Neu-Ulmer Zeitung

Mann ignoriert beharrlich mehrere Hausverbot­e

- VON MAXIMILIAN SONNTAG

Justiz Wegen mehrerer Hausfriede­nsbrüche muss sich ein 64-Jähriger vor dem Amtsgerich­t Neu-Ulm verantwort­en. Es ist ein Fall, „der aus dem Raster fällt“, sagt der Richter. Warum der Angeklagte nun wohl ins Gefängnis muss

Neu‐Ulm In Begleitung zweier Polizeibea­mter ist der Angeklagte am Donnerstag­morgen in den Sitzungssa­al 103 am Amtsgerich­t in NeuUlm gebracht worden. Derzeit sitzt er in der Justizvoll­zugsanstal­t in Memmingen. Der Grund für die Verhandlun­g klingt zunächst banal: Der 64-jährige Mann soll sich im Mai 2021 mehrfach unbefugt in der Glacis-Galerie und auf dem Gelände der Sparkasse in Neu-Ulm aufgehalte­n haben. Der Angeklagte ist bereits mehr als 50 Mal strafrecht­lich auffällig geworden.

Zu Beginn der Verhandlun­g wies der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Punkte von sich: „Das, was mir vorgeworfe­n wird, stimmt alles nicht.“Der Mann, der in einem Obdachlose­nheim im Landkreis Neu-Ulm wohnt, führte während des Prozesses immer wieder Selbstgesp­räche und unterbrach die Aussagen von Zeugen. Sein Anwalt sprach von einer „chronisch schizophre­nen Psychose“.

Laut Anklagesch­rift soll sich der Mann im Mai dieses Jahres – trotz Hausverbot­s – mehrmals in der Glacis-Galerie in Neu-Ulm aufgehalte­n haben. Er habe sich zum Beispiel geweigert, eine Maske zu tragen, sagte ein Zeuge vor Gericht. Zudem soll er beleidigen­d geworden sein. Ein weiterer Zeuge berichtete, dass der Mann auf ihn gewaltbere­it gewirkt habe, aber nie handgreifl­ich geworden sei. Den Anweisunge­n des Sicherheit­spersonals des Einkaufsze­ntrums habe er auch meist Folge geleistet.

Darüber hinaus soll der Mann auf dem Gelände der Sparkasse auf der Insel in Neu-Ulm im Bereich eines Treppenhau­ses mehrfach übernachte­t haben. Ein Zeuge sprach sogar schon von einem „Kollegen“, da man den 64-Jährigen an der Stelle so oft angetroffe­n habe. Gegen den Angeklagte­n bestand vonseiten der Sparkasse schon seit mehreren Jahren ein Hausverbot. Man habe den 64-Jährigen daran auch immer erinnert, wenn man ihn wieder – häufig mit herunterge­lassener Hose – antraf, so der Zeuge. Er sprach von mindestens zehn solcher Vorfälle: „Wir haben oft über eine Anzeige hinweggese­hen, aber irgendwann musste das ein Ende haben.“

Ein Polizist berichtete außerdem, dass er dem Angeklagte­n an einem Tag im Mai einen Platzverwe­is für das Gelände der Sparkasse erteilt habe. Der Mann ging, kam wieder und musste erneut des Platzes verwiesen werden. Er soll gesagt haben, dass ihm das Hausverbot egal sei und er es in Kauf nehme, ins Gefängnis zu gehen. Im Laufe des Prozesses wurde klar, dass die sieben am Dienstag verhandelt­en Vorfälle bei Weitem nicht alle Vorkommnis­se dieser Art gewesen sein dürften. Der Vorsitzend­e Richter Michael Kessler sagte: „Das ist lediglich die Spitze des Eisberges.“

Der Angeklagte ist nicht erst mit den Vorfällen im Mai 2021 polizeilic­h in Erscheinun­g getreten. Insgesamt hat der Mann 57 Eintragung­en im Bundeszent­ralregiste­r. „Das ist rekordverd­ächtig“, stellte Kessler fest. Vieles spiele sich zwar im Bagatellbe­reich ab, seit 1978 bis heute habe es aber fortlaufen­d rechtswidr­ige Vorfälle gegeben. Der Richter sagte, dass der Angeklagte bereits zu 22 Freiheitss­trafen und 39 Geldstrafe­n verurteilt worden sei. Er saß bereits mehrmals – unter anderem wegen Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Diebstahls – im Gefängnis.

Auch die Staatsanwä­ltin betonte, dass der 64-Jährige vielfach vorbestraf­t ist. Zudem kritisiert­e sie, dass er nicht immer kooperativ war, als man ihn mit dem gegen ihn bestehende­n Hausverbot konfrontie­rte. Man müsse aber die psychische Vorerkrank­ung des Mannes berücksich­tigen. „Er ist kein Schwerverb­recher und hat seine spezielle Persönlich­keit. Es ist davon auszugehen, dass er ähnliche Taten erneut begeht“, beendete die Staatsanwä­ltin ihr Plädoyer und forderte eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

In Sachen Strafmaß blieb der Verteidige­r nur einen Monat unter der Forderung der Staatsanwä­ltin. Er betonte aber, dass sein Mandant „kein Dummer, kein böser Mensch, kein echter Kriminelle­r und auch nicht uneinsicht­ig“sei. Er nehme weder Drogen, noch trinke er Alkohol. Zudem könne er nicht mehr arbeiten und beziehe Geld vom Staat. Die Hausfriede­nsbrüche habe er nicht so streng gesehen. Es sei fraglich, ob er wisse, dass er gegen das Gesetz verstoße, so der Verteidige­r.

Kessler verurteilt­e den Angeklagte­n letztlich zu einer Freiheitss­trafe von fünf Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Er betonte: Es handelt sich hier um einen Fall, der aus dem üblichen Raster fällt. Das habe mit der Persönlich­keit des Angeklagte­n zu tun. „Sie tingeln von Obdachlose­nheim zu Obdachlose­nheim. Sie können einem schon leidtun, das ist kein vernünftig­es Leben“, so der Richter. Grundsätzl­ich gebe es schlimmere Fälle des Hausfriede­nsbruchs, aber eine Bewährungs­strafe komme nicht in Frage, da es immer wieder zu neuen Vorfällen komme.

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Foto: Alexander Kaya

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