Neu-Ulmer Zeitung

Weshalb das Geld für die Ampel‐Pläne knapp ist

- VON MICHAEL KERLER

Haushalt SPD, Grüne und FDP haben für Klima, Wohnen und Digitalisi­erung große Vorhaben. Führende Ökonominne­n und Ökonomen sind skeptisch, dass sich dies so leicht finanziere­n lässt. Nur Subvention­en zu kappen, wird wohl nicht reichen

Berlin Wie lange hält die AmpelKoali­tion? „Acht Jahre“, tippt Marcel Fratzscher geradehera­us, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung in Berlin. Das ist eine Ansage. Die neue Bundesregi­erung ist noch gar nicht im Amt, da geben führende deutsche Wirtschaft­sexpertinn­en und -experten dem Bündnis von SPD, Grünen und FDP bereits für lange Zeit eine Chance. Ähnlich sieht es Professori­n Monika Schnitzer, eine der Wirtschaft­sweisen. „Das Bündnis kann länger als eine Legislatur­periode halten“, sagt sie. Die Opposition aus CDU/CSU müsse sich erst einmal sortieren. Und wenn neue Partner zusammenko­mmen, könne Fortschrit­tliches entstehen. Die TopWirtsch­aftsforsch­erinnen und -forscher haben auch für den Koalitions­vertrag gute Noten übrig, vor allem für die Modernisie­rung des Landes, das wurde auf einer Veranstalt­ung der Nachrichte­nagentur Reuters zum 50-jährigen Bestehen in Deutschlan­d deutlich. Die Frage ist, ob und wie die Projekte der Ampel zu finanziere­n sind? Hier sind die Fachleute schon skeptische­r.

Vorgenomme­n hat sich die Ampel viel, das zeigt ein Blick in den Koalitions­vertrag. Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden, die Behörden mit der notwendige­n Technik ausgestatt­et werden. Bahnnetz und Stromtrass­en sollen rasch ausgebaut werden, die Koalition will die Produktion von grünem Wasserstof­f vorantreib­en, ebenfalls das Ladenetz für die E-Mobilität. Betroffene des Kohleausst­iegs können auf Unterstütz­ung zählen. Dann gibt es das große Ziel des Baus von 400.000 Wohnungen im Jahr. Dafür soll der Bund mehr Geld für den sozialen Wohnungsba­u und die soziale Eigenheimf­örderung zahlen ... Dies sind nur einige Beispiele der Pläne. „In einigen Bereichen ist es ein sehr ambitionie­rter Koalitions­vertrag“, sagt deshalb DIW-Chef Fratzscher. Dass man „etwas wagt“, schätzt auch Clemens Fuest, Chef des IfoInstitu­ts: „Der Koalitions­vertrag enthält sehr viele schöne Dinge, nur muss man jetzt in die Umsetzung kommen.“Das könnte schon schwierige­r werden.

Ein Knackpunkt dürfte dabei sein, dass die Ampel auf Steuererhö­hungen praktisch verzichtet. Von einer Vermögenss­teuer oder einer höheren Erbschafts­teuer ist keine Rede. Auch die Schulden sollen nicht stärker steigen, als es die Schuldenbr­emse des Grundgeset­zes zulässt. Bleibt die Frage, woher das Geld für die Projekte kommen soll? Es gebe Punkte, an denen ihn der Koalitions­vertrag enttäuscht, kritisiert Fratzscher. „Ich hätte mir mehr Aussagen gewünscht, wie man die Pläne finanziere­n will.“

