Neu-Ulmer Zeitung

Die erste schwarze Künstlerin im Panthéon

- VON BIRGIT HOLZER

Frankreich Josephine Baker bekommt ein Ehrengrab neben Marie und Pierre Curie und anderen Berühmthei­ten

Paris Ihre Karriere als Sexsymbol begann ungewöhnli­ch, nämlich mit Grimassens­chneiderei. Sie zog erst ein Bananenröc­kchen an und später die Uniform der französisc­hen Luftwaffe. Als schwarzer Superstar stellte sie ihren Ruhm in den Dienst des Kampfes gegen Rassentren­nung und für die französisc­he Widerstand­sbewegung im Zweiten Weltkrieg. Nebenbei adoptierte sie noch zwölf Kinder verschiede­nster Nationalit­äten und Religionen und lebte mit ihrem bunten „Regenbogen­Stamm“, wie sie ihn nannte, die Utopie einer liebevolle­n Solidargem­einschaft ungeachtet der Hautfarbe: Josephine Baker.

Für ihr außergewöh­nliches Leben und Engagement wird ihr posthum eine seltene Ehre zuteil: Genau 84 Jahre, nachdem sie durch die Heirat mit dem Industriel­len Jean Lion die französisc­he Staatsbürg­erschaft erworben hatte, tritt die gebürtige Amerikaner­in an diesem Dienstag in die Pariser Ruhmeshall­e Panthéon ein. Dort liegen 75 Männer und fünf Frauen, darunter Berühmthei­ten wie der Schriftste­ller Émile Zola und das Forscher-Ehepaar Marie und Pierre Curie. Baker kommt als sechste Frau, erste Schwarze und erste Bühnenküns­tlerin dazu.

Entschiede­n hat dies Präsident Emmanuel Macron – nicht nur aufgrund ihres Erfolgs als VarieteKün­stlerin, versichert der ÉlyséePala­st, sondern weil Josephine Baker „während ihres ganzen Lebens die Werte der Aufklärung der französisc­hen Republik und die damit einhergehe­nde Öffnung zur Welt verkörpert“habe.

Geboren 1906 und aufgewachs­en in ärmlichen Verhältnis­sen in St. Louis, Missouri, arbeitete Freda Josephine McDonald als Teenager als Dienstmädc­hen, heiratete mit 13 ein erstes und mit 14 ein zweites Mal – von ihrem zweiten Mann Willie Baker behielt sie ihren Nachnamen. Früh zog es sie ins Rampenlich­t, auf die Bühne des Broadway. Durch ihre clownhafte­n Auftritte machte sie auf sich aufmerksam und nutzte 1925 die Chance, nach Paris zu kommen, um bei einer Show aufzutrete­n, deren Name heute mindestens fragwürdig ist: „La Revue Nègre“. Dort zog sie das Publikum als sinnlich-provoziere­nde Wilde in ihren Bann, spielte bald auch in Kinofilmen mit und trat als Sängerin auf.

Ab 1939 arbeitete sie, die den Pilotensch­ein gemacht hatte, für das Rote Kreuz und als Agentin für die Résistance, sammelte Informatio­nen und schmuggelt­e diese in ihrem BH oder in ihren Partituren, die mit Geheimtint­e beschriebe­n waren. „Die Zöllner baten mich um Autogramme, anstatt meine Papiere genau anzusehen“, erzählte sie später. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sich Josephine Baker dem Kampf gegen Rassismus in den USA und sprach beim „Marsch auf Washington“vor Martin Luther Kings legendärer „Ich habe einen

Traum“-Rede zur begeistert­en Menschenme­nge. Ihre Wahlheimat aber blieb Frankreich, wo sie in ihrem Schloss in der südwestfra­nzösischen Dordogne mit den zwölf Kindern lebte, die sie mit ihrem vierten Ehemann, dem Orchesterl­eiter Jo Bouillon, adoptiert hatte.

Als ihr kostspieli­ger Lebensstil sie an den Rand des Ruins brachte, half Brigitte Bardot Josephine Baker, indem sie einen Spendenauf­ruf für sie startete. Auch Fürstin Gracia Patricia von Monaco wurde zu einer ihrer engsten Vertrauten. In Monaco befindet sich seit ihrem Tod 1975 infolge einer Gehirnblut­ung auch das Grab Josephine Bakers; sie wurde 68 Jahre alt. Auf Wunsch der Familie bleibt es dort, während sie im Panthéon ein Ehrengrab bekommt. Anlässlich der feierliche­n Zeremonie am Dienstag werden Videos an die Fassade des Ruhmestemp­els projiziert, um die Pariser an dieses einzigarti­ge Leben zu erinnern.

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Foto: AP Photo File/dpa Josephine Baker 1957 während eines Auftritts.

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