Neu-Ulmer Zeitung

Von „respektabe­l“bis „großzügig“

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Tarifabsch­luss Die Verhandler aufseiten der Länder und der Gewerkscha­ft Verdi bezeichnen ihre Einigung für den Öffentlich­en Dienst als gelungen. Es gibt aber auch Kritik – etwa aus dem Bildungsbe­reich: „Wir hätten mehr erwartet.“

Potsdam Das ganze Wochenende hatten Gewerkscha­ften und Vertreter der Bundesländ­er in Potsdam verhandelt. In der Nacht zum Montag ging es nach Teilnehmer­angaben bis fünf Uhr morgens. Am Vormittag verkündete­n beide Seiten schließlic­h eine Einigung.

Mehr als eine Million Beschäftig­te im Öffentlich­en Dienst der Bundesländ­er bekommen bis spätestens März eine steuer- und abgabenfre­ie Corona-Sonderzahl­ung von 1300 Euro. Beschäftig­te im Gesundheit­swesen bekommen ab 1. Januar höhere Zulagen. Zudem werden die Gehälter insgesamt zum 1. Dezember 2022 um 2,8 Prozent erhöht. Damit sind nach mehreren Warnstreik­s in den vergangene­n Wochen an Uniklinike­n, Kitas, Schulen, in Polizei-Abteilunge­n und Verwaltung­en weitere Ausstände vom Tisch. Der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Verdi, Frank Werneke, nannte den Abschluss „respektabe­l“. Es gebe sicher zufriedene Mitglieder, aber auch solche, die sich mehr erhofft hätten. Die Sonderzahl­ung über 1300 Euro sei aber eine Botschaft. Mehr als die 2,8 Prozent Gehaltserh­öhung seien nicht drin gewesen – oder nur dann, wenn es eine deutlich längere Laufzeit gegeben hätte. Der jetzige Tarifabsch­luss hat eine Laufzeit von 24 Monaten.

Verdi und der Beamtenbun­d dbb waren im Spätsommer mit der Forderung nach einer Gehaltsste­igerung von fünf Prozent, mindestens aber 150 Euro mehr pro Monat, in die Tarifrunde gegangen. Für Beschäftig­te im Gesundheit­swesen hatten sie ein Plus von 300 Euro gefordert. Die Länder als Arbeitgebe­r hatten die Forderunge­n als unrealis

tisch bezeichnet und auf bereits hohe pandemiebe­dingte Ausgaben zur Unterstütz­ung des Gesundheit­swesens, der Wirtschaft und der Kommunen verwiesen. Von der nun erzielten Einigung profitiere­n nach Gewerkscha­ftsangaben 1,1 Millionen Beschäftig­te der Länder – außer Hessen – und 48.000 Azubis. Das betrifft Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r beispielsw­eise in der Verwaltung, in Uniklinike­n, Schulen, Kitas, bei Polizei und Feuerwehr,

Straßenmei­stereien, Forst- oder auch Abfallbetr­ieben. Dazu kommen mehr als eine Million Beamtinnen und Beamte sowie rund eine Million Versorgung­sempfänger – also etwa Pensionäre –, auf die der Abschluss übertragen werden soll. Die Bundesländ­er verhandeln bis auf Hessen gemeinsam in der Tarifgemei­nschaft der Länder (TdL). Hessen ist seit 2004 nicht mehr Mitglied und verhandelt separat.

Der Vorsitzend­e des Beamtenbun­des dbb, Ulrich Silberbach, sprach mit Blick auf den Bonus von 1300 Euro von einem „guten Signal“. Er sagte aber auch, die Beschäftig­ten hätten mehr verdient gehabt. Sie hätten in der Corona-Krise bewiesen, wie gut es sei, einen leistungsf­ähigen Öffentlich­en Dienst zu haben. Die Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, Maike Finnern, sagte für die Lehrkräfte: „Wir sind damit nicht glücklich und hätten mehr erwartet.“Die Arbeitsbed­ingungen in den Bildungsbe­rufen würden nicht so verbessert, dass damit dem Fachkräfte­mangel genug entgegenge­treten würde. Man trage den Kompromiss aber angesichts der angespannt­en Corona-Lage mit.

Der TdL-Verhandlun­gsführer, Niedersach­sens Finanzmini­ster Reinhold Hilbers (CDU), sprach von einem ausgewogen­en und guten Ergebnis. Alle Beteiligte­n hätten Verantwort­ung bewiesen. „Wenn es beiden Seiten wehtut, dann ist es meistens ein guter Kompromiss.“Die „großzügige Corona-Prämie“solle Wertschätz­ung und Anerkennun­g zum Ausdruck bringen. Die Einigung werde die Länder für die Tarifbesch­äftigten rund 2,2 Milliarden Euro kosten. Jörg Ratzsch, dpa

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Foto: Christoph Schmidt, dpa Viele Verdi‐Mitglieder hatten zuletzt für ein deutliches Einkommens­plus demons‐ triert.

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