Neu-Ulmer Zeitung

Der Handel muss Ungeimpfte aussperren

- VON MARGIT HUFNAGEL, BERNHARD JUNGINGER UND STEFAN KÜPPER

Pandemie Um die Lage in den Griff zu bekommen, legt die Politik deutlich nach.

Berlin/Augsburg Für alle, die noch nicht gegen das Coronaviru­s geimpft sind, beginnt erneut ein weitreiche­nder Lockdown: Sie werden nicht nur aus dem Freizeitbe­reich und von Veranstalt­ungen ausgeschlo­ssen, sondern durch die 2G-Regel auch aus dem Einzelhand­el. Das haben Bund und Länder beschlosse­n. Zugang zu Läden haben nur noch Geimpfte und Genesene. Kontrollie­ren sollen das die Händler selbst. Ausgenomme­n sein sollen Geschäfte des täglichen Bedarfs, wie etwa Supermärkt­e.

„Die vierte Welle muss gebrochen werden“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Besonders mit Blick auf die Situation in den Krankenhäu­sern habe man daher entschiede­n, die Maßnahmen noch einmal zu verschärfe­n. „Ich glaube, dass das richtig und notwendig ist“, sagte auch ihr designiert­er Nachfolger Olaf Scholz. „Wir rufen alle Nichtgeimp­ften auf, die Impfangebo­te anzunehmen“, forderte Hendrik Wüst, Chef der Ministerpr­äsidentenr­unde. „Wir brauchen einen Akt der nationalen Solidaritä­t.“Dazu gehöre es auch, Kontakte zu reduzieren. Trotz der in Bayern langsam sinkenden Infektions­zahlen betonte auch Ministerpr­äsident Markus Söder: „Es gibt keinen Anlass zur Entwarnung.“

Im Einzelhand­el nimmt man die Nachricht mit wenig Begeisteru­ng auf. Wolfgang Puff, Chef des Handelsver­bands Bayern, kritisiert die neuen Auflagen deutlich: „2G bedeutet eine außerorden­tlich starke Belastung für unser Geschäft. Es ist umso dramatisch­er, weil die Beschränku­ng zum zweiten Mal mitten ins Weihnachts­geschäft fällt. Wir halten 2G im Einzelhand­el zudem für verfassung­swidrig.“Allen Kunden müsse der Zugang zu den Geschäften erlaubt bleiben. Er wolle dem Lockdown nicht das Wort reden, aber wenn es einen gäbe, dann müsste dieser für alle gelten, „für das gesamte öffentlich­e, wirtschaft­liche und private Leben“. Der Einzelhand­el dürfe nicht „das Opfer von politische­n Versäumnis­sen sein.“

In mehreren Bundesländ­ern gilt bereits seit Ende November eine 2G-Regel im Einzelhand­el, etwa in Thüringen, Berlin und Brandenbur­g. Am Wochenende bildeten sich vor den Eingängen vieler Berliner Geschäfte Schlangen von Kunden, die auf die Kontrolle ihrer Impfnachwe­ise warteten.

Das Institut der deutschen Wirtschaft erwartet durch 2G in Einzelhand­el und Gastgewerb­e Umsatzeinb­ußen im Dezember von etwa 5,3 Milliarden Euro. Dabei sei zu bedenken, dass die Betriebe bereits im zweiten Jahr im wichtigen Weihnachts­geschäft unter Beschränku­ngen litten. Ohnehin läuft es für viele stationäre Händler schon jetzt nicht rund. Eine Umfrage des Handelsver­bandes unter seinen Mitglieder­n zeigte, „dass nur 20 Prozent der 350 befragten Unternehme­n mit den Umsätzen im bisherigen Weihnachts­geschäft zufrieden sind“. Die vierte Corona-Welle trübte die Stimmung der Verbrauche­r, wie die Konsumfors­cher der Nürnberger GfK feststellt­en. Die Neigung zu Anschaffun­gen sei auf ein NeunMonats-Tief gesunken. Der bayerische Handelsver­band fordert daher nach dem gestrigen Beschluss, dass die Überbrücku­ngshilfe III erweitert wird. Bisher greift sie, wenn Händler einen Umsatzrück­gang von 30 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Monat von 2019 nachweisen können.

Wie hoch das Infektions­risiko in Geschäften ist, lässt sich schwer sagen, weil die Kontaktver­folgung schwierig ist. Eine Studie der Humboldt-Universitä­t zeigt allerdings, dass die eher kleine Gruppe der Ungeimpfte­n für 67 bis 76 Prozent aller Neuinfekti­onen verantwort­lich ist. Lesen Sie mehr im Kommentar und auf den Seite Politik und Wirtschaft.

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