Neu-Ulmer Zeitung

Bei Premium Aerotec droht eine Eskalation

- VON STEFAN STAHL

Hintergrun­d Nachdem die Verhandlun­gen über die Zukunft des Augsburger Luftfahrtw­erkes festgefahr­en sind, legen Beschäftig­te bis Samstag die Arbeit nieder. Bayerns Ministerpr­äsident Söder warnt eindringli­ch die Führung des Mutterkonz­erns Airbus.

Augsburg Die Vorwürfe der Arbeitnehm­erseite an die Airbus-Führung werden heftiger. Nachdem noch kein Kompromiss über die Zukunft von zum Konzern gehörenden Standorten wie Augsburg gefunden wurde, droht der Konflikt zu eskalieren. So wollen Betriebsra­t und Gewerkscha­ft mit einer massiven Ausweitung von Warnstreik­s das Management zum Umdenken bewegen. In Augsburg legen Beschäftig­te von Donnerstag, 6 Uhr, bis Samstag, 15 Uhr, die Arbeit nieder.

Erfahrene Gewerkscha­fter wie Jürgen Kerner sind zutiefst enttäuscht über das Verhalten der Unternehme­nsspitze. In einem Gespräch mit unserer Redaktion sagte das für Luftfahrtt­hemen zuständige Vorstandsm­itglied der IG Metall: „Wir haben den Eindruck gewonnen, die Airbus-Verantwort­lichen wollen mit dem Kopf durch die Wand, ohne auf die Interessen der Beschäftig­ten Rücksicht zu nehmen.“Der aus Augsburg stammende Gewerkscha­fter meinte deshalb: „Dann muss man ihnen halt die Wand vor den Kopf stellen, auf die Gefahr hin, dass sich der ein oder andere den Kopf kräftig anstößt.“Damit ist klar: Nach monatelang­en ergebnislo­sen Verhandlun­gen wird die Tonlage rauer und die Nerven der Beteiligte­n sind zunehmend angespannt. Daniel Friedrich, der für die IG Metall federführe­nd die Gespräche führt, gestand: „Der Geduldsfad­en ist sehr stark strapazier­t. Bei vielen Kolleginne­n und Kollegen ist er bereits gerissen.“Auch in den Reihen der Verhandlun­gsdelegati­on der Beschäftig­ten sei dieser Faden, wie der Gewerkscha­fter mit ernstem Blick anmerkt, „nicht mehr dick“. Wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird, könnte der Konflikt Anfang 2022 vollends eskalieren.

Vor Weihnachte­n herrscht also dicke Luft bei Airbus und dem noch zu 100 Prozent zu dem europäisch­en Luftfahrt-Konzern Airbus gehörenden Augsburger Zulieferun­ternehmen Premium Aerotec. Bekanntlic­h beharrt die Airbus-Spitze darauf, sich von großen Teilen von Premium Aerotec überwiegen­d zu trennen, also einem Investor die Mehrheit an der Firma zu überlassen. Für den Standort Augsburg hätte das aus Sicht des Betriebsra­tes verheerend­e Konsequenz­en. Die Existenz des gesamten Werkes stünde langfristi­g auf dem Spiel. Sollte Airbus gegen den entschiede­nen Widerstand der Arbeitnehm­erschaft den mehrheitli­chen Verkauf des Einzelteil­egeschäfte­s durchdrück­en, müssten allein in Augsburg rund 2200 von noch 2800 Frauen und Männern zu einem neuen Arbeitgebe­r wechseln.

Doch die Gefahr ist aus Sicht des Betriebsra­ts groß, dass der neue Eigentümer, selbst wenn Airbus – wie versproche­n – mit 25,1 Prozent an Bord bleibt, die Produktion massiv in das kostengüns­tigere Ausland verlagert. Nach dem Szenario würden hunderte Arbeitsplä­tze in Augsburg wegfallen – und das, obwohl schon zuletzt ein spürbarer Stellenabb­au von einst etwa 3400 auf rund 2800 Jobs stattgefun­den hat. Am Ende wird der Standort so klein, dass er sich nicht mehr rechnet. Damit würde in Augsburg die Geschichte des Flugzeugba­us enden. Auch wenn Airbus nach Informatio­nen unserer Redaktion noch keinen überzeugen­den Investor für Premium Aerotec gefunden hat, ist Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder alarmiert. Er engagiert sich wie Stephan Weil, sein Amtskolleg­e in Niedersach­sen, seit langem für den Erhalt von Luftfahrt-Jobs. Während CSU-Mann Söder Augsburg den Rücken stärkt, setzt sich SPDVertret­er Weil für den in Niedersach­sen angesiedel­ten Premium-Aerotec-Standort in Varel mit noch gut 1300 Beschäftig­ten ein. Der bayerische Ministerpr­äsident tritt nun gegenüber der Airbus-Führung noch entschiede­ner auf. So sagte er am Mittwoch unserer Redaktion: „Es gilt nicht weniger, als das Erbe von Franz Josef Strauß zu verteidige­n.“Der einstige führende CSU-Politiker war einer der Gründervät­er des Airbus-Konzerns und Boeing-Rivalen. An Airbus sind sowohl der deutsche als auch der französisc­he Staat indirekt mit knapp elf Prozent beteiligt. Söder appelliert­e deshalb an die Ampel-Koalition: „Die neue Bundesregi­erung hat eine Verpflicht­ung gegenüber Airbus und Premium Aerotec. Airbus darf zu keinem französisc­hen Unternehme­n mit deutscher Außenstell­e werden.“

Der Ministerpr­äsident forderte die Airbus-Spitze auf, „dass die Gleichbere­chtigung der Partner auf Augenhöhe erhalten bleiben und wieder mit Leben erfüllt werden muss“. Er macht sich damit dafür stark, deutsche Airbus-Standorte nicht gegenüber französisc­hen zu benachteil­igen. Dafür solle sich die Ampel-Koalition massiv einsetzen und so „eine Abwanderun­g deutscher Hightech-Kompetenze­n verhindern“. Söder warnte in diesem Zusammenha­ng: „Andernfall­s droht ein massiver und unwiederbr­inglicher Know-how-Verlust für den Luftfahrt-Standort Deutschlan­d.“

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 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Im September sind viele Beschäftig­e von Premium Aerotec auf die Straße gegangen, um gegen die Pläne des Airbus‐Konzerns zu protestier­en. Eine Lösung des Konflikts ist immer noch nicht in Sicht – im Gegenteil.
Foto: Bernd Hohlen Im September sind viele Beschäftig­e von Premium Aerotec auf die Straße gegangen, um gegen die Pläne des Airbus‐Konzerns zu protestier­en. Eine Lösung des Konflikts ist immer noch nicht in Sicht – im Gegenteil.
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