Wer hat die Nase vorn?
Formel 1 Max Verstappen und Lewis Hamilton fahren um den Formel-1-Titel. Zwei Rennen stehen noch aus. TV-Experte Ralf Schumacher erklärt, wer im Vorteil ist.
München Ralf Schumacher erinnert sich noch bestens an seine Zeit. Als er noch aktiver Formel-1-Fahrer war. Ein paar Jahre ist das schon her, 2007 fuhr er letztmals in der Königsklasse. Damals aber gab es häufiger mal Jahre, in denen es im Kampf um den WM-Titel spannend zuging. Als das mal wieder der Fall war, kam der damalige Formel1-Boss Bernie Ecclestone zur Fahrerbesprechung und machte allen Piloten klar, dass sie gefälligst nicht in den Titelkampf eingreifen sollen. Dass sie also am besten nicht im Weg stehen, wenn sich die Titelkonkurrenten nähern. „Wer auch immer sich hier einmischt und wenn irgendwas passiert, der wird nächstes Jahr keine Formel 1 fahren und keine Superlizenz kriegen“, erzählt Schumacher von Ecclestones damaliger Ansprache.
Mittlerweile ist Schumacher TVExperte. Er reist für den Sender Sky zu den Rennen. Am Mittwoch blickt er in einer Medienrunde schon einmal auf die Saison zurück, wenngleich noch zwei Rennen ausstehen. An diesem Sonntag wird in SaudiArabien gefahren, eine Woche später in Abu Dhabi. Spätestens da wird der Weltmeister feststehen. Acht Punkte trennen den Führenden Max Verstappen und seinen Verfolger Lewis Hamilton. Nach Jahren der Langeweile an der Spitze herrscht also mal wieder Spannung. Und eine Atmosphäre, die zwischen den konkurrierenden Teams durchaus als vergiftet bezeichnet werden kann. Mercedes und Red Bull tun wenig dafür, um ihre gegenseitige Abneigung zu verheimlichen. Das aber gehört zum Psychospiel Titelkampf dazu. Neben einem starken Auto braucht es einen kühlen Kopf und einen überragenden Fahrer. Das sind Verstappen und Hamilton zweifelsfrei.
„Ein solches Spektakel wollen wir doch sehen“, sagt Ralf Schumacher. Am Mittwoch sitzt er noch im Studio von Sky, kurz danach geht es zum Flughafen. Seit 2019 arbeitet er für den Sender, der in dieser Saison die Rechte an der Formel-1-Übertragung in Deutschland exklusiv hat. Das brachte dem Bezahlsender ein Plus von 50 Prozent bei den Zuschauern und Zuschauerinnen. Alle Ziele seien erreicht worden, wenngleich die Quoten von RTL verfehlt wurden. Als die Rennen noch im frei empfangbaren Fernsehen ausgestrahlt wurden, sahen im Schnitt vier bis fünf Millionen Fans zu. Bei Sky dürfte nun rund eine Million Zuschauer und Zuschauerinnen dabei gewesen sein, da in der Vorsaison im Schnitt 550.000 Fans die Übertragungen gesehen hatten. Nicht jeder Formel-1-Fan, der die Rennen bei RTL geschaut hat, leistet sich ein Abo für den Bezahlsender.
Schumacher jedenfalls freut sich wie sein Arbeitgeber über das spannende Titelrennen. Der 46-Jährige sieht das Momentum bei Mercedes, nachdem Lewis Hamilton zuletzt stark aufgeholt hatte. Schumacher aber weiß auch, dass auf dem Titelverteidiger mehr Druck lastet. „Ihm geht die Zeit aus“, sagt Schumacher. Soll heißen: Dem 36-jährigen Briten bleiben für den nächsten WM-Titel deutlich weniger Möglichkeiten als seinem 24-jährigen Rivalen. Zumal Hamilton unbedingt seinen achten Titel holen möchte, was ihn zum alleinigen Rekordhalter machen würde. Verstappen dagegen hätte bei einem Scheitern in dieser Saison noch viele Jahre in einem Topteam vor sich.
Schumacher hofft darauf, dass die Entscheidung im Titelkampf fair und vor allem unfallfrei herbeigeführt wird. „Das halte ich für sehr, sehr wichtig, dass beide Teams sich in die Augen schauen können und fair sind“, sagt Schumacher. Trotz aller Vehemenz, mit der der Titelkampf derzeit vor allem auch verbal geführt wird. Als WM-Führender kann Verstappen mit diesem Thema gelassener umgehen. Sollten beide Fahrer ausscheiden, bliebe er in Führung. Deswegen werde Hamilton in engen Situationen wohl eher zurückziehen, wie es der Brite bereits im Rennen in Brasilien getan hatte. Dennoch hatte er dort gewonnen. Damals hatte er einen neuen Motor bekommen, der nun auch wieder in seinem Mercedes stecken wird. In Katar war er zuletzt nicht eingesetzt worden. „Jetzt kommt die richtige Granate wieder rein für Saudi-Arabien und Abu Dhabi. Wir haben uns dieses Feuer für die letzten zwei Rennen aufbewahrt“, sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Die Strecke in Saudi-Arabien sollte Mercedes mit den langen Vollgaspassagen ohnehin liegen. „Im Moment hat Mercedes die Nase vorn“, sagt Ralf Schumacher.