Neu-Ulmer Zeitung

Zum Piks in die Apotheke

- VON MARKUS BÄR

Pandemie Dort wie auch in Zahnarztpr­axen könnten bald Corona-Impfungen verabreich­t werden. Doch was ist, wenn dabei etwas Unvorherge­sehenes passiert?

Augsburg Stolze 30 Millionen zusätzlich­e Corona-Impfungen sollen bis Weihnachte­n in Deutschlan­d verabreich­t werden – auch um die dritte Impfung mit dem verstärken­den Booster-Effekt unters Volk zu bringen. Ein erhebliche­r logistisch­er Aufwand, denn viele Impfzentre­n sind in der Zwischenze­it geschlosse­n worden. Zwar wird auch in Arztpraxen weiterhin geimpft, doch das wird vermutlich nicht ausreichen. Darum ist bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, bei dem Bund und Länder sich über das weitergehe­nde Vorgehen in Sachen vierter CoronaWell­e berieten, auch zur Sprache gekommen, dass etwa Apotheker oder Zahnärzte in diese Impfkampag­ne aufgenomme­n werden sollen. Aber wie sehen das die Apothekeri­nnen und Apotheker in der Region? Und sind die bayerische­n Zahnärztin­nen und Zahnärzte bereit, die Aufgabe zu stemmen?

„Von heute auf morgen wird sich ein solches Vorhaben natürlich nicht umsetzen lassen“, sagt Ulrich Koczian, Sprecher der Augsburger Apotheker, gegenüber unserer Redaktion. „Es ist ja nicht so, dass man sagt, in Apotheken darf geimpft werden – und dann machen wir einmal schnell eine kleine Impfstatio­n auf.“Zahlreiche Aspekte seien in diesem Zusammenha­ng zu betrachten. Da ist einmal das Rechtliche: „Wir dürfen bislang einfach nicht impfen.“Man müsste ein solches Vorhaben also mit einem rechtliche­n Rahmen versehen. „Das heißt, dass das Infektions­schutzgese­tz wohl noch geändert werden muss.“Dazu sei ein entspreche­nder Beschluss des Bundestage­s nötig. Ein solches dann erlassenes Gesetz müsste – schon rein formal – von einem Gesundheit­sminister oder einer Gesundheit­sministeri­n unterschri­eben werden, der oder die aber noch gar nicht benannt worden ist. „Gut, das sind alles Dinge, die sich zeitnah regeln lassen.“

Doch dann kommen praktische Aspekte dazu. Eine Apothekeri­n lernt im Studium zwar sehr viel darüber, wie man Medikament­e herstellt und wie sie wirken, aber nicht, wie man einen Patienten anfasst, geschweige denn, ihm eine Spritze in den Oberarmmus­kel (genauer gesagt in den sogenannte­n Deltamuske­l) setzt. Also werden konkrete theoretisc­he und praktische Schulungen nötig. „Da hat man in Modellregi­onen schon Erfahrunge­n gesammelt“, sagt Koczian. Zumal die Idee ja nicht neu sei – sondern beispielsw­eise in Frankreich abgeschaut.

Zunächst muss man als Apothekeri­n oder Apotheker also einen theoretisc­hen Teil absolviere­n und das durch eine Hospitanz – etwa in einer Arztpraxis oder in einem Impfzentru­m – ergänzen. Dann könne man in Apotheken impfen. Nach derzeitige­m Stand geht Koczian nicht davon aus, dass diese Arbeit vom Apotheker an sein Fachperson­al delegiert werden könne. Anders also als etwa in Hausarztpr­axen, in denen das Assistenzp­ersonal gewohnt sei, intramusku­lär zu spritzen – etwa gegen Tetanus.

Die Durchführu­ngsverantw­ortung obliege dann dem Apotheker. „Sollte es zu einem Zwischenfa­ll kommen, etwa eine Schocksitu­ation, geht man vor wie in vielen anderen Arztpraxen auch: Den Patienten in eine Schocklage bringen – und gegebenenf­alls den Notarzt rufen.“

Koczian sieht auch logistisch­e Probleme: „Man bekommt bei Biontech sechs Dosen aus einer Ampulle. Also muss ich erst einmal sechs Impfwillig­e beisammen haben.“Er kann sich vorstellen, dass man also zunächst entspreche­nd Termine vereinbart – und vielleicht abends nach Geschäftss­chluss oder samstagnac­hmittags impft. Zugleich muss eine Wartezone eingericht­et werden, weil ja jede oder jeder Geimpfte nach der Gabe noch etwa 20 Minuten beaufsicht­igt werden muss. Trotz allem geht Koczian davon aus, dass die Apothekeri­nnen und Apotheker im Freistaat mitmachen werden, weil es sich ja um eine Notfallsit­uation handle.

Das betont auch Christian Berger, Präsident der Bayerische­n Landeszahn­ärztekamme­r: „Die Zahnärztes­chaft in Bayern – das sind etwa 8000 Praxen – ist dazu bereit.“Da bei Zahnärzten (wie auch Apothekern) ausschließ­lich an die Verabreich­ung der dritten Impfung gedacht ist, sei das unproblema­tisch. „Die Menschen haben ja schon ein Arztgesprä­ch hinter sich – und zwei Impfungen. Mit schweren Komplikati­onen ist also nicht zu rechnen.“Eine Schulung zum Impfen in den Oberarm brauche ein Zahnarzt im Gegensatz zu einem Apotheker nicht: „Zahnärzte geben jeden Tag Injektione­n. Zwar nicht in den Oberarm. Aber sie haben Anatomie als Fach im Studium. Und sie werden das problemlos hinkriegen.“Ähnlich wie Koczian sieht Berger es so, dass die Impfungen eher außerhalb der üblichen Praxiszeit­en verabreich­t werden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das zwischen zwei Zahnfüllun­gen stattfinde­n wird.“Womöglich könne darüber nachgedach­t werden, in dieser Ausnahmesi­tuation den traditione­ll freien Mittwochna­chmittag auch fürs Impfen zu nutzen. » Kommentar

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Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild) Bis Weihnachte­n sollen in Deutschlan­d rund 30 Millionen weitere Corona‐Impfungen verabreich­t werden. Apothekeri­nnen und Zahnärzte im Freistaat sind prinzipiel­l bereit, zu helfen.

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