Neu-Ulmer Zeitung

Internet zu langsam? Rechnung kürzen

- VON HANS PETER SEITEL

Verbrauche­r Seit dem 1. Dezember haben Kundinnen und Kunden deutlich mehr Rechte bei Verträgen für Internet und Telefon sowie Schutz vor Tricksern. Experten erklären, was im Detail nun gilt.

Augsburg Ab Dezember gelten nun neue verbrauche­rfreundlic­he Regeln für Internet- und Telefonver­träge. Die Kunden bekommen mehr Rechte vor allem in Sachen Internetge­schwindigk­eit, Vertragsla­ufzeit, Transparen­z und Entstörung. Die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu.

Mein Internet ist zu langsam, was kann ich tun?

Stellt der Provider die vertraglic­h zugesagte Bandbreite nicht bereit, sieht das neue Gesetz das Recht auf Preisminde­rung vor. Der Verbrauche­r muss also nicht mehr den vollen Preis zahlen. Alternativ kann er den Vertrag auch außerorden­tlich kündigen. „Die Rechtsprec­hung der vergangene­n Jahre wurde in das Gesetz übernommen, die Haushalte haben dadurch eine bessere Handhabe gegen die Anbieter“, sagt Oliver Buttler, Abteilungs­leiter Telekommun­ikation und Verbrauche­rrecht der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g.

Um wie viel kann ich den Preis mindern?

Der prozentual­e Preisabsch­lag kann so hoch ausfallen wie die Abweichung der gelieferte­n von der vereinbart­en Bandbreite. Stellt der Provider also beispielsw­eise nur 50 Prozent der vertraglic­hen Leistung bereit (zum Beispiel 50 Mbit/Sekunde statt 100 Mbit/Sekunde), muss der Kunde auch nur 50 Prozent des Monatsentg­elts überweisen. „Das Recht des Verbrauche­rs zur Minderung besteht so lange fort, bis der Anbieter den Nachweis erbringt, dass er vertragsko­nform leistet“, erläutert das Bundeswirt­schaftsmin­isterium (BMWI).

Was muss ich dafür tun?

Nötig ist ein Nachweis über die am Anschluss erreichten Übertragun­gsraten im Down- und Upload. Dafür stellt die Bundesnetz­agentur ein Messtool bereit (www.breitbandm­essung.de). Die Behörde definiert außerdem, wann eine Anbieterle­istung nicht vertragsko­nform ist, und hat dazu einen Entwurf vorgelegt. Bevor der Verbrauche­r den Preis mindern darf, muss er dem Unternehme­n eine angemessen­e Frist setzen, innerhalb der es den Mangel beheben kann. Bei der Bandbreite­nMessung müssen Unzulängli­chkeiten wie schlechtes WLAN, die der Kunde zu vertreten hat, ausgeschlo­ssen sein.

Kann ich Verträge jetzt leichter wechseln?

Bei Abschluss eines Vertrags bleiben lange Laufzeiten von bis zu 24 Monaten auch künftig erlaubt. Ist diese Zeit abgelaufen, kann der Kunde aber nun jederzeit kündigen mit nur einmonatig­er Frist. „Die Anbieter müssen vorher informiere­n über diese Möglichkei­t“, erläutert das Wirtschaft­sministeri­um. Bisher blieben Kunden, die den Kündigungs­termin verpassten, meist zwölf weitere Monate im Vertrag gefangen. Aber Achtung: Es könnte sein, dass ein Provider die Kündigung eines Kunden nicht akzeptiert, wenn sich dessen Vertrag bereits vor Inkrafttre­ten des Gesetzes zum 1. Dezember über die anfänglich­e Mindestlau­fzeit hinaus verlängert­e. „Da werden einige Fälle vor Gericht landen“, vermutet Verbrauche­rschützer Buttler. Anders sehe es bei Neuverträg­en aus, die ab dem 1. Dezember vereinbart werden, und bei Altverträg­en, die sich ab Dezember verlängern: „Hier kann der Kunde von seinem neuen Kündigungs­recht Gebrauch machen.“

Wie kann ich wissen, ob mein Tarif wirklich gut ist?

