Reutti ist wegen Protesten „wie im Ausnahmezustand“
Ärger Gegen ein Bauprojekt auf dem früheren Meinl-Areal regt sich Widerstand. Jetzt wurden Unterschriften übergeben
Neu‐Ulm „Bauwahnsinn“, „Verschandelung“, „Monsterbau“: Das geplante Bauprojekt „Better Life Reutti“auf dem Grundstück des früheren Hotels Meinl stößt in dem Neu-Ulmer Stadtteil auf erheblichen Widerstand. Kritiker halten das Vorhaben für völlig überdimensioniert. Entsprechend fielen die Reaktionen aus. „Über drei Wochen war der Teufel bei mir los“, berichtete Hilmar Brunner, der Vorsitzende des Bürgervereins Reutti-Jedelhausen.
„Bürgerinnen und Bürger kamen zu allen Uhrzeiten. Anrufe, E-Mails, WhatsApp trafen ein, Reutti war wie im Ausnahmezustand“, heißt es in einer Pressemitteilung, die überschrieben ist mit: „Bürgerverein wehrt sich gegen geplanten Monsterbau in Reutti“. Wie berichtet, will ein Investor dort einen Komplex mit 73 Wohneinheiten errichten. Auch eine Fläche von knapp 1000 Quadratmetern für Gastronomie ist geplant sowie eine Tiefgarage mit 58 Stellplätzen.
Bei dem geplanten Vorhaben handle es sich um eine Bebauung im sogenannten Außenbereich, so Brunner. Dort existiere kein Bebauungsplan. „Es sind in diesem Bereich maßgeblich landwirtschaftliche Vorhaben privilegiert und deshalb vorrangig anzusiedeln“, so der Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. „Sonstige – nicht landwirtschaftliche –Vorhaben müssen sich nach dem Baugesetzbuch daran messen lassen, ob die Erschließung gesichert ist und das Vorhaben nicht das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt.“Genau diese Beeinträchtigung liegt aber nach Ansicht von Brunner vor.
Vereinsmitglieder und weitere Bürgerinnen und Bürger haben deshalb Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt. 490 kamen zusammen. Wegen Corona verzichtete der Bürgerverein auf eine persönliche Übergabe an Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger. Stattdessen wurden die Listen am Rathaus in den Briefkasten geworfen.
Der Bürgerverein möchte aber nicht nur als bloßer Verhinderer der Planungen wahrgenommen werden, sondern auch auf eine für Reutti und Umgebung vorteilhafte Nachnutzung des Gebäudes hinwirken. Dieses könnte aus Sicht der Mitglieder – wenn nicht weiterhin als Hotel – durch eine Mischnutzung, beispielsweise aus altersgerechten Wohnungen, einem Ärztehaus, einer Apotheke und einem kleinen Lebensmittelgeschäft erfolgen. „Seit Langem ist bei Bürgerversammlungen immer wieder eines der Top-Themen, dass die Versorgung im ländlichen Raum verbessert werden soll. Hier besteht nun die Chance, dies für Reutti und die umliegenden Gemeinden umzusetzen“, so Hilmar Brunner.
Parallel zu der Unterschriftensammlung hat der Verein Flyer verteilt und eine Online-Petition gestartet. „Für den Erhalt des Ortseingangsbildes – gegen Bauwahnsinn in Reutti“haben 317 Unterstützerinnen und Unterstützer unterzeichnet.
Auch im Neu-Ulmer Stadtrat wird das Bauprojekt am Ortsrand von Reutti kritisch gesehen. „Die geplante Baumasse ist deutlich zu groß und muss an den Ort angepasst werden“, sagte Zweiter Bürgermeister Johannes Stingl (CSU).
„Wir als SPD-Fraktion werden diesen Plänen auf jeden Fall nicht zustimmen, denn es handelt sich ja hier um Außenbereich und um eine viel zu massive Bebauung am Ortseingang“, schrieb Rudolf Erne (SPD) an die Gegner des Vorhabens. „Eine Planänderung ist hier auf jeden Fall erforderlich.“
Aus Sicht der Stadtverwaltung sollte sich die Nachnutzung am Standort des früheren Hotels Meinl im Wesentlichen, wie im Flächennutzungsplan vorgesehen, im Bestand vollziehen, um unter anderem den Erhalt des Orts- und Landschaftsbildes zu gewährleisten. Wie Pressesprecherin Sandra Lützel sagte, steht eine Entscheidung im NeuUlmer Stadtrat oder zuständigen Ausschuss dieses Jahr nicht mehr an. Was es aber auf jeden Fall noch im Dezember geben solle, sei ein Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern von Reutti. Aufgrund der momentanen Corona-Lage wahrscheinlich im Rahmen einer OnlineVeranstaltung.