Bei Premium Aerotec droht eine Eskalation
Hintergrund Nachdem die Verhandlungen über die Zukunft des Augsburger Luftfahrtwerkes festgefahren sind, legen Beschäftigte bis Samstag die Arbeit nieder. Bayerns Ministerpräsident Söder warnt eindringlich die Führung des Mutterkonzerns Airbus.
Augsburg Die Vorwürfe der Arbeitnehmerseite an die Airbus-Führung werden heftiger. Nachdem noch kein Kompromiss über die Zukunft von zum Konzern gehörenden Standorten wie Augsburg gefunden wurde, droht der Konflikt zu eskalieren. So wollen Betriebsrat und Gewerkschaft mit einer massiven Ausweitung von Warnstreiks das Management zum Umdenken bewegen. In Augsburg legen Beschäftigte von Donnerstag, 6 Uhr, bis Samstag, 15 Uhr, die Arbeit nieder.
Erfahrene Gewerkschafter wie Jürgen Kerner sind zutiefst enttäuscht über das Verhalten der Unternehmensspitze. In einem Gespräch mit unserer Redaktion sagte das für Luftfahrtthemen zuständige Vorstandsmitglied der IG Metall: „Wir haben den Eindruck gewonnen, die Airbus-Verantwortlichen wollen mit dem Kopf durch die Wand, ohne auf die Interessen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen.“Der aus Augsburg stammende Gewerkschafter meinte deshalb: „Dann muss man ihnen halt die Wand vor den Kopf stellen, auf die Gefahr hin, dass sich der ein oder andere den Kopf kräftig anstößt.“Damit ist klar: Nach monatelangen ergebnislosen Verhandlungen wird die Tonlage rauer und die Nerven der Beteiligten sind zunehmend angespannt. Daniel Friedrich, der für die IG Metall federführend die Gespräche führt, gestand: „Der Geduldsfaden ist sehr stark strapaziert. Bei vielen Kolleginnen und Kollegen ist er bereits gerissen.“Auch in den Reihen der Verhandlungsdelegation der Beschäftigten sei dieser Faden, wie der Gewerkschafter mit ernstem Blick anmerkt, „nicht mehr dick“. Wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird, könnte der Konflikt Anfang 2022 vollends eskalieren.
Vor Weihnachten herrscht also dicke Luft bei Airbus und dem noch zu 100 Prozent zu dem europäischen Luftfahrt-Konzern Airbus gehörenden Augsburger Zulieferunternehmen Premium Aerotec. Bekanntlich beharrt die Airbus-Spitze darauf, sich von großen Teilen von Premium Aerotec überwiegend zu trennen, also einem Investor die Mehrheit an der Firma zu überlassen. Für den Standort Augsburg hätte das aus Sicht des Betriebsrates verheerende Konsequenzen. Die Existenz des gesamten Werkes stünde langfristig auf dem Spiel. Sollte Airbus gegen den entschiedenen Widerstand der Arbeitnehmerschaft den mehrheitlichen Verkauf des Einzelteilegeschäftes durchdrücken, müssten allein in Augsburg rund 2200 von noch 2800 Frauen und Männern zu einem neuen Arbeitgeber wechseln.
Doch die Gefahr ist aus Sicht des Betriebsrats groß, dass der neue Eigentümer, selbst wenn Airbus – wie versprochen – mit 25,1 Prozent an Bord bleibt, die Produktion massiv in das kostengünstigere Ausland verlagert. Nach dem Szenario würden hunderte Arbeitsplätze in Augsburg wegfallen – und das, obwohl schon zuletzt ein spürbarer Stellenabbau von einst etwa 3400 auf rund 2800 Jobs stattgefunden hat. Am Ende wird der Standort so klein, dass er sich nicht mehr rechnet. Damit würde in Augsburg die Geschichte des Flugzeugbaus enden. Auch wenn Airbus nach Informationen unserer Redaktion noch keinen überzeugenden Investor für Premium Aerotec gefunden hat, ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder alarmiert. Er engagiert sich wie Stephan Weil, sein Amtskollege in Niedersachsen, seit langem für den Erhalt von Luftfahrt-Jobs. Während CSU-Mann Söder Augsburg den Rücken stärkt, setzt sich SPDVertreter Weil für den in Niedersachsen angesiedelten Premium-Aerotec-Standort in Varel mit noch gut 1300 Beschäftigten ein. Der bayerische Ministerpräsident tritt nun gegenüber der Airbus-Führung noch entschiedener auf. So sagte er am Mittwoch unserer Redaktion: „Es gilt nicht weniger, als das Erbe von Franz Josef Strauß zu verteidigen.“Der einstige führende CSU-Politiker war einer der Gründerväter des Airbus-Konzerns und Boeing-Rivalen. An Airbus sind sowohl der deutsche als auch der französische Staat indirekt mit knapp elf Prozent beteiligt. Söder appellierte deshalb an die Ampel-Koalition: „Die neue Bundesregierung hat eine Verpflichtung gegenüber Airbus und Premium Aerotec. Airbus darf zu keinem französischen Unternehmen mit deutscher Außenstelle werden.“
Der Ministerpräsident forderte die Airbus-Spitze auf, „dass die Gleichberechtigung der Partner auf Augenhöhe erhalten bleiben und wieder mit Leben erfüllt werden muss“. Er macht sich damit dafür stark, deutsche Airbus-Standorte nicht gegenüber französischen zu benachteiligen. Dafür solle sich die Ampel-Koalition massiv einsetzen und so „eine Abwanderung deutscher Hightech-Kompetenzen verhindern“. Söder warnte in diesem Zusammenhang: „Andernfalls droht ein massiver und unwiederbringlicher Know-how-Verlust für den Luftfahrt-Standort Deutschland.“