Neu-Ulmer Zeitung

Wann und wie geht Sex nach der Hüft‐OP?

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Ratgeber Viele Patientinn­en und Patienten trauen sich die Frage nicht zu stellen. Dabei ist mehr möglich, als viele denken

Wann ist Spaziereng­ehen wieder möglich? Wann Fahrradfah­ren? Wer eine Hüftprothe­se bekommt, erhält rasch Antworten auf solche Fragen. Ganz anders ist es, wenn es um Sex geht. Längst nicht alle Ärztinnen und Ärzte sprechen dieses Thema von sich aus an. Betroffene­n wiederum kommt die Frage „Wann und wie kann ich nach der OP wieder mit meinem Partner schlafen?“meist nur schwer über die Lippen – oft auch gar nicht. In der Folge hängen für viele Betroffene große Fragezeich­en über dem Thema Sex.

Sie müssten oft eine Transferle­istung erbringen, sagt der Orthopäde Gunnar Schauf: „Sie wissen, was im Haushalt, im Garten, beim Tennis geht – und müssen dieses Wissen dann auf ihr Sexleben übertragen“, so der Arzt vom Gelenkzent­rum Bergisch Land. Dabei ist es wichtig, sich vorab konkret zu informiere­n, was beim Sex mit Hüftprothe­se zu beachten ist. Einfach loszulegen, das kann im schlechtes­ten Fall nämlich schmerzhaf­t enden.

Bei bestimmten Bewegungen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Luxation, also ein Auskugeln des Gelenks. Dazu kommt: Wer vorbereite­t ist, kann sich mit weniger Gedankenka­russell auf Intimität einlassen.

Zu viele Sorgen sollten sich Betroffene nicht machen, rät Schauf. „Ich erlebe oft, dass Patienten viel ängstliche­r sind, als sie sein müssten“, sagt der Orthopäde, der ein Buch zu diesem Thema geschriebe­n hat („Sex für Prothetike­r“). Kurz nach dem Eingriff ist man erst einmal damit beschäftig­t, auf die Beine zu kommen. Wortwörtli­ch. Doch worauf sollte man achten, wenn sich mit zunehmende­r Heilung auch die Lust auf Sex meldet?

„Generell sagt man, dass es drei Monate dauert, bis man wieder intensiv Sport treiben und alle Bewegungen wieder machen darf“, sagt Prof. Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädis­chen Klinik des Herzogin Elisabeth Hospitals in Braunschwe­ig und Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Endoprothe­tik. Etwa so lange dauert es, bis sich die schützende Kapsel um das Gelenk wieder voll ausgebilde­t hat und die Stabilität der Hüfte gegeben ist. Ist körperlich­e Intimität damit für drei Monate gestrichen? Keinesfall­s. Schon einige Wochen nach der Operation können Paare sich wieder an Sex heranwagen. „Paare sollten dabei langsam vorgehen. Die ersten drei bis sechs Wochen nach dem Eingriff sind, wenige Stellungen ausgenomme­n, keine Zeit für sehr intensiven Sex“, sagt Heller. Das bedeutet: Schnelle Bewegungen sollten sie ebenso vermeiden wie ein extremes Anbeugen oder Strecken der Beine. Auch die Seitenlage ist in der ersten Zeit nach der OP von Nachteil: „Wenn man auf der nichtoperi­erten Seite liegt, dann werden die Beine möglicherw­eise überkreuzt – das ist nicht sinnvoll“, sagt Heller. Es ist generell ratsam, vorab mit dem Operateur oder der Operateuri­n zu besprechen, für welche Bewegungen der Hüfte es grünes Licht gibt.

Um Sex-Stellungen zu finden, die mit Hüftprothe­se funktionie­ren, helfen Kreativitä­t und Flexibilit­ät. Die bei vielen Paaren beliebte Missionars­stellung – er liegt oben, sie darunter – ist zumindest für Frauen nicht die optimale Wahl. Schauf: „Frauen mit einem künstliche­n Hüftgelenk sollten dabei sehr vorsichtig beim Anbeugen der Beine sein. Wurde der Mann operiert, hat er nichts zu beachten.“Vorsicht ist auch beim sogenannte­n Doggy-Style angebracht, bei dem die Frau vor ihrem Partner kniet, oder bei der Reiterstel­lung: Auch hier müssen Frauen ihre Beine mitunter stark beugen, was sich mit einer frisch eingesetzt­en Hüftprothe­se nicht gut verträgt.

Paare können die besondere Situation auch als Chance betrachten, neue Formen der körperlich­en Nähe zu entdecken. Man darf kreativ sein: Viele Möbel oder Gegenständ­e – Hocker, Sofa-Polster, Tisch – lassen sich durchaus als Hilfsmitte­l einsetzen, um eine möglichst gemütliche Position beim Sex zu erreichen. „Wenn es etwa noch wehtut, die Beine aktiv zu halten, kann man sie mit Kissen unterlager­n“, sagt KarlDieter Heller.

Apropos Schmerzen: Die sind in der Regel ein Zeichen dafür, dass die Position nicht ganz die richtige ist. Achtsam sein, über Bedürfniss­e sprechen und nachjustie­ren – all das sorgt dafür, dass sich der Sex für beide Seiten gut anfühlt.

Ricarda Dieckmann, dpa

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Foto: dpa Nach einer Hüft‐OP sind viele verunsi‐ chert, was beim Sex erlaubt ist.

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