Ein Gefühl des Fremdschämens
Hintergrund Der Chef der Bundesliga-Basketballer aus Ulm geißelt die Corona-Politik mit harten Worten. Das stößt bei Fans auf Ablehnung. Aus der Führungsetage der Augsburger Panther kommen ebenfalls bemerkenswerte Beiträge zum Thema
Ulm Die Ludwigsburger Riesen haben die Impfoffensive gegen Corona schon im September gestartet, im Dezember wird sie fortgesetzt. Bei den Heimspielen des BasketballBundesligisten aus der Barockstadt können sich Fans die schützende Spritze setzen lassen, in Videoclips werben Cheftrainer John Patrick und die Ludwigsburger Profis für die Aktion unter dem Motto „Shoot your shot“(umgangssprachlich für „Nutz deine Chance“).
Bei Ratiopharm Ulm kann man zwar für sich in Anspruch nehmen, dass es seit Beginn der Pandemie unter den Profis keine Corona-Fälle gegeben hat, eine Aktion wie in Ludwigsburg existiert in Ulm aber nicht. Bei anderen Bundesligisten zwar auch nicht. Aber nur in Ulm arbeitet ausgerechnet der Chef in eine ganz andere Richtung.
Der Chef, das ist Thomas Stoll, vor 20 Jahren Mitbegründer der Basketball Ulm GmbH und seitdem geschäftsführender Gesellschafter. Außerdem ist Dr. Thomas Stoll Mediziner, ein in diesem Zusammenhang durchaus bemerkenswertes Detail. Im realen Leben tritt Stoll kaum noch öffentlich auf, Aussagen zum Basketball überlässt er seit einigen Jahren beinahe komplett seinem Sportdirektor Thorsten Leibenath. Vermutlich ist das auch besser so. Aber die sozialen Netzwerke, Facebook und Twitter vor allem, die sind Stolls Welt, Corona und die Maßnahmen dagegen sind seine Lieblingsthemen.
Nach Häufigkeit und Länge der Beiträge zu urteilen investiert Stoll viel Zeit und Mühe – und wer sollte ihn bei den Ulmer Basketballern auch bremsen oder disziplinieren? Er ist halt der Chef, im Prinzip gehört ihm zusammen mit Andreas Oettel der ganze Laden.
Also schwurbelt und krakeelt Stoll vor sich hin. Drosten und Lauterbach sind seiner Ansicht nach Lobbyisten, es gebe eine „Tyrannei der Idioten. Powered durch absolut unkritische Medien.“Der Impfstoff sei Plörre, es werde von Anfang an mit falschen Zahlen hantiert. Nach der Verschärfung der Corona-Maßnahmen in Bayern kam ihm der Filmtitel „Dumm und dümmer“in den Sinn – und wie schön sei das doch neulich in Florida in einer Halle ohne Maskenpflicht gewesen.
Früher einmal hat Stoll auch gerne direkt mit den Ulmer Basketballfans diskutiert und oft genug gestritten – Diplomatie war schon damals nicht seine Stärke. Inzwischen hält er sich aus den Foren raus, dort wird jetzt nicht mehr mit ihm geredet, sondern über ihn. Vorherrschend ist ein Gefühl des Fremdschämens – es gibt auch in der Ulmer Anhängerschaft so gut wie niemanden, der die Thesen von Stoll teilt oder ihn wenigstens öffentlich verteidigt. Stattdessen gibt es Menschen, die ankündigen, seinetwegen keine Dauerkarte mehr zu bestellen oder ihre Mitgliedschaft im Verein zu kündigen.
Unbekannt ist übrigens der Impfstatus von Stoll selbst. Wenn er sich noch keine Spritze hat verabreichen lassen, dann dürfte er nach den aktuellen Bestimmungen beim Ulmer Heimspiel gegen Hamburg am 12. Dezember gar nicht in die Halle. Das wiederum würde bei einer maximal zu 25 Prozent erlaubten Auslastung der Kapazität auffallen. Und wenn nicht, dann wird man es erfahren. Auf Facebook oder Twitter.
Auf Twitter ist auch Leonardo Conti aktiv, seines Zeichens Prokurist des Eishockeyklubs Augsburger Panther. Der ehemalige Torwart äußert sich dort seinen 67 Followern (Stand: 29. November) gegenüber ebenfalls kritisch zu Corona-Themen. Dabei richtet er seine Tweets gerne auch direkt an die Entscheider. „Tragen Sie, @Markus–Soeder, die Verantwortung bei möglichen Impfschäden?“, fragt Conti in einem Tweet, der sich mit einem von ihm so empfundenen Impfdruck auf Kinder beschäftigt. Oder an Hendrik Wüst, Ministerpräsident von NRW, adressiert: „Junge, gesunde Menschen – auch Sportler – zur Impfung zwingen und sie andernfalls vom gemeinschaftlichen Leben auszugrenzen oder ihnen die Möglichkeit ihren Beruf auszuüben zu nehmen, ist verfassungswidrig. Immer.“Conti ist bei den Panthern übrigens für Marketing zuständig.
Bereits vor etwas mehr als einem Monat hatte er für Wirbel gesorgt, als er sich mit den damals geltenden Zuschauerregeln (3G plus) im Sport auseinandersetzte. „Durch emotionalisierte Diskussionen über nicht mehr nachvollziehbare, immer neue Regelungen wird meines Erachtens eine Spaltung der Gesellschaft herbeigerufen. (...) Ein Sport, der Menschen ausgrenzt oder benachteiligt, ist nicht mein Sport.“Die Geschichte habe gezeigt, dass Ausgrenzung nicht die Lösung sei.
Gegenüber unserer Redaktion sagte Conti damals, es sei ihm wichtig gewesen, darauf hinzuweisen, dass die indirekte Ausgrenzung mit dem Sport im Allgemeinen nicht zusammenpasse. Der Sport müsse gemeinsam für Lösungen plädieren, die einen Sport für alle zulassen. Und der Sport solle sich dafür stark machen, dass eine komplette Normalität zurückkehrt.
Contis Vorgesetzter Lothar Sigl, Hauptgesellschafter der Panther, wertete den Beitrag folgendermaßen: „Alle Menschen, auch unsere Mitarbeiter, dürfen vom Grundsatz her eine private Meinung haben. Wir als Klub haben schon immer gezeigt, dass wir tolerant sind und Meinungen in jede Richtung respektieren.“Ob aber der von Conti gewählte Weg der richtige sei, werde intern diskutiert.
Mit ein bisschen Abstand lässt sich sagen, dass diese interne Diskussion offenbar ergeben hat, dass jeder einfach weiter das macht, was er auf Twitter eben so macht.