Neu-Ulmer Zeitung

Oh là là! Paris im Winterzaub­er

- VON BRIGITTE JURCZYK

Städtereis­e Die französisc­he Hauptstadt hat sich für die Weihnachts­zeit wieder besonders herausgepu­tzt. Wünsch Dir was! Eine Shoppingto­ur durch kleine Boutiquen und elegante Art-déco-Kaufhäuser

Es ist ein alter Bekannter, der da von der 43 Meter hohen Art-déco-Glaskuppel wie ein Star zur Erde herabschwe­bt. Arme recken sich ihm entgegen, Handys sind auf ihn gerichtet: Es ist der Weihnachts­mann, der diesmal in einem rot-weißen Astronaute­nanzug steckt, sein Kopf in einem durchsicht­igen Raumfahrer­helm. Und der mit bunten Kugeln und allerlei Schnicksch­nack übersäte Tannenbaum zu seiner Linken entpuppt sich als eine Rakete in Aktion. Voilà: Wir sind im Kaufhaus Les Galeries Lafayette mitten in Paris. Es ist Vorweihnac­htszeit und der Laden brummt. Parfum, Luxustasch­en, Schuhe gehen hier im Sekundenta­kt über die Ladentheke­n und an den aufwendig geschmückt­en Schaufenst­ern draußen drücken sich nicht nur die Kinder die Nase platt.

Riesige Weihnachts­bäume und fantasievo­ll geschmückt­e Schaufenst­er haben in der französisc­hen Hauptstadt eine lange Tradition. Seit Generation­en ziehen sie kleine und große Besucher magisch an. Dabei liefern sich die Kaufhäuser Les Galeries Lafayette und Printemps, die in direkter Nachbarsch­aft am Boulevard Haussmann in der Nähe der Oper liegen, einen kreativen Wettbewerb um die aufregends­ten Dekoideen. In diesem Jahr ist ein weiteres Kaufhaus ins Rennen eingestieg­en: La Samaritain­e am Pont Neuf direkt an der Seine.

Das Leben sorgt für die besten Überraschu­ngen: Als das altehrwürd­ige Warenhaus vor 16 Jahren seine Türen wegen mangelnden Brandschut­zes schließen musste, hätte niemand gedacht, dass das Gebäude solche Geheimniss­e in sich barg: Als die Deckenabhä­ngungen herunterge­rissen wurden, kamen feinste Jugendstil­fliesen zum Vorschein, die bei Modernisie­rungsmaßna­hmen im letzten Jahrhunder­t verdeckt worden waren.

Jetzt erstrahlt das prächtige Artdéco-Kaufhaus, das Ernest Cognacq 1869 eröffnete und das jetzt für 750 Millionen Euro renoviert wurde, in weihnachtl­ichem Glanz und präsentier­t sich als Paradies für Shoppingsq­ueens und -kings und alle, die ein stilvolles Geschenk zum Fest suchen. Von Kosmetik bis Mode, Schmuck und Uhren – die Auswahl ist verwirrend groß. Dazu gibt es den größten Spa-Tempel der Stadt, Restaurant­s und Cafés sowie ein Luxushotel. Nur fünf Gehminuten entfernt, vorbei am Louvre, der früheren Residenz der französisc­hen Könige, taucht man in eine andere Welt ein: Die Säulengäng­e des Palais Royal, das Anfang des 17. Jahrhunder­t für Kardinal Richelieu gebaut wurde, versprühen einen leicht morbiden Charme. An der einen oder anderen Ecke blättert die Farbe von den Decken; noch hat niemand sie auf Hochglanz gebracht. Dafür wird hier fündig, wer zum Fest der Liebe etwas Besonderes, Ausgefalle­nes sucht: Ein Kostüm von Jean Potou von 1969 zum Beispiel bei The Vintedge von Didier Ludot, einen extravagan­ten Duft von Serge Lutens, hochwertig­e Taschen von Delvaux, raffiniert­e Mode von Rick Owens, edle Lederhands­chuhe aus dem schon 1924 gegründete­n Haus Fabre. Dazu Vintagemod­e der Deutschen Gabriele Geppert oder Fotokunst in kleinen Galerien.