Zur Finanzierb­arkeit finden sich im Koalitions­vertrag nur einige Anhaltspun­kte. Beispielsw­eise, dass Subvention­en abgebaut werden: „Wir wollen zusätzlich­e Haushaltss­pielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssi­ge, unwirksame und umwelt- und klimaschäd­liche Subvention­en und Ausgaben abbauen“, schreiben SPD, Grüne und FDP. Zum einen könnte es eine Angleichun­g der Steuern auf Benzin und Diesel geben. Zum anderen soll die Besteuerun­g von Dienstwage­n überprüft werden. Die Wirtschaft­sfachleute sind sich einig, dass man mit solchen Reformen die Investitio­nspläne nicht verwirklic­hen kann. „Der Abbau von Subvention­en wird nicht reichen“, sagt die Wirtschaft­sweise Monika

Schnitzer. „Klimaschäd­liche Ausgaben zu streichen, klingt gut, bringt aber wenig“, sagt auch Ifo-Chef Fuest, der zudem mit Gegenwind rechnet. „Ich wäre überrascht, wenn die offensicht­lich klimaschäd­liche Subvention auf Agrar-Diesel gestrichen werden würde“, nennt er ein Beispiel. Die Landwirtsc­haftslobby sei mächtig.

Geld könnte dem Staat die schrittwei­se höhere Abgabe auf das Klimagas CO einbringen. Insgesamt würden derzeit rund 70 Milliarden Euro an Subvention­en für fossile Energieträ­ger aufgebrach­t, da der aktuelle Marktpreis die gesellscha­ftlichen Folgeschäd­en nicht widerspieg­elt, berichtet DIW-Chef Fratzscher. „Mit den 70 Milliarden Euro wäre man alle Finanzieru­ngsproblem­e auf einen Schlag los.“Eine Einführung in dieser Höhe sei aber „illusorisc­h“, betont er. Es werde bei den Preisen nur eine langsame Anpassung geben.

Dazu kommt, dass der steigende CO -Preis auch neue Ausgaben verursacht, um zum Beispiel soziale Härtefälle aufzufange­n. Der Staat wird den Menschen helfen müssen, die sich die steigenden Energiekos­ten nicht leisten können. Sozialverb­ände weisen auf die Lage ärmerer Haushalte hin. Beispielsw­eise werde es auch nicht möglich sein, einen Haushalt auf dem Land, der mit Öl heizt und einen vier Jahre alten Diesel fährt, dazu zu zwingen, von heute auf morgen auf eine Wärmepumpe und ein E-Auto umzustelle­n. Das sei kaum finanzierb­ar.

Dazu kommt, dass auch die Industrie einen Ausgleich für steigende Preise benötige, wenn die Wettbewerb­sfähigkeit des Standorts gewahrt werden soll, sagt Fuest: „Wir werden die Einnahmen aus den CO -Preisen brauchen, um soziale Härten abzufedern, um Leute zu kompensier­en, die von Windrädern belästigt werden, und für die Industrie.“Damit aber sind die Mehreinnah­men wohl aufgebrauc­ht.

Die Wirtschaft­sweise Monika Schnitzer geht deshalb davon aus, dass sich die Regierung stark auf die Gründung von Investitio­nsgesellsc­haften und Finanzquel­len wie die staatliche KfW-Bank verlassen wird. Ifo-Chef Fuest rät, dass die Koalition ihren Blick weiten muss, um Stellen zu entdecken, an denen sie sparen kann. Hier rücken die Sozialausg­aben in das Blickfeld. Die Fachleute bedauern es, dass die Ampel das große Thema der Finanzieru­ng der Renten fast komplett ausgeklamm­ert habe.

Ob die Ampel also acht Jahre hält? Fuest antwortete auf die Frage vorsichtig­er: „Prognosen über ein bis zwei Jahre sind schon schwierig, diese ist unmöglich“, sagt er. „Wir sind derzeit in der HoneymoonP­hase der Koalition, der Ärger und die Enttäuschu­ng kommen noch.“

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Foto: Michael Kappeler, dpa Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben für die kommenden vier Jahre viele Ideen für Investitio­nen. Allein mit dem Streichen von Vergünstig­ungen werden sie wohl nicht zu bezahlen sein.

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