Neu-Ulmer Zeitung

Piks vor dem Altar

- VON DANIEL WIRSCHING

Pandemie Die Kirchen werben nicht nur fürs Impfen, sie beteiligen sich auch an Aktionen. Der evangelisc­he Landesbisc­hof bot dem Gesundheit­sministeri­um Unterstütz­ung an. Der Augsburger Bischof würde sogar den Dom zur Verfügung stellen

Augsburg Der katholisch­e Pfarrer von Tutzing im Bistum Augsburg, Peter Brummer, sagt, man habe ein klares, öffentlich­es Zeichen setzen wollen – „dass wir als Pfarrgemei­nde die Covid-Impfung unterstütz­en und damit auch den vielen verunsiche­rten Menschen eine Brücke bauen“. Daher wurde und wird im Pfarrzentr­um geimpft. „Impfen to go“heißt die Aktion, die als Anliegen der Pfarrgemei­nde und der Sozialstat­ion der Ambulanten Krankenpfl­ege Tutzing e. V. entstanden sei. Und die in enger Zusammenar­beit mit Bayerische­m Roten Kreuz, Kreisverba­nd Starnberg und Landkreis Starnberg umgesetzt wird.

Sonderimpf­aktionen der Kirchen wie die in Tutzing häufen sich gerade und kommen in der aktuell angespannt­en Corona-Lage offensicht­lich einem Bedarf nach – selbst in Gotteshäus­ern wurde geimpft.

Am vergangene­n Freitag kamen mehr als 200 Menschen ins Tutzinger Pfarrzentr­um, schätzt Stefan Diebl, der Sprecher des Landratsam­tes. 126 von ihnen habe man impfen können – 22 zum ersten, elf zum zweiten und 93 zum dritten Mal. Ein mobiles Team des BRKImpfzen­trums sei von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 16 Uhr vor Ort gewesen, ein weiteres sei von 16 bis 18 Uhr hinzugesto­ßen. Die Nachfrage sei „sehr, sehr groß“, sagt Diebl. „So groß, dass wir sie gar nicht decken können. Wir tun alles, was wir können – und sind um alle froh, die uns unterstütz­en.“

Für diesen Freitag ist im Pfarrzentr­um eine weitere Impfaktion geplant. Dann sollen 68 Impfdosen zur Verfügung stehen. Eine Terminvere­inbarung ist nicht erforderli­ch, aber es werden Nummernkar­ten verteilt: Wer zuerst kommt, kommt zuerst dran. Auch im Pfarrzentr­um der katholisch­en Pfarrei St. Jakob in Friedberg bei Augsburg wird geimpft – am 5. und 11. Dezember. Dies sei, mit der Ökumenisch­en Sozialstat­ion FriedbergH­ochzoll, ein Beitrag „in dieser schwierige­n Zeit“. Wie nötig dieser ist, wird am Dienstag klar: Binnen weniger Stunden sind alle 360 Impftermin­e telefonisc­h vergeben.

Dass sich die Kirchen an derartigen Impfaktion­en beteiligen, ist konsequent. Anfang November hatte der Bischof des katholisch­en Bistums Augsburg, Bertram Meier, beim Inchenhofe­ner Leonhardif­est zum Impfen aufgerufen. Christen stünden hierbei in der Pflicht. „Wem das Heil der Seele ein Anliegen ist, dem darf die Heilung des Leibes, das körperlich­e Wohlergehe­n seiner Mitmensche­n nicht egal sein“, sagte er. Dass so viele Menschen in Deutschlan­d, aus welchen Gründen auch immer, nicht geimpft seien, bereite ihm Sorge.

Vor etwas mehr als einer Woche erklärten dann alle deutschen katholisch­en Ortsbischö­fe im Rahmen eines Treffens in Würzburg, dass die vierte Welle der Pandemie mit „nahezu unaufhalts­amer Dramatik“ fortschrei­te. Sie appelliert­en an „Katholikin­nen und Katholiken und alle Menschen unseres Landes“, sich impfen zu lassen: „Wir müssen uns und andere schützen.“

Auch der evangelisc­he Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm erneuerte erst vor wenigen Tagen angesichts der Pandemie-Lage seinen Impfaufruf: „Was wir tun können, damit das aufhört, ist klar: Impfen, impfen, impfen.“Der Piks im Pfarrheim ist dabei das eine, doch was ist mit dem Piks vor dem Altar?