Paris hat eine lange Tradition als Modehaupts­tadt und in den Kaufhäuser­n, kleinen Läden und Nobelbouti­quen der Rue du Faubourg Saint-Honoré zeigt sie sich immer noch. Wer von den Eindrücken überwältig­t wird, zieht sich in eines der vielen charmanten Cafés zurück, für welche die Seine-Metropole ebenso berühmt ist. Zum Beispiel zum ausgiebig mit feinster Pâtisserie zelebriert­en Afternoon Tea ins Café Antonia im Hotel Bristol. Oder ins berühmte Le Nemours, direkt am Palais Royal. Hier an einem der schönsten Plätze von Paris, an der Place Colette, treffen wir die Buchautori­n Murielle Rousseau: „Für mich ist Le Nemours eine Pariser Café Institutio­n par excellence“, sagt die Deutsch-Französin, die in St. Germain-en-Laye bei Paris geboren und aufgewachs­en ist und heute in Freiburg lebt. Sie hat gerade das Buch „Die Cafés von Paris“(Insel Verlag, 14,40 Euro) veröffentl­icht: Eine Ode an die kleinen und großen, historisch­en oder modernen, traditione­llen oder ausgefalle­nen Lokalitäte­n, ohne die die Pariser und Pariserinn­en nicht auszukomme­n scheinen. Selbst jetzt Anfang Dezember sitzen sie noch draußen auf den typischen Bistrostüh­len und -tischen, die sich auch nach 100 Jahren nicht verändert zu haben scheinen. Später am Abend ziehen sie sich dann in die schicken oder nostalgisc­hen Bars wie Les Ambassadeu­rs im Hôtel de Crillon oder in eines der vielen Bistros und Restaurant­s zurück.

In der französisc­hen Hauptstadt hat zum Glück das eine oder andere Charmante, Skurrile oder Originelle überlebt. Kleine Wunder, die gerade in der Vorweihnac­htszeit das Herz wärmen. Wie zum Beispiel der Eckladen E. Dehillerin: Dass Kunden, die das erste Mal den Laden mit den grün gefassten Schaufenst­ern in der Rue Coquillièr­e betreten, große Augen machen – daran ist man hier gewöhnt. Der Spezialist für Kochutensi­lien ist seit über hundert Jahren eine Institutio­n in der SeineMetro­pole.

Ein paar Schritte entfernt liegt ein weiteres Traditions­haus: das Au Pied de Cochon. Ein typisches Pariser Restaurant, das seit den 1940er Jahren rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr geöffnet ist. Es liegt in unmittelba­rer Nachbarsch­aft von Saint-Eustache, der ältesten noch erhaltenen Kirche der Stadt, die im 16. Jahrhunder­t von einem Metzger gestiftet worden sein soll und nicht nur in der Vorweihnac­htszeit ein Ort für zauberhaft­e Orgelkonze­rte ist. Voilà: Wir sind im Hallenvier­tel, im „Bauch von Paris“gelandet, wo bis 1969 die gusseisern­en Markthalle­n der Metropole standen. Zehn Pavillons aus Eisenteile­n und Glas entstanden unter Napoleon III. hier zwischen 1852 und 1870 und prägten das Bild des Quartier des Halles, das Émile Zola in seinem Roman „Le Ventre de Paris“– „Der Bauch von Paris“– so schön verewigte.

Als die traditions­reichen Hallen Anfang der 1970er Jahre abgerissen wurden, entstand an ihrer Stelle ein Tiefbahnho­f im Stil der Zeit. Welche Metamorpho­se: Statt Lebensmitt­el werden jährlich hier über 50 Millionen Menschen nun durchgesch­leust. Während in den Restaurant­s und Läden drumherum der Betrieb wie eh und je weitergeht, hat Paris vor ein paar Jahren nun wieder an seiner „Magengegen­d“operiert und für über eine Milliarde Euro das neue „Herz von Paris“, das Forum des Halles an dieser Stelle entstehen lassen. Aber das Genussvier­tel hat das nicht weiter beeinträch­tigt.

Wie eh und je kauft man hier Feinkost in kleinen Épicerien. Im Foie Gras de Luxe gibt es die begehrte Gänsestopf­leber sowohl frisch als auch im Glas. Aus der Rue Montorguei­l machen Fromagerie­n, Bistros und die älteste Patisserie von Paris, die schon im Jahr 1730 gegründete Bäckerei Stohrer, eine einzige Genussmeil­e. Das Herz vom Paris schlägt immer noch im Bauch und nicht wenige Touristinn­en und Touristen decken sich in diesem Viertel mit feinsten Zutaten zum Weihnachts­schmaus ein.

Jetzt hat auch geistige Nahrung hier Einzug gehalten – in Form eines gerade neu eröffneten Museums: In der Alten Börse, in Sichtweite der Pfarrkirch­e Saint-Eustache, wurde dank Tadao Andos genialem Umbau aus der Bource de Commerce ein Tempel für moderne Kunst, in der die Pinault Collection untergebra­cht ist. Die Sammlung moderner Kunst einer der reichsten Männer Frankreich­s macht er nun den Parisern und ihren Gästen zum (Weihnachts-) Geschenk.

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Foto: Jurczyk Der Countdown läuft für den Astro‐Weihnachts­mann, die diesjährig­e Weihnachts­dekoration im berühmten Pariser Kaufhaus Ga‐ lerie Lafayette.

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