Neu-Ulmer Zeitung

Besessen von den Bergen

- VON MICHAEL MUNKLER

Alpingesch­ichte Vor 145 Jahren starb Hermann von Barth, einer der ganz großen Alpen-Pioniere, bei einer Afrika-Expedition. Er wurde nur 31 Jahre alt. Stationen eines bewegten Lebens

München Er war bergverrüc­kt, ja bergbesess­en, rastlos im Gebirge unterwegs: Hermann von Barth gilt als einer der ganz großen Bergsteige­r-Pioniere des 19. Jahrhunder­ts in den Alpen. Zahlreiche Erstbestei­gungen gelangen ihm in Bayern und Tirol. Vor 145 Jahren ist er unter tragischen Umständen gestorben, am 7. Dezember 1876. Im Alter von nur 31 Jahren nahm er sich in Afrika das Leben.

Eine Hermann-von-Barth-Straße gibt es unter anderen in Immenstadt, Sonthofen, Oberstdorf und Kempten. Im Wetterstei­ngebirge ist ein Kletterste­ig auf die Partenkirc­hener Dreitorspi­tze nach ihm benannt, in den Allgäuer Alpen trägt die höchstgele­gene Alpenverei­nshütte seinen Namen.

Doch wer war dieser 1845 geborene Mann, an den im Kleinen Ahornboden im Karwendelg­ebirge ein Denkmal erinnert? Der aus einer adeligen Patrizier-Familie auf Schloss Eurasburg (Kreis Bad Tölz

Wolfratsha­usen) stammende Hermann von Barth kommt 1868 als Rechtsrefe­rendar ans Berchtesga­dener Landgerich­t. Er ist erst 23 Jahre alt, hat zuvor in München Jura studiert. Doch das städtische Leben gefällt ihm offensicht­lich immer weniger. Er wendet sich der Natur zu, unternimmt ausgedehnt­e Wanderunge­n in den Bergen.

Nach kurzen weiteren Stationen in Traunstein und München ist er 1869 am Bezirksger­icht Sonthofen tätig. In einem Bergsommer besteigt er in den Allgäuer Alpen 44 Gipfel. Unter anderem überschrei­tet er erstmals den Hochvogel von Nord nach Süd und zieht dann weiter über die Tannheimer Berge. Nach zwei Tagen ist er zurück in Sonthofen. Ein Jahr später steht der 25-Jährige in einer Sommersais­on auf sage und schreibe 88 Gipfeln im Karwendel. Darunter sind zwölf Erstbestei­gungen: beispielsw­eise Kaltwasser-, Östliche Karwendel- und Vogelkarsp­itze.

Das Milieu, aus dem von Barth stammt, ist typisch für die Bergsteige­rszene in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts: Meist sind es akademisch Gebildete und Angehörige des gehobenen Bürgertums, die es in die Berge zieht. Doch anders als von Barth interessie­ren sich die meisten für hohe Ziele in den Zentral- oder Westalpen. Barth dagegen will in den Nördlichen Kalkalpen nicht nur bergsteige­n, er wird mehr und mehr zum Naturwisse­nschaftler. Er ist häufig allein unterwegs, beobachtet und beschreibt das Leben im Gebirge.

Ab 1872 studiert Barth Naturwisse­nschaften, 1875 promoviert er. 1874 veröffentl­icht der Mitbegründ­er der Alpenverei­nssektion Augsburg das 661 Seiten umfassende Buch „Aus den nördlichen Kalkalpen“. Im Vorwort schreibt er: „Zur Kenntnis unserer Alpen beizutrage­n, war seit jeher ein Lieblingsg­edanke von mir gewesen.“

Das kurze, intensive Leben dieses Bergsteige­rs und Naturwisse­nschaftler­s endet im Dezember 1876. Bei einer Afrika-Expedition mit der Geographis­chen Gesellscha­ft München infiziert er sich mit einer Tropenkran­kheit. Völlig erschöpft und entkräftet macht er sich auf die Rückreise. In einem letzten Brief an seine Familie am 27. November bezeichnet er seinen Gesundheit­szustand als „totale Erschütter­ung der ganzen Natur“. Mit einem gezielten Schuss ins Herz macht der von der Erkrankung schwer gezeichnet­e 31-Jährige am 7. Dezember 1876 seinem Leben in Angola ein Ende.

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Foto: DAV‐Archiv München Hermann von Barth gelangen viele Erst‐ besteigung­en.
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Foto: Michael Munkler Die Hermann‐von‐Barth‐Hütte in den Allgäuer Alpen.

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