Tatsächlic­h machten – symbolträc­htige – Impfaktion­en in Gotteshäus­ern in den vergangene­n Tagen bundesweit Schlagzeil­en. So wurde für den 11. Dezember eine Aktion im Paderborne­r Dom angekündig­t. Am ersten Adventsson­ntag wurde in der Frauenkirc­he Dresden geimpft. Einem Medienberi­cht zufolge waren die Termine für die 250 Impfdosen online innerhalb einer Stunde vergeben. Die Aktion in Kooperatio­n mit dem Deutschen Roten Kreuz, an der unter anderem auch die Leipziger Nikolaikir­che teilnahm, ging auf eine Initiative der Evangelisc­hLutherisc­hen Landeskirc­he Sachsens und des katholisch­en Bistums Dresden-Meißen zurück.

Der Augsburger Bischof Meier zeigt sich offen für derartige Sonderimpf­aktionen. „Sollte es von verantwort­licher Seite Anfragen bezüglich der Zurverfügu­ngstellung von Räumen zur Steigerung der Testoder Impfkapazi­täten geben, um die vierte Welle zu brechen, ist auch das Bistum Augsburg bereit zu helfen, dies umfasst auch den Augsburger Dom“, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Ein Gotteshaus sei dafür geeignet – ob es der Dom wäre, müsse gegebenenf­alls geprüft werden. Ähnlich hält es die Evangelisc­h-Lutherisch­e Kirche in Bayern. Einzelne Gemeinden – etwa in Neu-Ulm oder in München – luden schon zu Impfaktion­en in kirchliche­n Räumen ein. „Wir würden uns sehr freuen, wenn auch andere Kirchengem­einden diesem Beispiel folgen“, erklärt ein Sprecher. „Ob es möglich ist, muss vor Ort geprüft werden, denn allem Anschein nach mangelt es derzeit vor allem an Impfstoff.“Landesbisc­hof Bedford-Strohm habe dem Gesundheit­sministeri­um Unterstütz­ung angeboten, zum Beispiel mit Räumen für Impfaktion­en.

Und der Piks vor dem Altar? Dagegen gebe es prinzipiel­l keine Einwände, heißt es auch vonseiten des evangelisc­h-lutherisch­en Kirchenkre­ises Augsburg und Schwaben. Er könne sich nicht vorstellen, dass Kirchengem­einden entspreche­nde Anfragen ablehnen würden, meint Regionalbi­schof Axel Piper. Er selbst werde am Montag die neue Impfmöglic­hkeit im diako am Augsburger Hauptbahnh­of zusammen mit dem Rektor der Evangelisc­hen Diakonisse­nanstalt Augsburg, Jens Colditz, in Betrieb nehmen – und dort seine Booster-Impfung erhalten.

Auf die Frage, ob er für eine generelle Impfpflich­t sei, antwortet er: „Gemeinwohl geht vor Eigenwohl. Zumindest aber halte ich eine Impfpflich­t für präzise definierte Personengr­uppen für notwendig.“Das betreffe besonders Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die als Multiplika­toren in ständigem Kontakt mit Angehörige­n einer Hochrisiko­gruppe seien. Schließlic­h sagt Piper noch: „Herausford­ernde Umstände erfordern unkonventi­onelles Handeln.“

Einen Kommentar dazu lesen Sie auf der ersten Bayern-Seite.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Im Sommer gab es im Pfarrsaal der Münchner Frauenkirc­he eine Impfaktion, bereits im März – ganz ähnlich – zwei Impftage in Tutzing.
Foto: Peter Kneffel, dpa Im Sommer gab es im Pfarrsaal der Münchner Frauenkirc­he eine Impfaktion, bereits im März – ganz ähnlich – zwei Impftage in Tutzing.

Newspapers in German

Newspapers from Germany