Weshalb das Geld für die Ampel‐Pläne knapp ist
Haushalt SPD, Grüne und FDP haben für Klima, Wohnen und Digitalisierung große Vorhaben. Führende Ökonominnen und Ökonomen sind skeptisch, dass sich dies so leicht finanzieren lässt. Nur Subventionen zu kappen, wird wohl nicht reichen
Berlin Wie lange hält die AmpelKoalition? „Acht Jahre“, tippt Marcel Fratzscher geradeheraus, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Das ist eine Ansage. Die neue Bundesregierung ist noch gar nicht im Amt, da geben führende deutsche Wirtschaftsexpertinnen und -experten dem Bündnis von SPD, Grünen und FDP bereits für lange Zeit eine Chance. Ähnlich sieht es Professorin Monika Schnitzer, eine der Wirtschaftsweisen. „Das Bündnis kann länger als eine Legislaturperiode halten“, sagt sie. Die Opposition aus CDU/CSU müsse sich erst einmal sortieren. Und wenn neue Partner zusammenkommen, könne Fortschrittliches entstehen. Die TopWirtschaftsforscherinnen und -forscher haben auch für den Koalitionsvertrag gute Noten übrig, vor allem für die Modernisierung des Landes, das wurde auf einer Veranstaltung der Nachrichtenagentur Reuters zum 50-jährigen Bestehen in Deutschland deutlich. Die Frage ist, ob und wie die Projekte der Ampel zu finanzieren sind? Hier sind die Fachleute schon skeptischer.
Vorgenommen hat sich die Ampel viel, das zeigt ein Blick in den Koalitionsvertrag. Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden, die Behörden mit der notwendigen Technik ausgestattet werden. Bahnnetz und Stromtrassen sollen rasch ausgebaut werden, die Koalition will die Produktion von grünem Wasserstoff vorantreiben, ebenfalls das Ladenetz für die E-Mobilität. Betroffene des Kohleausstiegs können auf Unterstützung zählen. Dann gibt es das große Ziel des Baus von 400.000 Wohnungen im Jahr. Dafür soll der Bund mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und die soziale Eigenheimförderung zahlen ... Dies sind nur einige Beispiele der Pläne. „In einigen Bereichen ist es ein sehr ambitionierter Koalitionsvertrag“, sagt deshalb DIW-Chef Fratzscher. Dass man „etwas wagt“, schätzt auch Clemens Fuest, Chef des IfoInstituts: „Der Koalitionsvertrag enthält sehr viele schöne Dinge, nur muss man jetzt in die Umsetzung kommen.“Das könnte schon schwieriger werden.
Ein Knackpunkt dürfte dabei sein, dass die Ampel auf Steuererhöhungen praktisch verzichtet. Von einer Vermögenssteuer oder einer höheren Erbschaftsteuer ist keine Rede. Auch die Schulden sollen nicht stärker steigen, als es die Schuldenbremse des Grundgesetzes zulässt. Bleibt die Frage, woher das Geld für die Projekte kommen soll? Es gebe Punkte, an denen ihn der Koalitionsvertrag enttäuscht, kritisiert Fratzscher. „Ich hätte mir mehr Aussagen gewünscht, wie man die Pläne finanzieren will.“
Zur Finanzierbarkeit finden sich im Koalitionsvertrag nur einige Anhaltspunkte. Beispielsweise, dass Subventionen abgebaut werden: „Wir wollen zusätzliche Haushaltsspielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen“, schreiben SPD, Grüne und FDP. Zum einen könnte es eine Angleichung der Steuern auf Benzin und Diesel geben. Zum anderen soll die Besteuerung von Dienstwagen überprüft werden. Die Wirtschaftsfachleute sind sich einig, dass man mit solchen Reformen die Investitionspläne nicht verwirklichen kann. „Der Abbau von Subventionen wird nicht reichen“, sagt die Wirtschaftsweise Monika
Schnitzer. „Klimaschädliche Ausgaben zu streichen, klingt gut, bringt aber wenig“, sagt auch Ifo-Chef Fuest, der zudem mit Gegenwind rechnet. „Ich wäre überrascht, wenn die offensichtlich klimaschädliche Subvention auf Agrar-Diesel gestrichen werden würde“, nennt er ein Beispiel. Die Landwirtschaftslobby sei mächtig.
Geld könnte dem Staat die schrittweise höhere Abgabe auf das Klimagas CO einbringen. Insgesamt würden derzeit rund 70 Milliarden Euro an Subventionen für fossile Energieträger aufgebracht, da der aktuelle Marktpreis die gesellschaftlichen Folgeschäden nicht widerspiegelt, berichtet DIW-Chef Fratzscher. „Mit den 70 Milliarden Euro wäre man alle Finanzierungsprobleme auf einen Schlag los.“Eine Einführung in dieser Höhe sei aber „illusorisch“, betont er. Es werde bei den Preisen nur eine langsame Anpassung geben.
Dazu kommt, dass der steigende CO -Preis auch neue Ausgaben verursacht, um zum Beispiel soziale Härtefälle aufzufangen. Der Staat wird den Menschen helfen müssen, die sich die steigenden Energiekosten nicht leisten können. Sozialverbände weisen auf die Lage ärmerer Haushalte hin. Beispielsweise werde es auch nicht möglich sein, einen Haushalt auf dem Land, der mit Öl heizt und einen vier Jahre alten Diesel fährt, dazu zu zwingen, von heute auf morgen auf eine Wärmepumpe und ein E-Auto umzustellen. Das sei kaum finanzierbar.
Dazu kommt, dass auch die Industrie einen Ausgleich für steigende Preise benötige, wenn die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts gewahrt werden soll, sagt Fuest: „Wir werden die Einnahmen aus den CO -Preisen brauchen, um soziale Härten abzufedern, um Leute zu kompensieren, die von Windrädern belästigt werden, und für die Industrie.“Damit aber sind die Mehreinnahmen wohl aufgebraucht.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer geht deshalb davon aus, dass sich die Regierung stark auf die Gründung von Investitionsgesellschaften und Finanzquellen wie die staatliche KfW-Bank verlassen wird. Ifo-Chef Fuest rät, dass die Koalition ihren Blick weiten muss, um Stellen zu entdecken, an denen sie sparen kann. Hier rücken die Sozialausgaben in das Blickfeld. Die Fachleute bedauern es, dass die Ampel das große Thema der Finanzierung der Renten fast komplett ausgeklammert habe.
Ob die Ampel also acht Jahre hält? Fuest antwortete auf die Frage vorsichtiger: „Prognosen über ein bis zwei Jahre sind schon schwierig, diese ist unmöglich“, sagt er. „Wir sind derzeit in der HoneymoonPhase der Koalition, der Ärger und die Enttäuschung kommen noch.“