Neu-Ulmer Zeitung

Wann gehen am Ulmer Weihnachts­markt die Lichter aus?

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Absage Eine Verordnung des Landes muss erst geschriebe­n werden, um den Markt zu beenden. Das zerrt an den Nerven.

Ulm Noch wird Glühwein erhitzt, noch werden Würste gebraten auf dem Ulmer Weihnachtm­arkt. Doch wann genau Schluss sein wird, ist unklar. In Interviews mit dem SWR sprach Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n wenig eindeutig erst von Donnerstag, dann von Freitag. Klar ist nur, dass allein für Peter Burger, Herr der Feuerwürst­e und Chef eines Familienbe­triebs, das sich auf Veranstalt­ungen spezialisi­ert hat, die Verluste hoch sein werden. „Sie gehen in die Zig-Tausende“, sagt Burger im Gespräch mit unserer Redaktion. Mit Sicherheit müsse Ware vernichtet werden.

Burger hat die Feuerwürst­e zwar zurückhalt­end vorbestell­t, doch „just in time“sei im Bratgeschä­ft keine Option: Denn die Lieferante­n würden nur liefern, wenn eine bestimmte Menge bestellt werde. Somit sei es unausweich­lich, dass verderblic­he Ware im Müll lande. Seit zwei Jahren gehe „nichts mehr im Catering-Bereich“. Nun hätten er und sein Team mit dem Ulmer Weihnachts­markt wieder etwas Hoffnung geschöpft, doch diese sei nun zerstört. Eigens für den Ulmer Weihnachts­markt habe der Unternehme­r aus Weinried im Allgäu 30 Menschen angestellt. Alle hätten fest mit dem Lohn geplant, manche haben extra Urlaub genommen, um neben ihren festem Job zusätzlich­es Geld für das Weihnachts­fest einzunehme­n. Pustekuche­n. „Die ständige Verunsiche­rung zehrt an den Nerven.“Wann genau die Lichter ausgehen, kann er nicht mit letzter Sicherheit sagen. Erst wenn die Verordnung auf dem Tisch liege. „Ich bin maßlos enttäuscht und verärgert über die Politik.“Es gebe keine erkennbare Linie in den Entscheidu­ngen und somit keinerlei Planungssi­cherheit seit Wochen. „Das ist eine Katastroph­e.“

Lieber wäre Burger eine klare Ansage wie in Bayern gewesen, dass es dieses Jahr keine Weihnachts­märkte geben würde. Nun sei er in „Existenznö­ten“– wie viele seiner Kollegen. Etwa Süßwarenhä­ndler

Michael Steinmülle­r aus Neu-Ulm. Als einer der Geschäftsf­ührer der Firma VMV („Volksfeste. Märkte. Veranstalt­ungen“), die eigentlich immer das Ulmer Volksfest zum Kerngeschä­ft hat, müsse er seit bald zwei Jahren ohne Einkünfte leben. „Wir haben alle so viel zu bezahlen“, sagt Peter Burger. Das Land beraube ihn und seine Mitarbeite­r samt Kollegen der Grundlage ihrer Existenz. Dabei hätten die Organisato­ren des Weihnachts­markts „von heute auf morgen“erst 2G-Plus umgesetzt. Ohne Vorwarnung. „Die sicherste aller Varianten.“Um dann ein paar Tage später ganz zumachen zu müssen. Burger: „Das ist nicht mehr zu verstehen.“Burger hat Zweifel, dass die Schließung des Weihnachts­markts verhindert, dass Menschen miteinande­r in geschlosse­nen Räumen in Kontakt kommen. Schließlic­h sei der Weihnachts­markt eine Freiluftve­ranstaltun­g. Konsequent­erweise müsse man „viel mehr schließen“. Als Letztes aber einen „Weihnachts­markt für Familien“, so wie in Ulm.

Ein wenig besser dran in der Not ist sein Kollege Christian Becker. Der Ulmer Gastronom (Stadthaus, Becker’s) ist nicht so sehr auf Veranstalt­ungen spezialisi­ert und kann die verderblic­he Ware zumindest teilweise in seinen stationäre­n Cafés und Restaurant­s verwenden. Dennoch ist Becker traurig, dass das „Stückchen Normalität“der Region genommen werde. Sehr bedauerlic­h sei die Situation für seine Aushilfen, die er eigens angestellt habe und nun entlassen müsse. Darunter seien etwa Studenten, die fest mit den Einkünften gerechnet haben.

Die Hängeparti­e zerrt auch an den Nerven der Veranstalt­er. Jürgen Eilts, der Geschäftsf­ührer der Ulmer Messegesel­lschaft, hat keine offizielle­n Informatio­nen, wann die neue Verordnung gelten soll. „Es gibt keine Kommunikat­ion mit dem Land.“Eilts müsse als Chef des Veranstalt­ers den Einsatz von knapp 40 Menschen, inklusive dem Sicherheit­sdienst, koordinier­en. „Das geht so nicht.“

Hinzu komme der Abbau zu einem ungewissen Zeitpunkt. „Die Abbauhelfe­r stehen ja nicht um den Münsterpla­tz parat.“Abbau ab Freitag, Samstag oder Sonntag? „Wir planen ins Blaue hinein.“Der wirtschaft­liche Schaden werde so mit jedem Tag größer. Seit 1989 sei Eilts Veranstalt­er. Unter solch unklaren Bedingunge­n habe er noch nie arbeiten müssen. Genauso gehe es den Beschicker­n: „Das macht alle mehr als mürbe.“

● 7‐Tage‐Inzidenz (RKI‐Wert): 609,1 Neuinfekti­onen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner

● Sieben‐Tage‐Fallzahl: 1069 ● Todesfälle bisher: 159 (+2)

● Corona‐Patienten auf Intensiv‐ station: 7 (davon beatmet: 4)

● Intensivbe­tten frei: 2

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Foto: Oliver Helmstädte­r Wie lange Peter Burger die beliebte Feu‐ erwurst noch verkaufen darf, weiß er nicht.

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