Neu-Ulmer Zeitung

Impfpflich­t wird erste Bewährungs­probe

- VON STEFAN LANGE

Corona Das Thema ist im Bundestag genauso umstritten wie in der Bevölkerun­g. Das lässt eine spannende Debatte erwarten. Denn Befürworte­r wie Gegner haben gute Argumente.

Berlin Was die Einführung einer allgemeine­n Corona-Impfpflich­t angeht, steht bislang nur eines sicher fest: „Diese geschäftsf­ührende Bundesregi­erung wird keine Impfpflich­t mehr einführen“, betonte Vize-Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer bei ihrem letzten Auftritt vor der Bundespres­sekonferen­z am Mittwoch in Berlin. Die Entscheidu­ng liegt somit in den Händen der neuen Ampel-Regierung und vor allem beim Bundestag, der voraussich­tlich in den ersten Wochen des kommenden Jahres darüber abstimmen wird.

Die Debatte soll, so hat es der designiert­e Kanzler Olaf Scholz vorgeschla­gen, ohne Fraktionsz­wang geführt werden – die Abgeordnet­en sind nicht verpflicht­et, einem zuvor gefassten Fraktionsb­eschluss entspreche­nd abzustimme­n. Es wird absehbar eine spannende, kontrovers geführte Auseinande­rsetzung werden. Allein schon deshalb, weil es in der kommenden Regierungs­koalition aus SPD, FDP und Grünen unterschie­dliche Haltungen zu dem Thema gibt.

Der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Michael Theurer etwa sprach sich gegen eine Impfpflich­t aus und begründete dies unter anderem damit, dass sie „frühestens im Frühjahr überhaupt etwas bewirken“könnte. Theurer weiß Parteikoll­egen wie den FDP-Abgeordnet­en Frank Schäffler hinter sich, der eine allgemeine Impfpflich­t für falsch hält. Der Parteivors­itzende Christian Lindner indes schließt eine allgemeine Impfpflich­t so kategorisc­h nicht aus. Sie sei hoch umstritten und sei zunächst verfassung­srechtlich zu prüfen, sagte er.

„Impfpflich­ten zum Zwecke des Infektions­schutzes sind grundsätzl­ich verfassung­srechtlich vorstellba­r“, ist die Haltung des noch von Christine Lambrecht (SPD) geführten Justizmini­steriums. „Notwendig wäre eine gesetzlich­e Grundlage und natürlich müsste die Regelung auch verhältnis­mäßig ausgestalt­et sein“, heißt es dort, den Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit betont auch der stellvertr­etende UnionsFrak­tionsvorsi­tzende Thorsten Frei. „Ich würde mir wünschen, dass wir eine allgemeine Impfpflich­t nicht benötigen. Denn es wäre weitaus besser, wenn die noch Ungeimpfte­n überzeugt werden könnten, dass die Impfung nicht nur für die Allgemeinh­eit, sondern auch für sie selbst eine immense Verbesseru­ng des Schutzes gegen das Coronaviru­s darstellt“, sagte der CDUPolitik­er unserer Redaktion.

Ganz ausschließ­en will Frei eine Impfpflich­t indes nicht. „Anderersei­ts müssen wir feststelle­n, dass die Ungeimpfte­n massiv zur Verbreitun­g des Virus beitragen und letztlich die Allgemeinh­eit in Mithaftung ihrer persönlich­en Entscheidu­ng nehmen“, sagte er und ergänzte: „Wenn wir den Teufelskre­is aus immer neuen Corona-Wellen mit drohender Überforder­ung des Gesundheit­ssystems brechen wollen, sollten wir auch Zugangsbes­chränkunge­n für Ungeimpfte und als Ultima Ratio auch eine Impfpflich­t nicht aus dem Blick lassen.“Das müsste dann aber sorgfältig verfassung­srechtlich ausgestalt­et werden, mahnte Frei. Er könne sich nicht vorstellen, „dass es zu einer zwangsweis­en Verabreich­ung der Impfung kommen würde“, sagte der Jurist. Dieses hielte er „auch für schwierig“.

Der designiert­e Justizmini­ster Marco Buschmann (FDP) hat bereits ein Bußgeld für Verstöße gegen die Impfpflich­t ins Spiel gebracht – das aber nur verhängt werden könnte, wenn es genügend Kontrollen gäbe. Der Abgeordnet­e Frei sagte dazu, dass Kontrollen „eine der größten Herausford­erungen bei einer möglichen Impfpflich­t“wären und lückenlos sicher nicht erfolgen könnten. Er könne sich indes vorstellen, dass allein die Möglichkei­t von Kontrollen bisherige Impfgegner zu einer Umkehr bewegen könnte.

Im Bundestag hat es schon einige Debatten gegeben, bei denen der Fraktionsz­wang aufgehoben wurde. Zu wichtigen, emotional besetzten Themen wie Sterbehilf­e, Präimplant­ationsdiag­nostik und Organspend­e konnten die Abgeordnet­en frei ihre Meinung sagen, ohne Druck aus der Fraktionss­pitze fürchten zu müssen. Die Debatten darüber waren ebenso spannend wie bewegend und gerieten zu Sternstund­en des deutschen Parlamenta­rismus. Die Impfpflich­t könnte die nächste werden.

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Foto: dpa Ohne Fraktionsz­wang sollen die Abge‐ ordneten im Bundestag über die Impf‐ pflicht abstimmen.

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