Besessen von den Bergen
Alpingeschichte Vor 145 Jahren starb Hermann von Barth, einer der ganz großen Alpen-Pioniere, bei einer Afrika-Expedition. Er wurde nur 31 Jahre alt. Stationen eines bewegten Lebens
München Er war bergverrückt, ja bergbesessen, rastlos im Gebirge unterwegs: Hermann von Barth gilt als einer der ganz großen Bergsteiger-Pioniere des 19. Jahrhunderts in den Alpen. Zahlreiche Erstbesteigungen gelangen ihm in Bayern und Tirol. Vor 145 Jahren ist er unter tragischen Umständen gestorben, am 7. Dezember 1876. Im Alter von nur 31 Jahren nahm er sich in Afrika das Leben.
Eine Hermann-von-Barth-Straße gibt es unter anderen in Immenstadt, Sonthofen, Oberstdorf und Kempten. Im Wettersteingebirge ist ein Klettersteig auf die Partenkirchener Dreitorspitze nach ihm benannt, in den Allgäuer Alpen trägt die höchstgelegene Alpenvereinshütte seinen Namen.
Doch wer war dieser 1845 geborene Mann, an den im Kleinen Ahornboden im Karwendelgebirge ein Denkmal erinnert? Der aus einer adeligen Patrizier-Familie auf Schloss Eurasburg (Kreis Bad Tölz
Wolfratshausen) stammende Hermann von Barth kommt 1868 als Rechtsreferendar ans Berchtesgadener Landgericht. Er ist erst 23 Jahre alt, hat zuvor in München Jura studiert. Doch das städtische Leben gefällt ihm offensichtlich immer weniger. Er wendet sich der Natur zu, unternimmt ausgedehnte Wanderungen in den Bergen.
Nach kurzen weiteren Stationen in Traunstein und München ist er 1869 am Bezirksgericht Sonthofen tätig. In einem Bergsommer besteigt er in den Allgäuer Alpen 44 Gipfel. Unter anderem überschreitet er erstmals den Hochvogel von Nord nach Süd und zieht dann weiter über die Tannheimer Berge. Nach zwei Tagen ist er zurück in Sonthofen. Ein Jahr später steht der 25-Jährige in einer Sommersaison auf sage und schreibe 88 Gipfeln im Karwendel. Darunter sind zwölf Erstbesteigungen: beispielsweise Kaltwasser-, Östliche Karwendel- und Vogelkarspitze.
Das Milieu, aus dem von Barth stammt, ist typisch für die Bergsteigerszene in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Meist sind es akademisch Gebildete und Angehörige des gehobenen Bürgertums, die es in die Berge zieht. Doch anders als von Barth interessieren sich die meisten für hohe Ziele in den Zentral- oder Westalpen. Barth dagegen will in den Nördlichen Kalkalpen nicht nur bergsteigen, er wird mehr und mehr zum Naturwissenschaftler. Er ist häufig allein unterwegs, beobachtet und beschreibt das Leben im Gebirge.
Ab 1872 studiert Barth Naturwissenschaften, 1875 promoviert er. 1874 veröffentlicht der Mitbegründer der Alpenvereinssektion Augsburg das 661 Seiten umfassende Buch „Aus den nördlichen Kalkalpen“. Im Vorwort schreibt er: „Zur Kenntnis unserer Alpen beizutragen, war seit jeher ein Lieblingsgedanke von mir gewesen.“
Das kurze, intensive Leben dieses Bergsteigers und Naturwissenschaftlers endet im Dezember 1876. Bei einer Afrika-Expedition mit der Geographischen Gesellschaft München infiziert er sich mit einer Tropenkrankheit. Völlig erschöpft und entkräftet macht er sich auf die Rückreise. In einem letzten Brief an seine Familie am 27. November bezeichnet er seinen Gesundheitszustand als „totale Erschütterung der ganzen Natur“. Mit einem gezielten Schuss ins Herz macht der von der Erkrankung schwer gezeichnete 31-Jährige am 7. Dezember 1876 seinem Leben in Angola ein Ende.