Wann gehen am Ulmer Weihnachtsmarkt die Lichter aus?
Absage Eine Verordnung des Landes muss erst geschrieben werden, um den Markt zu beenden. Das zerrt an den Nerven.
Ulm Noch wird Glühwein erhitzt, noch werden Würste gebraten auf dem Ulmer Weihnachtmarkt. Doch wann genau Schluss sein wird, ist unklar. In Interviews mit dem SWR sprach Ministerpräsident Winfried Kretschmann wenig eindeutig erst von Donnerstag, dann von Freitag. Klar ist nur, dass allein für Peter Burger, Herr der Feuerwürste und Chef eines Familienbetriebs, das sich auf Veranstaltungen spezialisiert hat, die Verluste hoch sein werden. „Sie gehen in die Zig-Tausende“, sagt Burger im Gespräch mit unserer Redaktion. Mit Sicherheit müsse Ware vernichtet werden.
Burger hat die Feuerwürste zwar zurückhaltend vorbestellt, doch „just in time“sei im Bratgeschäft keine Option: Denn die Lieferanten würden nur liefern, wenn eine bestimmte Menge bestellt werde. Somit sei es unausweichlich, dass verderbliche Ware im Müll lande. Seit zwei Jahren gehe „nichts mehr im Catering-Bereich“. Nun hätten er und sein Team mit dem Ulmer Weihnachtsmarkt wieder etwas Hoffnung geschöpft, doch diese sei nun zerstört. Eigens für den Ulmer Weihnachtsmarkt habe der Unternehmer aus Weinried im Allgäu 30 Menschen angestellt. Alle hätten fest mit dem Lohn geplant, manche haben extra Urlaub genommen, um neben ihren festem Job zusätzliches Geld für das Weihnachtsfest einzunehmen. Pustekuchen. „Die ständige Verunsicherung zehrt an den Nerven.“Wann genau die Lichter ausgehen, kann er nicht mit letzter Sicherheit sagen. Erst wenn die Verordnung auf dem Tisch liege. „Ich bin maßlos enttäuscht und verärgert über die Politik.“Es gebe keine erkennbare Linie in den Entscheidungen und somit keinerlei Planungssicherheit seit Wochen. „Das ist eine Katastrophe.“
Lieber wäre Burger eine klare Ansage wie in Bayern gewesen, dass es dieses Jahr keine Weihnachtsmärkte geben würde. Nun sei er in „Existenznöten“– wie viele seiner Kollegen. Etwa Süßwarenhändler
Michael Steinmüller aus Neu-Ulm. Als einer der Geschäftsführer der Firma VMV („Volksfeste. Märkte. Veranstaltungen“), die eigentlich immer das Ulmer Volksfest zum Kerngeschäft hat, müsse er seit bald zwei Jahren ohne Einkünfte leben. „Wir haben alle so viel zu bezahlen“, sagt Peter Burger. Das Land beraube ihn und seine Mitarbeiter samt Kollegen der Grundlage ihrer Existenz. Dabei hätten die Organisatoren des Weihnachtsmarkts „von heute auf morgen“erst 2G-Plus umgesetzt. Ohne Vorwarnung. „Die sicherste aller Varianten.“Um dann ein paar Tage später ganz zumachen zu müssen. Burger: „Das ist nicht mehr zu verstehen.“Burger hat Zweifel, dass die Schließung des Weihnachtsmarkts verhindert, dass Menschen miteinander in geschlossenen Räumen in Kontakt kommen. Schließlich sei der Weihnachtsmarkt eine Freiluftveranstaltung. Konsequenterweise müsse man „viel mehr schließen“. Als Letztes aber einen „Weihnachtsmarkt für Familien“, so wie in Ulm.
Ein wenig besser dran in der Not ist sein Kollege Christian Becker. Der Ulmer Gastronom (Stadthaus, Becker’s) ist nicht so sehr auf Veranstaltungen spezialisiert und kann die verderbliche Ware zumindest teilweise in seinen stationären Cafés und Restaurants verwenden. Dennoch ist Becker traurig, dass das „Stückchen Normalität“der Region genommen werde. Sehr bedauerlich sei die Situation für seine Aushilfen, die er eigens angestellt habe und nun entlassen müsse. Darunter seien etwa Studenten, die fest mit den Einkünften gerechnet haben.
Die Hängepartie zerrt auch an den Nerven der Veranstalter. Jürgen Eilts, der Geschäftsführer der Ulmer Messegesellschaft, hat keine offiziellen Informationen, wann die neue Verordnung gelten soll. „Es gibt keine Kommunikation mit dem Land.“Eilts müsse als Chef des Veranstalters den Einsatz von knapp 40 Menschen, inklusive dem Sicherheitsdienst, koordinieren. „Das geht so nicht.“
Hinzu komme der Abbau zu einem ungewissen Zeitpunkt. „Die Abbauhelfer stehen ja nicht um den Münsterplatz parat.“Abbau ab Freitag, Samstag oder Sonntag? „Wir planen ins Blaue hinein.“Der wirtschaftliche Schaden werde so mit jedem Tag größer. Seit 1989 sei Eilts Veranstalter. Unter solch unklaren Bedingungen habe er noch nie arbeiten müssen. Genauso gehe es den Beschickern: „Das macht alle mehr als mürbe.“
● 7‐Tage‐Inzidenz (RKI‐Wert): 609,1 Neuinfektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner
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● Corona‐Patienten auf Intensiv‐ station: 7 (davon beatmet: 4)
● Intensivbetten frei: 2