Piks vor dem Altar
Pandemie Die Kirchen werben nicht nur fürs Impfen, sie beteiligen sich auch an Aktionen. Der evangelische Landesbischof bot dem Gesundheitsministerium Unterstützung an. Der Augsburger Bischof würde sogar den Dom zur Verfügung stellen
Augsburg Der katholische Pfarrer von Tutzing im Bistum Augsburg, Peter Brummer, sagt, man habe ein klares, öffentliches Zeichen setzen wollen – „dass wir als Pfarrgemeinde die Covid-Impfung unterstützen und damit auch den vielen verunsicherten Menschen eine Brücke bauen“. Daher wurde und wird im Pfarrzentrum geimpft. „Impfen to go“heißt die Aktion, die als Anliegen der Pfarrgemeinde und der Sozialstation der Ambulanten Krankenpflege Tutzing e. V. entstanden sei. Und die in enger Zusammenarbeit mit Bayerischem Roten Kreuz, Kreisverband Starnberg und Landkreis Starnberg umgesetzt wird.
Sonderimpfaktionen der Kirchen wie die in Tutzing häufen sich gerade und kommen in der aktuell angespannten Corona-Lage offensichtlich einem Bedarf nach – selbst in Gotteshäusern wurde geimpft.
Am vergangenen Freitag kamen mehr als 200 Menschen ins Tutzinger Pfarrzentrum, schätzt Stefan Diebl, der Sprecher des Landratsamtes. 126 von ihnen habe man impfen können – 22 zum ersten, elf zum zweiten und 93 zum dritten Mal. Ein mobiles Team des BRKImpfzentrums sei von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 16 Uhr vor Ort gewesen, ein weiteres sei von 16 bis 18 Uhr hinzugestoßen. Die Nachfrage sei „sehr, sehr groß“, sagt Diebl. „So groß, dass wir sie gar nicht decken können. Wir tun alles, was wir können – und sind um alle froh, die uns unterstützen.“
Für diesen Freitag ist im Pfarrzentrum eine weitere Impfaktion geplant. Dann sollen 68 Impfdosen zur Verfügung stehen. Eine Terminvereinbarung ist nicht erforderlich, aber es werden Nummernkarten verteilt: Wer zuerst kommt, kommt zuerst dran. Auch im Pfarrzentrum der katholischen Pfarrei St. Jakob in Friedberg bei Augsburg wird geimpft – am 5. und 11. Dezember. Dies sei, mit der Ökumenischen Sozialstation FriedbergHochzoll, ein Beitrag „in dieser schwierigen Zeit“. Wie nötig dieser ist, wird am Dienstag klar: Binnen weniger Stunden sind alle 360 Impftermine telefonisch vergeben.
Dass sich die Kirchen an derartigen Impfaktionen beteiligen, ist konsequent. Anfang November hatte der Bischof des katholischen Bistums Augsburg, Bertram Meier, beim Inchenhofener Leonhardifest zum Impfen aufgerufen. Christen stünden hierbei in der Pflicht. „Wem das Heil der Seele ein Anliegen ist, dem darf die Heilung des Leibes, das körperliche Wohlergehen seiner Mitmenschen nicht egal sein“, sagte er. Dass so viele Menschen in Deutschland, aus welchen Gründen auch immer, nicht geimpft seien, bereite ihm Sorge.
Vor etwas mehr als einer Woche erklärten dann alle deutschen katholischen Ortsbischöfe im Rahmen eines Treffens in Würzburg, dass die vierte Welle der Pandemie mit „nahezu unaufhaltsamer Dramatik“ fortschreite. Sie appellierten an „Katholikinnen und Katholiken und alle Menschen unseres Landes“, sich impfen zu lassen: „Wir müssen uns und andere schützen.“
Auch der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erneuerte erst vor wenigen Tagen angesichts der Pandemie-Lage seinen Impfaufruf: „Was wir tun können, damit das aufhört, ist klar: Impfen, impfen, impfen.“Der Piks im Pfarrheim ist dabei das eine, doch was ist mit dem Piks vor dem Altar?
Tatsächlich machten – symbolträchtige – Impfaktionen in Gotteshäusern in den vergangenen Tagen bundesweit Schlagzeilen. So wurde für den 11. Dezember eine Aktion im Paderborner Dom angekündigt. Am ersten Adventssonntag wurde in der Frauenkirche Dresden geimpft. Einem Medienbericht zufolge waren die Termine für die 250 Impfdosen online innerhalb einer Stunde vergeben. Die Aktion in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz, an der unter anderem auch die Leipziger Nikolaikirche teilnahm, ging auf eine Initiative der EvangelischLutherischen Landeskirche Sachsens und des katholischen Bistums Dresden-Meißen zurück.
Der Augsburger Bischof Meier zeigt sich offen für derartige Sonderimpfaktionen. „Sollte es von verantwortlicher Seite Anfragen bezüglich der Zurverfügungstellung von Räumen zur Steigerung der Testoder Impfkapazitäten geben, um die vierte Welle zu brechen, ist auch das Bistum Augsburg bereit zu helfen, dies umfasst auch den Augsburger Dom“, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Ein Gotteshaus sei dafür geeignet – ob es der Dom wäre, müsse gegebenenfalls geprüft werden. Ähnlich hält es die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern. Einzelne Gemeinden – etwa in Neu-Ulm oder in München – luden schon zu Impfaktionen in kirchlichen Räumen ein. „Wir würden uns sehr freuen, wenn auch andere Kirchengemeinden diesem Beispiel folgen“, erklärt ein Sprecher. „Ob es möglich ist, muss vor Ort geprüft werden, denn allem Anschein nach mangelt es derzeit vor allem an Impfstoff.“Landesbischof Bedford-Strohm habe dem Gesundheitsministerium Unterstützung angeboten, zum Beispiel mit Räumen für Impfaktionen.
Und der Piks vor dem Altar? Dagegen gebe es prinzipiell keine Einwände, heißt es auch vonseiten des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Augsburg und Schwaben. Er könne sich nicht vorstellen, dass Kirchengemeinden entsprechende Anfragen ablehnen würden, meint Regionalbischof Axel Piper. Er selbst werde am Montag die neue Impfmöglichkeit im diako am Augsburger Hauptbahnhof zusammen mit dem Rektor der Evangelischen Diakonissenanstalt Augsburg, Jens Colditz, in Betrieb nehmen – und dort seine Booster-Impfung erhalten.
Auf die Frage, ob er für eine generelle Impfpflicht sei, antwortet er: „Gemeinwohl geht vor Eigenwohl. Zumindest aber halte ich eine Impfpflicht für präzise definierte Personengruppen für notwendig.“Das betreffe besonders Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Multiplikatoren in ständigem Kontakt mit Angehörigen einer Hochrisikogruppe seien. Schließlich sagt Piper noch: „Herausfordernde Umstände erfordern unkonventionelles Handeln.“
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