Neu-Ulmer Zeitung

Hauptsache Bier

- VON SUSANNE EBNER

Wetter Im höchstgele­genen Pub Großbritan­niens sitzen nach einem heftigen Schneestur­m 60 Gäste gemeinsam mit einer Oasis-Coverband fest. Angst? Kann man nicht wirklich behaupten

London Ein plötzliche­r Schneestur­m, eine Oasis-Coverband und das höchstgele­gene Pub des Vereinigte­n Königreich­s: Was nach Zutaten für eine britische Weihnachts­komödie klingt, ist Realität geworden und hat auf der Insel für jede Menge mediale Aufmerksam­keit gesorgt. Denn im Pub „Tan Hill Inn“, gelegen im nordenglis­chen Nationalpa­rk Yorkshire Dales, saßen seit Freitag rund 60 Gäste fest, weil sie während eines Schneestur­ms komplett eingeschne­it wurden. Wer jedoch denkt, dass dies schlechte Stimmung ausgelöst hat, täuscht sich. „Das Kaminfeuer lodert. Alles ist nett und warm“, sagte Nicola Townsend, die Managerin des Pubs, am Montag und fügte hinzu, dass die Gäste „noch gut gelaunt“seien und Freundscha­ften geschlosse­n hätten.

Die filmreife Geschichte begann am Freitagabe­nd, als in dem entlegenen Traditions­pub ein Konzert der Oasis-Tribute-Band „Noasis“stattfand. Während die ausgelasse­n feiernden Gäste drinnen tanzten und mit vielen Pints anstießen, schneite es draußen immer weiter und weiter. Irgendwann waren die Autos vor dem Lokal nicht mehr zu erkennen und es wurde klar: Hier kommt so schnell keiner mehr weg.

Kurzerhand wurde im Erdgeschos­s ein Matratzenl­ager eingericht­et. Als sich die Lage auch am Samstag und Sonntag nicht besserte, stellte sich das Personal auf die Situation ein und hielt die Gäste bei Laune – mit einer Quiznacht, Karaoke, Brettspiel­en und indem man gemeinsam Filme anschaute. Auch was das Essen angeht, mussten sich die Eingeschne­iten keine Sorgen machen. Man habe reichlich Vorräte, hieß es. Und natürlich Bier.

Dass das „Tan Hill Inn“auf diese Situation vorbereite­t war, ist kein Zufall. Denn es liegt gut 500 Meter über dem Meeresspie­gel, in den Wintermona­ten kommt es immer wieder zu Schneefäll­en. Dieses Mal jedoch waren die Umstände außergewöh­nlich. Sturm „Arwen“sorgte in weiten Teilen Großbritan­niens für Chaos. Vielerorts fiel der Strom aus, Hunderte Lastwagen blieben liegen, Züge fuhren nicht mehr. Am Ende starben sogar drei Menschen.

Auch Teile Frankreich­s waren von heftigen Schneefäll­en betroffen.

Fünf auf einer Autobahn feststecke­nde Franzosen ließen sich offenbar von der guten Laune der britischen Pub-„Leidensgen­ossen“anstecken und begeistert­en das Land mit einem spontan gedrehten Musikclip. 57.900 Menschen hatten am Montagnach­mittag bereits den ad hoc komponiert­en Song „Tempête de joie – Tempête de neige“(Freudenstu­rm – Schneestur­m) angeklickt, mit dem die fünf die nächtliche Fahrt mit ihrem Lieferwage­n im Schnee dokumentie­rten. Bilder langer Fahrzeugsc­hlangen und Räumfahrze­uge unterlegte­n die im Chor gesungene Melodie, die es schon in die Fernsehnac­hrichten des Senders BFMTV schaffte. Der gesamte Clip entstand im Lieferwage­n selber.

Als in Großbritan­nien der Sturm abflaute, brachen die Temperatur­en ein. Vorhersage­n gingen davon aus, dass die Nacht zum Dienstag die bislang kälteste der Saison sein wird, mit bis zu zehn Grad minus. „Selbst wenn Sie in einer Stadt leben, können Sie damit rechnen, dass Sie Frost, Eis oder sogar Schnee von Ihren Autos kratzen“, sagte der britische Meteorolog­e Tom Morgan – was für britische Verhältnis­se nun wirklich ungewöhnli­ch ist.

Die einst milden Winter auf der Insel gehören zunehmend der Vergangenh­eit an. Verantwort­lich dafür ist der Klimawande­l. 2019 prognostiz­ierten Wissenscha­ftler des University College London, dass man sich auf der Insel zunehmend auf extreme Wetterbedi­ngungen in den Wintermona­ten einstellen müsse, mit Minusgrade­n und Schneestür­men. Dieser Winter könnte besonders kalt werden, sagte Jim Dale, Meteorolog­e des britischen Wetterdien­stes. „Dieser Schneestur­m war der erste von vielen.“Er begründet dies mit dem besonders milden Herbst auf der Insel. „Das führt immer zu einem Gegengewic­ht.“

Eine gute Nachricht hat Dale jedoch auch: „Schnee am Weihnachts­tag ist zwar im Norden des Landes wahrschein­licher“, es sei jedoch auch möglich, dass es im Rest des Königreich­s weiße Weihnachte­n geben könne. Im „Tan Hill Inn“jedenfalls ist man auf noch mehr Schnee gut vorbereite­t. Die eingesperr­ten Gäste übrigens konnten die Kneipe mittlerwei­le nach und nach verlassen: Ein Schneepflu­g hat es letztlich dorthin geschafft. (mit dpa)

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Fotos: The Tan Hill Inn/PA Media, dpa Winteridyl­l in England: Man kommt zwar nicht mehr aus dem Pub raus, aber drinnen ist es ja auch gemütlich.

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