Billig‐Bäume lassen heimische Händler kalt
Wirtschaft Große Handelsketten verschleudern Christbäume in der Vorweihnachtszeit oft für wenig Geld. Örtliche Betriebe sorgen sich dennoch nicht vor der Konkurrenz. Das zeichnet sie aus.
Nersingen/Kettershausen Eduard Schedel hat früher immer viel Geld für Christbäume ausgegeben, nur der schönste sollte im Wohnzimmer der Familie stehen. 2012 hörte Schedel mit der Landwirtschaft auf und zog seine eigene Weihnachtsbaumplantage hoch. Die Freude in den Gesichtern der Kundschaft – „das ist für mich das allerhöchste“, sagt der Kettershauser. Die Konkurrenz der Supermärkte, Baumärkte und Möbelhäuser fürchtet er nicht. Und auch sein Nersinger Kollege Matthias Glöckler glaubt nicht, dass seine Kundschaft angesichts billigerer Bäume ausbleibt. Denn die Anbauer können ein anderes Angebot machen.
Während die Schedels am vergangenen Wochenende bereits die ersten Kundinnen und Kunden im Kettershauser Ortsteil Zaiertshofen empfangen haben, startet der Hofverkauf bei den Glöcklers im Nersinger Ortsteil Leibi am Samstag, 5. Dezember. Die Bäume wachsen in beiden Fällen fußläufig nur wenige Schritte vom Hof entfernt. Beide Anbauer verzichten auf den Einsatz von Pestiziden, bei beiden ist die Christbaumzucht reine Handarbeit. „Das Regionale ist das A und O“, ist Schedel überzeugt. Glöckler bestätigt, dass vor allem Stammkundinnen und Stammkunden zum Verkauf kommen, die Wert auf einen heimischen Christbaum legen. Auf einen, der nicht schon vor etlichen Wochen irgendwo anders geschnitten wurde. Die großen Ketten könnten beide gar nicht beliefern, dafür sind die Plantagen zu klein. Aber: Sie wollen das auch gar nicht. Dafür sind die Bäume frisch und nicht schon seit Wochen in Netzen verpackt.
In den Wochen vor Weihnachten werden an allen Ecken Bäume verkauft. Manche Handelsketten verbinden das mit Gutscheinen für den Einkauf im Geschäft und verschleudern ihr Grün für wenig bis quasi gar kein Geld. In der Region gibt es aber auch einige Familien, die selbst Bäume pflanzen, pflegen, ernten und verkaufen. So wie die Glöcklers in Leibi und die Schedels in Zaiertshofen.
Matthias Glöckler betreibt die Christbaumzucht in dritter Generation, aber nur nebenher. Hauptberuflich ist er bei der Gemeinde Nersingen beschäftigt. Der Verdienst aus dem Geschäft mit den Bäumen würde vielleicht für zwei Monate reichen, meint er. Gearbeitet wird dennoch das ganze Jahr über, seine Eltern helfen mit. Nordmanntannen sind am gefragtesten, dennoch erkennt der Nersinger auch einen Trend in eine andere Richtung: Zurück zur stechenden, aber duftenden Blaufichte und sogar zur unscheinbaren, aber harzig riechenden Rotfichte. Den Menschen gehe es dann um eine Erinnerung an die eigene Kindheit, erklärt Matthias Glöckler. Und bisweilen komme es nicht aufs makellose Äußere an. Der Christbaum-Anbauer erinnert sich an einen Mann, der sich ganz bewusst für ein etwas krummes Exemplar entschied – mit den Worten: „Der Baum will auch Weihnachten feiern.“
Glöckler beobachtet auch, dass nicht mehr nur die größten und üppigsten Christbäume begehrt sind. „Man merkt schon, dass manche Wohnungen kleiner geworden sind“, berichtet er. In Zaiertshofen ist das anders. „Auf dem Land haben die Leute Platz“, sagt Eduard Schedel. Die meisten Weihnachtsbäume, die sein Familienbetrieb an den Mann oder an die Frau bringt, seien zweieinhalb Meter hoch und ausladend, manche hätten sogar eine Höhe von drei Metern. Und bei ihm fragt fast die gesamte Kundschaft nach Nordmanntannen.
Kundschaft, die teilweise weite Strecken zurücklegt. Schedel, der die Weihnachtsbäume mithilfe seines Sohns und seines Schwiegersohns verkauft, fragt nicht jeden und jede nach dem Wohnort – aber er schaut auf die Kennzeichen und weiß, dass die Menschen teilweise sogar aus dem Oberallgäu anfahren. Einer, berichtet der 68-Jährige, habe ihm erzählt, er sei an zwölf Verkaufsstellen vorbeigefahren, bis er in Zaiertshofen genau den Baum gefunden habe, der er wollte. Nach Leibi fahren dagegen vor allem Leute aus Nersingen und nahe gelegenen Orten. Und eine Stuttgarterin, die dort aufgewachsen ist und Jahr für Jahr bei einem Elternbesuch einen Baum aus ihrem Heimatort mit in die baden-württembergische Landeshauptstadt nimmt.
Nicht nur die Regionalität zeichnet die Betriebe aus, sie können der Kundschaft auch ein besonderes Angebot machen. Schon seit November können Neugierige die Plantage der Glöcklers in Leibi besuchen und einen Lieblingsbaum mit einem Zettel reservieren. Die Familie Schedel macht das gleiche Angebot – nur mit der Bitte um vorherige Absprache. In Leibi dürfen die Bäume am dritten Adventssonntag, 12. Dezember, selbst geschlagen werden. In Zaiertshofen ist das am 11. und am 18. Dezember möglich.
Matthias Glöckler und Eduard Schedel sind sich einig: Die Begeisterung ihrer Kundinnen und Kunden ist an diesem Tag so groß wie an keinem anderen. Vor allem bei Familienvätern, die mit ihren Kindern da sind, ist das Christbaumschlagen beliebt. Und eigentlich stellt Familie Glöckler dann immer auch eine Hütte auf, in der heiße Getränke ausgeschenkt werden und Familie
Schedel gibt einen Gratis-Glühwein pro Baum aus. Doch angesichts der Corona-Pandemie werden beide darauf wie im Vorjahr verzichten. Auch so werden sie wieder glückliche Gesichter sehen, davon sind Glöckler und Schedel überzeugt.
Öffnungszeiten Der Verkauf der Fa‐ milie Schedel in Kettershausen‐Zaierts‐ hofen, Obere Steige 12, hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Familie Glöckler verkauft ihre Bäume montags bis samstags von 9 bis 18 Uhr in der Lan‐ gen Gasse 7 in Leibi.