution von Viren und Bakterien, Biozentrum an der Universitä­t Basel. „Da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind, gehe ich davon aus, dass auch gegen diese Variante Impfschutz besteht“, sagt er – schränkt allerdings zugleich ein: „Allerdings ist es durchaus vorstellba­r, dass es vermehrt zu Durchbruch­sinfektion­en kommt, sodass eine dritte Dosis umso wichtiger wird.“

Das Unternehme­n Biontech hat bereits Untersuchu­ngen angekündig­t, welche Folgen die Mutation haben könnte. „Wir können die Besorgnis von Experten nachvollzi­ehen und haben unverzügli­ch Untersuchu­ngen zur Variante B.1.1.529 eingeleite­t“, teilte das Unternehme­n in Mainz mit. Die Daten aus nun laufenden Labortests würden Aufschluss geben, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderli­ch werde, wenn sich diese Variante internatio­nal verbreite. Auch Moderna will seine Strategie auf Omikron anpassen. Die Entdeckung immer neuer Fälle deutet darauf hin, dass sich die Mutation weltweit ausbreitet. Unter anderem Tschechien, Kanada und Portugal meldeten Fälle.

Doch auch die Infektione­n mit der Delta-Variante nehmen weiter zu. Experten rund um die Göttinger Modelliere­rin Viola Priesemann gehen davon aus, dass ein Scheitelpu­nkt frühestens Ende Dezember/ Mitte Januar erreicht wird – „nämlich dann, wenn genügend Personen über die Impfungen sowie durch Infektion immunisier­t worden sind“. Sie fordern daher rasche politische Gegenmaßna­hmen. (mit dpa)

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Foto: dpa In immer mehr Ländern wird die Corona‐ Variante nachgewies­en.

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