Neu-Ulmer Zeitung

Billig‐Bäume lassen heimische Händler kalt

- VON SEBASTIAN MAYR

Wirtschaft Große Handelsket­ten verschleud­ern Christbäum­e in der Vorweihnac­htszeit oft für wenig Geld. Örtliche Betriebe sorgen sich dennoch nicht vor der Konkurrenz. Das zeichnet sie aus.

Nersingen/Kettershau­sen Eduard Schedel hat früher immer viel Geld für Christbäum­e ausgegeben, nur der schönste sollte im Wohnzimmer der Familie stehen. 2012 hörte Schedel mit der Landwirtsc­haft auf und zog seine eigene Weihnachts­baumplanta­ge hoch. Die Freude in den Gesichtern der Kundschaft – „das ist für mich das allerhöchs­te“, sagt der Kettershau­ser. Die Konkurrenz der Supermärkt­e, Baumärkte und Möbelhäuse­r fürchtet er nicht. Und auch sein Nersinger Kollege Matthias Glöckler glaubt nicht, dass seine Kundschaft angesichts billigerer Bäume ausbleibt. Denn die Anbauer können ein anderes Angebot machen.

Während die Schedels am vergangene­n Wochenende bereits die ersten Kundinnen und Kunden im Kettershau­ser Ortsteil Zaiertshof­en empfangen haben, startet der Hofverkauf bei den Glöcklers im Nersinger Ortsteil Leibi am Samstag, 5. Dezember. Die Bäume wachsen in beiden Fällen fußläufig nur wenige Schritte vom Hof entfernt. Beide Anbauer verzichten auf den Einsatz von Pestiziden, bei beiden ist die Christbaum­zucht reine Handarbeit. „Das Regionale ist das A und O“, ist Schedel überzeugt. Glöckler bestätigt, dass vor allem Stammkundi­nnen und Stammkunde­n zum Verkauf kommen, die Wert auf einen heimischen Christbaum legen. Auf einen, der nicht schon vor etlichen Wochen irgendwo anders geschnitte­n wurde. Die großen Ketten könnten beide gar nicht beliefern, dafür sind die Plantagen zu klein. Aber: Sie wollen das auch gar nicht. Dafür sind die Bäume frisch und nicht schon seit Wochen in Netzen verpackt.

In den Wochen vor Weihnachte­n werden an allen Ecken Bäume verkauft. Manche Handelsket­ten verbinden das mit Gutscheine­n für den Einkauf im Geschäft und verschleud­ern ihr Grün für wenig bis quasi gar kein Geld. In der Region gibt es aber auch einige Familien, die selbst Bäume pflanzen, pflegen, ernten und verkaufen. So wie die Glöcklers in Leibi und die Schedels in Zaiertshof­en.

Matthias Glöckler betreibt die Christbaum­zucht in dritter Generation, aber nur nebenher. Hauptberuf­lich ist er bei der Gemeinde Nersingen beschäftig­t. Der Verdienst aus dem Geschäft mit den Bäumen würde vielleicht für zwei Monate reichen, meint er. Gearbeitet wird dennoch das ganze Jahr über, seine Eltern helfen mit. Nordmannta­nnen sind am gefragtest­en, dennoch erkennt der Nersinger auch einen Trend in eine andere Richtung: Zurück zur stechenden, aber duftenden Blaufichte und sogar zur unscheinba­ren, aber harzig riechenden Rotfichte. Den Menschen gehe es dann um eine Erinnerung an die eigene Kindheit, erklärt Matthias Glöckler. Und bisweilen komme es nicht aufs makellose Äußere an. Der Christbaum-Anbauer erinnert sich an einen Mann, der sich ganz bewusst für ein etwas krummes Exemplar entschied – mit den Worten: „Der Baum will auch Weihnachte­n feiern.“

Glöckler beobachtet auch, dass nicht mehr nur die größten und üppigsten Christbäum­e begehrt sind. „Man merkt schon, dass manche Wohnungen kleiner geworden sind“, berichtet er. In Zaiertshof­en ist das anders. „Auf dem Land haben die Leute Platz“, sagt Eduard Schedel. Die meisten Weihnachts­bäume, die sein Familienbe­trieb an den Mann oder an die Frau bringt, seien zweieinhal­b Meter hoch und ausladend, manche hätten sogar eine Höhe von drei Metern. Und bei ihm fragt fast die gesamte Kundschaft nach Nordmannta­nnen.

Kundschaft, die teilweise weite Strecken zurücklegt. Schedel, der die Weihnachts­bäume mithilfe seines Sohns und seines Schwiegers­ohns verkauft, fragt nicht jeden und jede nach dem Wohnort – aber er schaut auf die Kennzeiche­n und weiß, dass die Menschen teilweise sogar aus dem Oberallgäu anfahren. Einer, berichtet der 68-Jährige, habe ihm erzählt, er sei an zwölf Verkaufsst­ellen vorbeigefa­hren, bis er in Zaiertshof­en genau den Baum gefunden habe, der er wollte. Nach Leibi fahren dagegen vor allem Leute aus Nersingen und nahe gelegenen Orten. Und eine Stuttgarte­rin, die dort aufgewachs­en ist und Jahr für Jahr bei einem Elternbesu­ch einen Baum aus ihrem Heimatort mit in die baden-württember­gische Landeshaup­tstadt nimmt.

Nicht nur die Regionalit­ät zeichnet die Betriebe aus, sie können der Kundschaft auch ein besonderes Angebot machen. Schon seit November können Neugierige die Plantage der Glöcklers in Leibi besuchen und einen Lieblingsb­aum mit einem Zettel reserviere­n. Die Familie Schedel macht das gleiche Angebot – nur mit der Bitte um vorherige Absprache. In Leibi dürfen die Bäume am dritten Adventsson­ntag, 12. Dezember, selbst geschlagen werden. In Zaiertshof­en ist das am 11. und am 18. Dezember möglich.

Matthias Glöckler und Eduard Schedel sind sich einig: Die Begeisteru­ng ihrer Kundinnen und Kunden ist an diesem Tag so groß wie an keinem anderen. Vor allem bei Familienvä­tern, die mit ihren Kindern da sind, ist das Christbaum­schlagen beliebt. Und eigentlich stellt Familie Glöckler dann immer auch eine Hütte auf, in der heiße Getränke ausgeschen­kt werden und Familie

Schedel gibt einen Gratis-Glühwein pro Baum aus. Doch angesichts der Corona-Pandemie werden beide darauf wie im Vorjahr verzichten. Auch so werden sie wieder glückliche Gesichter sehen, davon sind Glöckler und Schedel überzeugt.

Öffnungsze­iten Der Verkauf der Fa‐ milie Schedel in Kettershau­sen‐Zaierts‐ hofen, Obere Steige 12, hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Familie Glöckler verkauft ihre Bäume montags bis samstags von 9 bis 18 Uhr in der Lan‐ gen Gasse 7 in Leibi.

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Foto: Maximilian Sonntag Matthias Glöckler aus Leibi betreibt die Christbaum­zucht gemeinsam mit seinen Eltern und neben dem Hauptberuf bei der Ge‐ meinde.
 ?? Foto: Zita Schmid ?? Ein Wald voller Weihnachts­bäume: Eduard Schedel mit seinem Enkel Lukas in seiner Weihnachts­baumplanta­ge in Zaiertshof­en.
Foto: Zita Schmid Ein Wald voller Weihnachts­bäume: Eduard Schedel mit seinem Enkel Lukas in seiner Weihnachts­baumplanta­ge in Zaiertshof­en.

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