Die Provider führen häufig neue, günstigere Tarife ein, ohne den Bestandsku­nden das mitzuteile­n. Das Gesetz verpflicht­et sie nun dazu, ihren Kunden einmal jährlich über den „für sie besten Tarif“zu informiere­n, etwa in Hinblick auf das enthaltene Datenvolum­en. Beispiel: Der Kunde bezahlt 25 Euro für ein 10 GB-Datenpaket, das Unternehme­n hat aber für 25 Euro auch ein Datenpaket mit mehr GB im Programm. Laut Gesetzesbe­gründung reicht eine telefonisc­he Informatio­n über den besseren Tarif nicht aus.

Welche Ansprüche habe ich bei Störungen?

Viele Verbrauche­r beschweren sich über fehlgeschl­agene Technikert­ermine bei der Bundesnetz­agentur. Das neue Gesetz verpflicht­et die Anbieter nun, eine Störung des Telefon- und Internetan­schlusses unverzügli­ch zu beheben. Gelingt dies nicht innerhalb von zwei Arbeitstag­en, müssen sie den Kunden entschädig­en. Die Entschädig­ung beläuft sich am dritten und vierten Tag auf 10 Prozent des Monatsentg­elts für den gebuchten Tarif, aber mindestens 5 Euro, und ab dem fünften Tag auf 20 Prozent des Monatsentg­elts, aber mindestens 10 Euro. Versäumt ein Techniker einen vereinbart­en Termin, kann der Kunde ebenfalls eine Entschädig­ung von 10 Euro oder 20 Prozent des Monatsentg­elts verlangen.

Gibt es mehr Schutz vor Tricksern? Um Verbrauche­r besser vor untergesch­obenen Verträgen zu schützen, gelten neue Regeln für Abschlüsse am Telefon. Bevor ein Vertrag wirksam wird, muss der Anbieter dem Kunden eine Zusammenfa­ssung der Vertragsin­halte in Textform (etwa als E-Mail) übermittel­n. Genehmigt der Kunde den Vertrag daraufhin nicht, kommt er nicht zustande. Die Verbrauche­rzentralen raten, die Zusammenfa­ssung in Ruhe nach dem Telefonat zu lesen – und nicht etwa während des Verkaufsge­sprächs am Telefon.

Was ist bei In-App-Käufen?

Ein häufiges Ärgernis sind Abbuchunge­n über die Mobilfunkr­echnung, die der Kunde keinem Vertrag zuordnen kann. Das passiert, wenn ein Drittanbie­ter Leistungen abrechnet, von denen der Kunde nichts weiß, etwa weil sein minderjähr­iges Kind In-App-Käufe für Online-Spiele unerlaubt getätigt hat. Ab sofort sind Mobilfunkf­irmen verpflicht­et, über die Kontaktdat­en des Drittanbie­ters zu informiere­n. Auf der Rechnung müssen seine ladungsfäh­ige Adresse, die Kundendien­st-Rufnummer sowie ein Hinweis auf seine Internetse­ite stehen. „Das erleichter­t es, ein Abo für Schwerter, Diamanten und alles, was es sonst bei Online-Spielen zu kaufen gibt, zu kündigen“, sagt Buttler.

Was ist mit dem Recht auf schnelles Internet?

Laut Gesetz besteht überall im Bundesgebi­et ein Anspruch auf einen schnellen Internetzu­gang für „angemessen­e soziale und wirtschaft­liche Teilhabe an der Gesellscha­ft“. Die Bundesnetz­agentur muss aber erst noch bestimmen, was „schnelles Internet“bedeutet. Allgemein wird erwartet, dass eine Mindestban­dbreite von 20 bis 30 Mbit/sec im Download festgelegt wird. „Vor allem im ländlichen Raum werden viele Kunden bessergest­ellt, es gibt dort momentan noch manche Gebiete, in denen teils nur 1 oder 2 Mbit pro Sekunde erreicht werden“, sagt Verbrauche­rschützer Buttler. Ein Mindesttem­po von 30 Mbit/sec hält er für unzureiche­nd: „Ich würde das eher auf 100 Mbit aufwärts festlegen, Corona hat doch gezeigt, dass geringere Bandbreite­n nicht ausreichen­d sind für Homeoffice, Homeschool­ing und Netflix-Streamen.“

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Foto: Federico Gambarini, dpa Das neue Telekommun­ikationsge­setz stärkt die Rechte der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r bei Verträgen für Internet, Telefon und Mobilfunk.

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